FANWORK > Fanfiction > Anne Azel - Amazon Encounter Teil 3

Disclaimer: Die Charaktere von Xena und Gabrielle sind Eigentum von Universal und Renaissance Pictures. Es ist keine Copyrightverletzung beabsichtigt.
Warnung: Diese Geschichte gehört zu "Alternative Fiction". Bitte lest sie nicht, wenn ihr minderjährig seid oder es an eurem Ende von der Welt illegal sein sollte.
Notiz: Alle Beschreibungen der Flora und Fauna in dieser Geschichte sind real, ebenso die der Indianergruppen und der natürlichen Topografie. Sie sind Bestandteil meiner eigenen Feldforschungen in diesem Gebiet. Cats Paw kommt als mögliches Medikament bei der Behandlung von Krebs in Betracht.

Anmerkung von jany_: Da dieser Encounter als Grundlage zum Verständnis der folgenden Encounter dient, habe ich mir erlaubt ihn hier zu posten, obwohl ich Finonomene nicht erreicht habe. Die Übersetzung ist Eigentum von Finonomene und wird wieder offline genommen, falls sie ein Problem damit haben sollte, dass ihre Übersetzung hier gepostet wurde.

Amazon Encounter

By
Anne Azel

a_azel@hotmail.com

Übersetzung von finonomene@planet-interkom.de

Teil 3
Der nächste Tag kam und Kris schulterte einen wesentlich größeren und schwereren Packen, als ihre Ärztin zulassen wollte. Sie folgten eine Weile dem Pfad der Indianer durch den Regenwald, dann jedoch mussten sie sich ihren eigenen Weg durch das Unterholz schlagen. Morgan entdeckte, dass dies eigentlich gar nicht so dicht war. Das Laubdach hoch über ihnen verhinderte das Durchscheinen der Sonnenstrahlen, die die jüngeren Pflanzen zum Wachsen gebraucht hätten. Nur an Stellen, wo Bäume umgestürzt waren, wetteiferten die unterschiedlichsten Pflanzen um einen Platz im Sonnenlicht. Und die Keimlinge der gefallenen Bäume waren dabei eine nicht zu unterschätzende Konkurrenz.
Jedoch war der Boden uneben durch Wurzeln, Schlamm, tote Zweige und abgestorbenes Laub und Kris musste diese manches Mal mit der Machete kappen oder zur Seite schieben, um einen Weg zu schlagen. Wenn ein großer Ast im Wege lag, den Kris nicht bewegen konnte, dann brachte sie zunächst das Gepäck auf die andere Seite und hielt Morgan dann ihre Hand hin, um ihr hinüber zu helfen.
Einige Male mussten sie auch Flussläufe überqueren, die sich tief eingeschnitten hatten und Kris legte ein paar Stämme aus, als Brück. Beim ersten Mal war sie leichtfüßig hinübergelaufen, als handele es sich um ebenen Grund und hatte ihren Weg fortgesetzt, bis sie Morgan lauthals protestieren hörte.
"Kris, das schaffe ich nicht," hatte sie gerufen, unfähig, selbstständig über den schwankenden Steg zu gehen. Ihr war heiß, sie war müde und irritiert von der Tatsache, dass es Kris nicht so zu gehen schien, aber vor allem war sie wütend auf sich, dass sie ihrer Angst nachgeben musste. Sie hatte genügend Mut aufgebracht, um ein paar Schritte auf die Brücke zu gehen, dann jedoch hatte sie nach unten sehen müssen.
Das dunkle Wasser rann über die Steine, wie das Blut in jener Nacht. Es war der Klang des Wassers, dass den Flashback diesmal verursacht hatte. Sie hatte damals lange nur dagelegen und auf den Tod gewartet, während unter ihr eisig- schwarzes Wasser hinweg geströmt war. Schließlich hatten Sirenen diesen Klang übertönt und die blinkenden und blitzenden Lichter hatten alles in einen neuen Rotton getaucht.
Kris schaute die vor Angst erstarrte Freundin an und erschrak zutiefst. Langsam nahm sie ihren Rucksack ab und legte ihn auf den Boden, dann ging sie über den Balken zurück. Sie half Morgan dabei, ihr Gepäck über die steifen Schultern zu streifen und trug es zu ihrem Gepäck zurück. Dann wandte sie sich der Freundin zu.
"Komm schon, du schaffst es," ermutigte Kris sie und streckte ihre Hand aus, rückwärts den Steg entlanglaufend.
Irgend etwas rastete in Morgans Verstand aus, "Nein, das kann ich nicht! Du gottverdammte Angeberin!" schrie sie und war noch verängstigter durch den Blick auf Kris' Gesicht. Es war, als hätte sie ein Messer genommen und sie damit erstochen.
Kris kam herüber und bleib nur wenige Zentimeter von Morgan entfernt stehen. "Äh, ist es OK, wenn ich dich trage?" fragte sie verlegen und nervös und voller Verwirrung.
"Ich... es... ist die Brücke," würgte Morgan hervor. "Es ist auf einer Brücke passiert."
Morgan wich zurück, unfähig, der Kriegerin die Augen zu sehen.
Brücke? Mist, der Anschlag, dachte Kris, trat einen Schritt nach vorn und nahm Morgan in die Arme.
"Shh, ist schon gut." Versuchte sie die schluchzende Frau zu beruhigen. "Jetzt bin ich ja bei dir. Und du bist sicher." Es war eine dumme Bemerkung, das wusste Kris auch, aber ihr fiel einfach nichts anderes ein und sie konnte es nicht ertragen, Morgan so verstört zu sehen. Ja, sicher bei dir, Thanasis, ganz toll, wenn dein Leben ohnehin schon verwirkt ist! Und außerdem hast du den Teufel in der Seele...
Morgan beruhigte sich in ihren Armen.
"Ich kann das," sagte Morgan leise, "Hilf mir, Kris." Langsam führte Kris die ängstliche kleine Frau den Balken entlang. Das funktioniert nicht, dachte Kris, es würde noch viel mehr solcher Übergänge geben.
Kris führte Morgan bis in die Mitte der schaukelnden Brücke, dort bleib sie dicht vor Morgan stehen, die sich voller Panik an sie klammerte. "Sieh mich an, Morgan," flüsterte sie und nahm ihr Gesicht in ihre Hände. Morgan schaute voller Furcht auf. "Vertraust du mir?" Die kleine Frau nickte. "Ich kenne dich erst seit ein paar Wochen und dennoch fühle ich mich dir sehr nahe. Ich liebe dich, Morgan," gestand die Kriegerin und beugte sich herunter und fing Morgans Lippen ein. Dann küsste sie über ihren Hals bis zu einem Ohr, in das sie sanfteste Worte von ihrer Liebe flüsterte. Langsam entspannten sich die Hände, die ihren Körper umkrampften und wanderten über ihre Arme und ihren Rücken. Kris küsste sie wieder und wieder. Und dann hielt sie sie nur noch fest.
"Kris?"
"Hmm?"
"Bin ich noch immer auf der Brücke?" murmelte Morgan.
"Ja," bemerkte Kris.
"Liebesbrücke," seufzte Morgan. "Ich liebe dich." Die Worte durchfuhren Kris wie ein Donnerschlag. Meinte sie es wirklich? Konnte sie sie lieben?
Kris wich zurück und half Morgan vorsichtig, den Rest des Weges über die Brücke zurückzulegen. Aber die Furcht war vergangen und sie wusste, dass Morgan eine weitere Barriere auf dem Weg ihrer Gesundung niedergerissen hatte.
"Danke," sagte Morgan und umarmte Kris. "Tut mir leid, ich war gemein zu dir. Du bist wundervoll, weißt du das?"
Kris erwiderte die Umarmung, "Komm jetzt, nur noch ein paar Kilometer und dann schlagen wir das Camp auf."
Sie gingen ein paar Stunden lang über schlammigen, unwegsamen Boden und durch intensive Hitze. Nach einer Weile hielten sie an einem braunen Hügel von der Größe eines Soccerballes an, der sich zwischen zwei Wurzeln befand. Nicht so sehr, weil Kris wusste, dass sie damit die Neugier und den Forscherdrang der Freundin wecken konnte, sondern viel mehr, um Morgan eine kurze Pause zu gönnen, ohne sie in Verlegenheit zu bringen.
"Sieh mal, Morgan, das ist ein Termitenhügel. Sie sind ziemlich häufig im Regenwald. Und man kann sie essen. Sie haben viel Proteine. Das ist eine vorzügliche Nahrungsquelle, wenn dir auf der Expedition die Nahrungsmittel ausgehen."
"Ich! Du zuerst," sagte Morgan sarkastisch und verzog das Gesicht.
"OK:" grinste Kris und genoss den vollkommen schockierten Blick im Gesicht der Freundin, als sie ein wenig Staub von der Oberfläche des Hügels wegkratzte. Augenblicklich erschienen Dutzende von Arbeitertermiten, um den Schaden zu reparieren und Kris ließ sie auf ihren Finger krabbeln. Diesen steckte sie schließlich in den Mund und leckte ihn ab. Sie kaute und schluckte und strahlte Morgan glücklich an.
"Ahhhh, ist das ekelhaft! Ich werde dich nie wieder küssen, Kris Thanasis! Gott weiß, was du sonst noch alles in deinen Mund steckst!"
Kris wackelte verschmitzt mit ihren Augenbrauen. Dann steckte sie ihren Finger wieder in das Nest und ein paar der Termiten liefen daran hinauf. Sie hielt ihn Morgan vor den Mund. Morgan seufzte schwer und verdrehte die Augen, dann beugte sie sich schicksalsergeben vor und nahm Kris Finger in den Mund. Kris zog ihn zwischen den warmen, weichen Lippen hervor und hatte plötzlich Mühe, ihre niederen Instinkte zu kontrollieren. "Schnell, kauen und schlucken," instruierte sie. Morgan versuchte ihr heiterstes Gesicht zu machen. "Und?" fragte Kris.
"Irgendwie herb, nach Laub... aber selbst mit Feuerameisensoße werden sie wohl kaum zum Lieblings- Fastfood in meiner Nachbarschaft werden," grunzte Morgan, hielt ihren Magen und fuhr sich mit der Zunge durch den Mund und spuckte ein paar Überbleibsel der Insekten aus. Kris schnaubte und reichte der Freundin die Wasserflasche. Diese nahm einen tiefen, dankbaren Zug und gab die Flasche zurück an Kris, die ihren Kopf nach hinten legte und das warme Wasser die Kehle hinabfließen ließ. Als sie wieder aufschaute, trafen ihre Augen die sanfte, grüne Tiefe von Morgans Blick. Morgan stellte sich auf die Zehenspitzen und leckte die Wassertropfen von Kris' Lippen fort. Als sie zurückwich, folgte ihr Kris' Kopf und eroberte ihre Lippen mit einem langen, hungrigen Kuss. "Habe ich es mir doch gedacht," wisperte Morgan schelmisch. "Termiten sind ein Essen, das man teilen muss."
Kris lachte, rückte ihren Rucksack zurecht und machte sich wieder auf den Weg, Morgan dicht hinter sich. "Also, ist es größer als eine Brotschachtel?" fragte Kris über ihre Schulter grinsend.
"Ist was?" fragte Morgan, vorsichtig über ein paar rutschige Wurzeln steigend.
"Diese geheimnisvolle Pflanze, hinter der du her bist. Ist sie größer als eine Brotbox?" vertiefte Kris und hielt einen dornigen Zweig mit ihrer Machete fest, um Morgan darunter durch gehen zu lassen.
"Keineswegs, nicht dass ich eine Ahnung hätte, wie groß eine Brotbüchse sein könnte. Ich habe meine Scheiben im Kühlschrank," erwiderte die Ärztin und ließ sich auf dieses alberne Spiel ein.
"Ist es grün, gelb oder braun?" fragte Kris vergnügt.
"Das sind drei Fragen auf einmal und die Antwort lautet ja... auf eine davon..." und so fuhren sie fort.
Einige Zeit später stoppte Kris plötzlich und schaute zu Boden. Morgan folgte ihrem Blick und schnappte entsetzt nach Luft, als sie sah, dass der Boden über und über mit Ameisen bedeckt war wie mit einem Teppich. "Lauf!" schrie Kris, griff die Frau beim Arm und schubste sie vorwärts. Morgan rannte so gut sie es mit ihrem kaputten Bein vermochte. Aber nach einer kurzen Strecke erkannte Kris, dass Morgan nicht schnell und weit genug fortlaufen konnte. Sie wechselte die Richtung, schoss durch die Büsche und zog die hinkende Ärztin hinter sich her. Kris hielt nicht am Rand des nahen Sumpfes an, sondern ließ sich direkt ins Wasser fallen, Morgan mit sich zerrend.
"Kris!" schrie Morgan, als ihre Füße im schlammigen Untergrund versanken und der grüne Schlamm des Sumpfloches sich um ihre Schultern schloss. Kris schlang einen Arm um sie und watete rasch hindurch. Sie zog die erschöpfte Frau auf den Rand der anderen Seite hinauf. Ein paar Minuten lang saßen sie in Dreck und Schlamm schweigend beieinander.
"Was ist denn passiert?" ächzte Morgan schließlich.
"Ameisenarmeen. Die machen vor gar nichts halt. Wir hätten eingekreist werden können. Aber man kann vor ihnen auch nicht davon laufen, also musste ich uns in dieses Schlammloch stürzen. Über das Wasser kommen sie nicht. Bist du OK?" fragte Kris und berührte Morgan.
Morgan schaute hinunter auf ihren durchnässten, verschwitzten und verklebten Körper und schniefte. Das stank ziemlich nach Schlamm und Moder. Ihr Bein schmerzte schrecklich von der Überanstrengung des Laufens. "Oh ja, ich bin OK. Willst du mich küssen?" fragte sie schelmisch.
Kris grinste über ihr eigenes dreckverschmiertes Gesicht, neigte den Kopf und küsste Morgan zärtlich. "Das muss Liebe sein," seufzte Morgan glücklich und Kris lachte und zog die Freundin auf die Füße.
Wenig später kamen sie an eine kreisrunde Lichtung, in deren Mitte ein kahler, glatter Baum stand. "Das ist doch ein hübscher Ort, Kris, können wir hier nicht das Camp aufschlagen?" fragte die Ärztin hoffnungsvoll. Ihr Bein schmerzte jetzt beinahe unerträglich und sie hinkte bereits. Um das Ganze noch schlimmer zu machen, war die Hitze überwältigend geworden, die Luftfeuchtigkeit beinahe unerträglich und die Moskitos begannen, sie zu umschwärmen.
Kris schnaubte. "Nein, nicht hier. Siehst du den kleinen Baum? Er wird der Strafbaum genannt. Es gibt eine symbiotische Beziehung zwischen ihm und einer Ameisenart. Die Tiere leben unter den Wurzeln des Baumes und als Dank für die nette Wohnung, verspritzen sie ihr Gift um den Baum herum, um andere Pflanzen am Wurzeln zu hindern. Das hält die anderen Bäume fern. Diese Bäume müssen gar nicht groß werden, die Ameisen sorgen auch dafür, dass er genug Sonnenlicht bekommt. Die Indianer bringen ihre Gefangenen hierher und binden sie am Baum fest. Dann schlagen sie gegen den Stamm und der arme Bastard stirbt einen elendigen, schmerzvollen und schrecklichen Tod. Sieh hin." Kris ging vorwärts und schlug mit der Seite ihrer Machete gegen den Stamm, der augenblicklich nur so von kleinen, roten Ameisen wimmelte.
Dann kam sie zurück zu Morgan, die sie voller Abscheu ansah. Besser, ich bringe es hinter mich, dachte sie. Sie hat ein Recht, es zu erfahren, bevor sich die Dinge zu weit entwickelten. "Ich habe das mit den Gegnern meines Vaters gemacht, um sie zum Reden zu bringen," sagte Kris leise, drehte sich um und ging davon und überließ es der entsetzten Ärztin, ihr zu folgen.
**********
Sie erreichten den schwarzen Fluss, der zum Orinoko führte. Kris folgte dem Strom und schon bald erreichten sie eine freundliche Lichtung. Außerhalb des dichten Blätterdaches war die Luft frischer und eine sanfte Brise machte die überwältigende Luftfeuchtigkeit ein wenig erträglicher. Unter der Sonne waren auch die Moskitos etwas weniger aktiv. Morgan schüttelte ihren Kopf, wohl gewahr, dass sich etwas verändert hatte. Kirs lächelte, "Insekten. Wenn man aus dem Regenwald heraustritt, dann sind die Geräusche von Billionen von Insekten weniger vernehmbar." Morgan nickte.
"Wir werden hier unser Camp aufschlagen," erklärte die Kriegerin, nahm ihr Gepäck von den Schultern und half der müden Ärztin mit ihrem. "Ach ja, du kannst hier schwimmen gehen, es ist sicher," sagte die Kriegerin verlegen, nicht sicher, wie sich Morgan jetzt mit ihr fühlte.
Morgan hob eine schlammverschmutzte Hand und legte sie an Kris' Wange. "Ich wünschte, du wärest nicht solch ein Mensch gewesen. Es muss furchtbar sein, damit zu leben, aber das ist nicht der Mensch, den ich liebe. Die, die ich liebe, stellt sich vor einen angreifenden Jaguar um mich zu schützen und hält mich fest, wenn ich mich fürchte. Sie ist schön und sorgsam und klug."
Kris ließ verwirrt den Kopf hängen. Sie wollte so sehr, dass sich ihre Beziehung mit Morgan festigte, aber sie spürte auch, dass sie es ihr schuldig war, sie zu warnen, dass sie sich in eine sehr böse Person verliebt hatte.
"Hey, wollen wir etwas ausprobieren?" fragte Morgan und strich Kris das dunkle Haar vorsichtig nach hinten.
"Was?" murmelte die Kriegerin.
"Wenn ich etwas von diesem Dreck abwasche, dann wird vielleicht auch etwas von diesen dunklen Gedanken fortgewaschen. Willst du es nicht versuchen?" Kris schaute in intensive grüne Augen voller Mitgefühl, sie nickte und erntete dafür ein strahlendes Lächeln ihrer Freundin. Hand in Hand gingen sie zum Wasser hinunter und Kris fand einen einfachen Platz für Morgan, wo sie ihre Schiene und Kleider ablegen und sich ins Wasser gleiten lassen konnte. Kris folgte als sie sicher war, dass Morgan nichts geschehen konnte. Sie saßen auf den glatten Steinen und genossen das sensationelle Gefühl, einander die empfindsamen Körper zu waschen.
Das Waschen führte zu Zärtlichkeit, Zärtlichkeit zu Küssen, Küsse zu Leidenschaft.
Kris hatte es nicht geplant. Sie hatte noch nicht einmal gewollt, dass dieser Schritt so schnell kommen sollte, aber ihr Verlangen, eins mit Morgan zu sein, überwältigte sie, als die kleinere Frau heiser an ihrem Ohr bat: "Nimm mich, Jäger. Ich will dein sein."
Mit einem tiefen Stöhnen voller Verlangen hob sie die kleinere Frau auf und legte sie auf die glatten Steine. Dann senkte sie langsam ihren kühlen, nassen Leib über Morgan. Ihre Münder näherten sich, versanken in einem leidenschaftlichen Kuss und Kris schob ihre Hüfte gegen Morgans feuchte Wärme. Kris beeilte sich nicht, sondern kämpfte um Kontrolle. Sie wollte ihre Begierde zurückhalten, mit ihren Händen Morgans Leib erkunden, sie mit ihren Lippen spüren und auf den Höhepunkt treiben.
Danach lagen sie beieinander, Kris Kopf nahe an Morgans heißem Mittelpunkt. Nach einer Weile spürte Kris, dass Morgan ihr Haar streichelte und sie schob ihre Hand nach oben, dorthin, wo sie noch vor ein paar Minuten ein Festmahl gehalten hatte. Morgan bäumte sich ihrer Berührung entgegen und stöhnte leise. "Morgan, wir müssen nicht weiter gehen, nicht, wenn du es nicht willst," sagte Kris und kämpfte gegen die pure Begierde, die einmal mehr von ihr Besitz ergriffen hatte.
Morgan zog Kris zu sich heran, bis sie einander in die Augen blicken konnten. "Ich habe zu lange darauf gewartet," sagte Morgan leise, "Und egal was noch zwischen uns passieren wird, ich möchte, dass du die erste bist."
In Kris' Innerem explodierte ein heißer, schmerzender Ball und sie zog Morgan über sich und küsste sie mit all ihrer Liebe und Freude, von der ihr Herz dabei sang.
Sie liebte Morgan. Sie liebte sie zärtlich und leidenschaftlich und am Ende vereinigte sich ihr Fühlen, ihre innere Glut und das Pulsieren ihres Seins, als Ausdruck ihrer selbst. Gott, das war wundervoll!
Danach hielt sie Morgan in den Armen und strich ihr sanft übers Haar. Kris konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann sie sich je so mit sich im Reinen gefühlt hatte, so... ganz.
"Bist du OK?" wisperte sie ihrer stillen Freundin zu.
"Hmmm," klang die zufriedene Antwort von irgendwo zwischen ihren Brüsten. "Und du?" fragte Morgan mit plötzlich besorgter Stimme und hob den Kopf, um in Kris' blaue Augen zu sehen. Sie werden dunkler, wenn sie liebt, dachte Morgan. "Ich habe nicht... ich meine... du musst doch..."
"Nein. Nicht jetzt. Es geht mir gut. Ich musste dich lieben. Du hast meine volle Aufmerksamkeit verdient. Ich danke dir, Morgan, das war... das wundervollste Geschenk für mich," flüsterte Kris und küsste sanft Morgans Lippen.
Sehr viel später errichteten sie in stillem Einverständnis das Camp. Morgan bestand darauf, die Hängematte mit Kris zu teilen. Sie bereitete ein Essen aus Reis und geräuchertem Fleisch und Kris erschien mit ein paar Affenbrotfrüchten, die aus den Bäumen über ihnen gefallen waren. Die Frucht wurde so genannt, weil sie die Lieblingsspeise der Affenherden war. Sie hatte die Größe und die gelbe Farbe einer Pflaume und ihr Geschmack lag irgendwo zwischen dem einer Mohrrübe und einer Zitrone.
Kris erklärte, dass der Regenwald eine große Vielfalt von Nahrung hervorbrachte, aber das meiste davon zwischen den dichten Zweigen und Blattwerk hängen blieb und nicht so einfach zu erreichen war. Auch war es nicht ratsam, sich auf der Suche nach Essbarem zu weit vom eigentlichen Weg zu entfernen.
Nach Sonnenuntergang bliesen die Moskitos zum Angriff. Also suchten sie Zuflucht unter Kris' Moskitonetz, Kris lag auf dem Rücken und eine sehr zufriedene Morgan in ihrem Arm.
Der nächste Morgen war wolkig und in der Ferne grollte Donner. Kris erwachte mit einem Schmerz im Rücken und der wundervollen Wärme von Morgans Atem an ihrer Brust. Christus! Ich bin verliebt! Dachte sie und ein einfältiges Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. Sie strich zärtlich über Morgans Haar, erstaunt, dass dieses freundliche, zärtliche Wesen sie überhaupt lieben konnte. "Morgan, Liebling, es ist Zeit, aufzustehen," sagte sie sanft. Keine Antwort. Sie gab der Hängematte einen kleinen Schubs. "Süße, komm schon, es ist Morgen." Ein schläfriges Auge öffnete sich und sah Kris an.
"Morgen?" kam die grummelige Antwort von der noch immer bewegungslosen Gestalt.
"Genau," bestätigte Kris. Sie schob einen Arm um Morgans Schultern und den anderen unter ihre Beine, setzte sich auf und stellte ihre langen Beine auf den Boden, so dass die kleine Ärztin direkt in ihrem Schoß zu liegen kam. Arme schlangen sich zärtlich um Kris' Nacken und zogen sie in einen Kuss.
Kris schluckte den Knoten in ihrer Kehle hinunter und schaute über Morgans Kopf in die Dunkelheit des Waldes. "Du kennst mich noch nicht," quetschte sie schmerzlich hervor, ihr Körper versteifte sich aus Angst, Morgan zu verlieren.
"Doch, das tue ich. Ich habe mein ganzes Leben auf dich gewartet. Du kennst dich selber noch nicht, mein Jäger," argumentierte Morgan und zog die verunsicherte Kriegerin fester an sich. Kris hielt sie so fest, dass sie beinahe vor Schmerz aufschrie. Dann stand die ältere Frau auf, stellte Morgan vorsichtig auf den Boden, bückte sich nach ihrer Schiene und befestigte diese an ihrem Bein, während Morgan an Kris' Schultern Halt suchte. Es war komisch. Das hatte sie noch nie bei jemandem zugelassen. Sie wäre bei dem Gedanken, dass ihr jemand helfen würde, weil er glaubte, sie käme alleine nicht zurecht, ausgerastet. Sie ließ ja kaum jemanden wissen, dass sie überhaupt ein Problem hatte, wenn sie es vermeiden konnte. Doch als Kris sich ohne nachzudenken gebückt hatte, um ihr die Schiene anzulegen, war es keine Unverschämtheit. Es war wie bei einem Ehepaar, entspannt und angenehm in der Gegenwart der anderen.
Kris schaute auf und ihre Augen trafen sich. Für eine Minute fiel Morgan durchs Himmelblau, doch ihr Herz spürte die Hoffnung und den Schmerz, die darin schienen. Dann stand Kris auf und schaute sie errötend an. Sie zog von ihrem kleinen Finger einen Ring ab, nahm Morgans Hand und schob ihn über ihren Finger wie ein Hochzeitsgeschenk.
"Er gehörte meiner Mutter. Ich will, dass du ihn trägst. Gestern hast du mir ein wundervolles Geschenk gemacht und... und... ich möchte, dass du ihn dir ansiehst und weißt, dass dieser Augenblick immer etwas ganz besonderes in meinem Leben sein wird. Ich... ich... ich liebe dich, Morgan."
Morgan war viel zu gerührt um auch nur ein Wort herauszubringen. Sie schob sich zwischen die Arme ihrer Liebsten und drückte sie fest an sich. Nach einer langen Weile schob sie Kris sanft von sich. "Geh und mach dich fertig. Du baust das Camp ab. Ich werde mich ein wenig flussabwärts umsehen und schauen, wie dicht wir am Orinoko sind."
Morgan nickte noch immer sprachlos über Kris' plötzliche Geste von Liebe. Sie beobachtete, wie Kris in einen leichten Lauf verfiel und zwischen den Zweigen verschwand. Der Donner war näher gekommen und Wind war aufgekommen, der Wald war eine grüne Wand voller Bewegungen. Morgan lächelte. Das war also die Liebe. Wow! Dann seufzte sie und wandte sich der Aufgabe zu, die Zelte abzubrechen.
*********
Kris beobachtete aus der Dunkelheit des Waldes heraus, wie die drei Männer ein langes Kanu auf das Ufer des Orinoko herauf zogen. Sie hatte einen dicken Knoten in der Brust. Sie kannte dieses Kanu. Es war eines von Fernandos. Sie konnte nicht glauben, dass entweder Fernando oder Carlos sie verraten würden. Das bedeutete, sie waren tot oder schlimmeres. Zorn kroch in ihr hoch, den sie sorgfältig in ihrer Seele verschloss. Eine namenlose Wut, deren beängstigende Wucht zuzunehmen schien, je mehr sie an Stärke gewann. Sie hätte gerne mit ihnen verhandelt, aber sie wollte Morgan nicht so lange alleine lassen.
Wo war Rodreque? Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er zu stolz dazu war, jemand anderem den Triumph zu gönnen, die Kriegerin getötet zu haben. Nein, er hatte sie geschaffen und ihm gebührte als einzigem das Recht, sie zu zerstören. Das war sein Weg. Die dort waren nur seine Statisten.
Plötzlich fuhr ihr die Angst in die Glieder. Er würde wohl tun, was sie gerade tat, sich umsehen. Er würde inzwischen auch wissen, dass sie den Fluss verlassen hatten. Er hatte es sicher auf die eine oder andere Weise aus der Indianerfamilie herausgebracht.
Morgan!
Kris drehte sich um und verschwand lautlos zurück in den Wald und so bald sie sicher war, lief sie los.
Sie hörte zuerst Morgans Stimme, die voller Angst ihren Namen rief. Der Klang brannte sich in ihr Herz, als sie am Flussufer entlang durch den Wald stürmte und schließlich auf die Lichtung brach, auf der sie ihr Camp errichtet hatten.
Morgan lag auf dem Rücken und ein kräftiger Mann kniete über ihr, hielt ihre um sich schlagenden Arme fest und lachte ihr ins Gesicht. Blut tropfte an Morgans Mundwinkel herunter und der alptraumhafte Ausdruck in ihren Augen zeriss Kris beinahe. Mit einem animalischen Schrei schoss sie über die Lichtung und stürzte sich mit all ihrer Kraft auf Rodreque. Sie fielen übereinander her und trennten sich erst an der Uferlinie.
"Kristinia! Ich dachte, du wärest tot. Die Tochter des Untiers! Du hast mehr Leben, als eine Katze!" Er lächelte sie stolz an, doch sein Lächeln war kalt und berechnend.
Kris' Gesicht war weiß und vor Wut verzerrt.
"Kris?" Eine ängstliche Frage einer kleinen Stimme hinter dem roten Schleier, der ihren Blick trübte.
"Begrüße meinen Vater, Morgan. Sie nennen ihn das Untier, weil er und seine Gefolgsleute die Diener des Satans sind."
Der stattliche, kräftige Mann brach in gurgelndes Gelächter aus. "Sehr poetisch, mein Liebling. Darf ich dich daran erinnern, dass man dich jetzt die Kriegerin nennt, oder nicht? Diese armen, pathetischen Seelen, die bei dir Hilfe erflehen. Glaubst du wirklich, dass das all das Blut von deinen Händen waschen kann, Kristinia?" Er schüttelte ungläubig seinen Kopf.
"Nein, das glaube ich nicht," presste Kris zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
"Du hättest soviel Verstand haben und verschwinden sollen, mein Schätzchen. Schon als ich das erste mal von der Kriegerin gehört habe, wusste ich, dass du am Leben bist. Komm zurück zu mir, du liebst doch die Macht, das Blut. Ich kenne den Zorn, den du versuchst, zu kontrollieren," flüsterte er und tippte sich gegen die Brust. "Hier drin. Mir geht es doch genauso. Das hat Rodreque groß gemacht! Komm, meine Kristinia, stille deinen Hunger."
"Ich kann damit leben," grollte Kris und schüttelte sich, im Bemühen um Kontrolle. "Du willst mich nur benutzen und wenn ich dir nicht länger dienlich bin, dann wirst du mich töten, so, wie du Neil getötet hat."
Der große Mann lächelte böse, "Du hast Neil getötet, meine Schöne. Er hat dir vertraut, dass du dich um ihn kümmerst und du hast ihm genügend Dreck in die Adern gejagt, dass sein Herz davon explodiert ist."
Tränen liefen über Kris' Gesicht und sie schüttelte langsam den Kopf.
Plötzlich stand Morgan vor ihr. "Lass uns in Ruhe, du Bastard!" schrie sie und griff nach der Frau, die sie liebte. Kris' zitternde Hände fielen nach Unterstützung suchend auf Morgans Schultern. Dieselben blauen Augen ihrer Liebsten, die eben noch hart und kalt waren, weiteten sich vor Überraschung und glühten dann kurz von Innen heraus warm auf.
"Also Kristinia, ich sehe, dass du noch immer deinen perversen Spielchen nachhängst," er lachte leise. Seine Augen glitten über die Frau, die sie liebte, hinweg, aber ohne Leidenschaft und Wärme. "Ich werde mich an ihr ergötzen. Oft."
Morgan spürte die Kraft der Wut, die augenblicklich den Körper der Kriegerin durchfuhr. Sie strahlte von Kris bis in Morgans Rücken aus. "Fass sie an und ich werde dich vernichten," klang es mit rauer Stimme.
Die Augen des Untiers leuchteten auf, "Aber ich hatte doch schon so eine reizende, kleine Kostprobe, nicht wahr, Blondie? Ich wollte ihr gerade etwas Gehorsam beibringen, als du ankamst."
Durch die Luft fuhr ein gellender Schrei und Morgan wurde beiseite gestoßen, als Kris sich auf ihren Vater stürzte. Ein Messer erschien in Rodreques Hand, gerade als Kris bei ihm ankam und sie beide über die Steine rollten. Eine blutige Spur markierte ihren Weg, sie rollten über das Ufer, kamen wieder auf die Füße und stachen auf einander ein. Blut lief über Kris' Seite.
"Diesmal überlebst du nicht, mein Schatz," schnarrte Rodreque und schwang das Messer gegen Kris' Bauch. Kris sprang zurück. "Ich war so sicher, dass ich dich getötet hätte. Ich hätte wissen müssen, dass die Tochter des Biestes nicht von ein paar lächerlichen Kugeln getötet werden kann!" Er stach erneut nach ihr, dieses Mal hinterließ die Schneide eine Blutspur auf ihrem Unterarm. Kris verlagerte ihr Gewicht und trat den Drogendealer in den Unterleib. Er brüllte vor Wut und stürzte sich auf sie, beide fielen aufspritzend ins Wasser. Kris nutzte das tiefere Wasser zu ihrem Vorteil und tauchte unter Rodreque hindurch, bevor sie hinter ihm wieder an die Oberfläche kam.
Sie zog ihr Messer vom Gürtel...
Morgan beobachtete voller Panik, wie die beiden unter Wasser verschwanden. Dann schossen sie wieder hervor, der Ausdruck auf Kris Gesicht war derselbe, wie in der Nacht, als sie den Jaguar getötet hatte. "Nein! Kris, tu es nicht!" schrie Morgan voller Angst, als das Messer in Kris' Hand durch die Kehle des Mannes fuhr, der ihr Vater war.
Ein einziger, sauberer Schnitt. Blut spritzte über Kris Arm mit dem sie den zappelnden Mann unter Wasser festhielt. Schließlich ließ sie den leblosen Körper los. Er fiel zurück in den Fluss und glitt über die Steine, vorbei an Morgan und in das untere Becken.
Kris wusch sich rasch Rodreques Blut von den Armen und ihrem Messer und stürzte zu Morgan, die zusammengekauert am Ufer saß und weinte.
Gott! Lass ihr nichts geschehen sein, bitte! Betete sie und ihr Magen drehte sich vor Angst um. Sie ließ sich neben Morgan fallen. "Liebling? Bist du OK?" fragte sie besorgt und streckte eine Hand aus, um sie ihr auf die Schulter zu legen. Morgan zuckte zurück und schaute Kris an, als wäre sie ein rasendes Monster.
"Geh weg! Du hast ihn umgebracht wegen mir. Du hast ihn getötet! Mein Gott!" schluchzte Morgan. Kris startete einen erneuten Versuch, öffnete den Mund um zu erklären, aber Morgan schrie auf und rollte sich dann zu einem kleinen, schluchzenden Ball zusammen.
Der Schock fuhr durch Kris' Seele und legte sich mit festem Griff auf ihre Brust. Alle Festungen, die sie in ihrem Inneren aufgebaut hatte, stürzten zusammen. Sie schluckte. Dann schluckte sie noch einmal. Ihre Augen verwandelten sich in zwei kalte Steine und ihre Maske, die sie in ihrer Vergangenheit schon zu oft getragen hatte, erschien wieder und begrub alle Emotionen tief in ihrem Sein.
Sie stand schmerzerfüllt auf und ging zu ihren Taschen. Erschöpft von der Anstrengung und dem Blutverlust verdrängte sie den Schock und konzentrierte sich darauf, das Verbandszeug zu finden. Plötzlich schoben schmale, zitternde Hände die ihren beiseite und sie hielt still, um die Ärztin nach ihrem Wunden schauen zu lassen.
Keine von ihnen sprach.
Keine versuchte, Blickkontakt herzustellen. Kris starrte auf Morgans Mundwinkel, von dem eine dünne Blutspur zum Kinn lief. Sie konnte ihren Blick einfach nicht davon abwenden, obwohl ihr der Anblick tief in der Seele weh tat. Morgan schluchzte während ihrer Arbeit, ihre Hände zitterten und sie war verkrampft. Wieder war alptraumhafter Horror in ihr Leben eingebrochen.
Kris bewegte sich weder, noch gab sie einen Ton von sich. Ihr Körper war kalt und steif, wie ein Leichnam.
Als sie fertig war, erhob sich Morgan unsicher und hinkte zum Waldrand, wo sie ihre Sachen hatte liegen lassen. Dort brach sie zusammen und weinte sich die Seele aus dem Leib.
Eine Zeitlang lag Kris auf den Steinen in ihrem eigenen Blut und hörte Morgan schluchzen. Ihre Augen starrten blicklos in den grauen Himmel. Dann biss sie die Zähne zusammen und mit einem Schnauben zwang sie sich aufzustehen und ging zu Morgan hinüber.
Die Kriegerin griff Morgan beim Hemd, zog sie auf die Füße und schüttelte sie hart.
"Hör auf damit! Hör auf!" kommandierte sie und die verängstigte Ärztin atmete entsetzt ein und schluckte ihre Tränen hinunter. Sie schaute in die kältesten, mörderischsten Augen, die sie jemals gesehen hatte und ihr blieb das Herz stehen. Kris schüttelte sie noch einmal. "Halt den Mund! Das meine ich ernst! Jetzt geh und pack deine verdammten Klamotten zusammen, wir verschwinden von hier!"
Der Regen setzte kurz nach ihrem Aufbruch ein. Kurze harte Schauer lösten sich mit Augenblicken stickiger Hitze und Feuchtigkeit ab. Die Insekten umschwärmten sie und ihr Summen trieb Morgan beinahe ebenso in den Wahnsinn, wie ihre Stiche.
Jeder Moskito, den sie erschlug schien die anderen nur zu ermutigen, statt sie zu vertreiben. Und dann war da dieses Schweigen, wie eine riesige Leere zwischen ihnen. Kris ging auf dem unwegsamen Pfad voran und schien sich kaum darum zu kümmern, ob Morgan, emotional erschöpft wie sie war, kämpfen musste, um wenigstens in Sichtweite zu bleiben.
Sie erinnerte sich nicht einmal richtig an ihren Aufbruch. Erinnerte kaum, was geschehen war, nachdem dieser Mann aus dem Wald gekommen war. Alles vermischte sich irgendwie mit jener Nacht ihres Unfalles. Ricky wurde getötet, weil sie auf ihrem Spaziergang auf der Brücke im Schneetreiben bestanden hatte. Sie hatten beschlossen, die Brücke zu überqueren und über den Hügel in ein Café zu gehen... sie schossen auf ihn, wegen seiner Jacke, weil sie einfach gerade so vorbeigefahren waren... er starb in ihren Armen, während der Wagen über sie hinweg fuhr... Kris hatte ihren eigenen Vater umgebracht... noch ein Tod... wegen ihr.
Was war zwischen ihr und Kris geschehen? Was hatte sie gesagt? Kris hatte versucht, mit ihr zu reden. Versucht, ihr zu helfen. ‚Du gottverdammte Angeberin!' Nein, das war an ihrer ersten Brücke. Warum griff sie Kris immer an? Tränen liefen über ihr Gesicht und ihr Schluchzen schüttelte schmerzhaft ihre Brust. Oh, Gott! Was habe ich getan?
Sie errichteten das Camp im Dschungel. Für ein Feuer war alles viel zu nass. Getrennt aßen beide in ihren Hängematten unter ihren Netzen, weit entfernt voneinander und von den Insekten. Kauten auf dem getrockneten Affenfleisch herum. Morgan schluckte es herunter und legte sich dann schweigend nieder und starrte auf die andere Hängematte in einiger Entfernung. Von dort her kam kein Geräusch, keine Bewegung. Es wurde eine lange Nacht.
Als die Sonne endlich aufging, war Morgan erleichtert, dass sie sich aus der unbequemen Hängematte schälen konnte. Sie reinigte sich, so gut sie konnte und durchsuchte dann die Taschen nach etwas, woraus sie Frühstück bereiten konnte.
Ein Geräusch erweckte ihre Aufmerksamkeit und sie entdeckte aufschauend ein riesiges, ekelhaft anzusehendes Tier von der Größe eines Ponys das sich an der Hängematte zu schaffen machte, in der Kris noch immer zu schlafen schien. Morgan griff sich einen Stock vom Boden und stellte sich mit dem Rücken zur Hängematte vor das Monstrum von Tier, die Waffe erhoben. Die lange, graue Schnauze des Tieres schnupperte in die Luft und es hob einen Vorderhuf, um näher zu kommen. Morgan hob den Stock noch höher, bereit, die schlafende Frau zu verteidigen.
Plötzlich wurde ihr die Waffe aus den Händen gerissen und die große Führerin war an ihrer Seite. "Das ist ein Tapir, um Gottes Willen. Lass ihn in Ruhe," murmelte sie ärgerlich. "Er ist harmlos. Sie fressen Blätter," schnappte die erschöpfte Kriegerin und scheuchte die sanfte, graue Kreatur von ihrem Camp fort.
"Ich wollte dich nur beschützen!" schoss die überanstrengte Ärztin zurück.
Kris drehte sich ärgerlich herum und schlurfte auf Morgan zu, das Gesicht kalt und hart. "Ich brauche keinen Schutz. Ich brauche dich nicht. Ich brauche niemanden," schnaubte sie. "Mach dich fertig, noch einen halben Tagesmarsch und wir werden im Dorf ankommen. Dann kannst du nach deiner blöden, geheimnisvollen Pflanze suchen," spie Kris hervor und ging an Morgan vorbei, um ihre Hängematte zusammenzurollen. Morgan wandte sich schweigend um und packte ihre Tasche zusammen, ihr Herz war so schwer wie deren Gewicht.
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Die Yanamamo lebten in Palisadendörfern. Sie waren kleine Menschen und im Gegensatz zu der Indianerfamilie, die sie vorher getroffen hatten, trugen sie keine alte europäische Kleidung. Tatsächlich trugen sie eigentlich kaum etwas. Sie begrüßten Kris mit einer eigenartigen Mischung aus Aufregung und Furcht. Sie gesellte sich zu ihnen und unternahm nicht den geringsten Versuch, ihre üble Laune zu verbergen. Mit Morgan redete sie kaum, sie instruierte sie lediglich, wohin sie ihre Sachen bringen sollte und verschwand dann, um mit den Männern zu reden.
Im Inneren verliefen entlang der Palisade Plattformen, es schien, als würde jeweils einer Familie eine dieser Plattformen zugeordnet sein. Die Frauen und Kinder schienen sich nicht unter die erwachsenen Männer zu mischen, es sei denn, die Männer suchten sie auf. Morgan saß still inmitten der interessierten Kinder. Sie lächelte ihnen zu und spielte ein Seilspiel, um sie zu erheitern, während sie Kris beobachtete. Diese verhielt sich merkwürdig ruhelos.
Normalerweise war sie still, aufmerksam und kontrolliert. Heute war sie laut und aggressiv. Zur Essenszeit kam sie mit Speisen zu Morgan, nachdem sie mit den Männern gegessen hatte.
"Kris, was ist los?"
"Nichts."
Morgan aß schweigend und zwang sich die verkohlten Fleischstücke hinunter, die ihr Kris auf einem Bananenblatt gebracht hatte.
"Bitte sei vorsichtig. Ich glaube... irgend etwas stimmt hier nicht," sagte Morgan leise.
Kris schnaubte. "Oh ja, seit wann bist du denn so eine Expertin für die Kulturen des Amazonas? Hier ist alles in bester Ordnung. Wie gewöhnlich. Die Männer werden heute Abend ein wenig high und morgen werden sie ein Dorf etwas den Fluss hinunter überfallen. Nett, nicht wahr, Morgan, ich werde noch mehr Menschen töten können," grinste sie und schaute düster auf Morgan herunter, die an einer Ecke der Plattform stand.
Morgan leckte sich über die Lippen, "Kris, tu das nicht," bat sie, stieg hinauf und kam heran, um den Arm der größeren Frau zu berühren. "Um Gottes Willen, Kris."
Kris schüttelte sie unwillig ab. "Ich tue, was zur Hölle ich tun will. In der Tat, ich glaube, ich werde ihre Einladung zum Rauchen heute Abend annehmen." Konstatierte die Kriegerin und schaute hinüber zu den Männern, die dabei waren, eine getrocknete Pflanze zu Pulver zu zerreiben und kleine Pfeifen hervor zu suchen. "Ich werde die ganze Realität zur Hölle qualmen," schloss sie und wandte sich der Fläche zu, auf der die Männer saßen.
Plötzlich stand die kleine Ärztin direkt vor ihr, "Zur Hölle wirst du das. Hör auf, dir selber leid zu tun, verdammt!" schrie Morgan und schlug auf Kris ein. Die Kriegerin griff nach den Fäusten und eine Sekunde glaubte Morgan, ihr letztes Stündlein habe geschlagen. Zorn wallte von Kris auf wie eine Strahlung, dann wurde ihr Gesicht weich und sie zog die schmale Frau an sich, beugte sich herab und küsste sie mit vorsichtiger, hungriger Zärtlichkeit. Sie wich zurück und schaute zu den Männern. "Bleib bei den Frauen. Dann bist du sicher."
"Kris, bitte," bettelte die jüngere Frau und hielt die Kriegerin am Arm fest.
Kris' Gesicht war ausdruckslos. "Tu, was ich dir sage," grollte sie leise und zog sich dahin zurück, wo die Männer saßen.
Die Holzpfeife wurde an Kris weiter gereicht. Sie hielt ein Ende an ihre Nase und der Mann blies kurz in das andere Ende der Pfeife. Kris verzog das Gesicht, als die pulverisierte Droge auf ihre Schleimhäute traf und ein plötzlicher Schmerz durch ihren Kopf schoss.
Sie wartete und schon bald verschwamm die Umgebung leicht und Farben flossen durch ihren Blick. Sie glitt in eine andere Welt hinüber. In die Welt ihres Bruders, die Welt, die sie niemals hatte besuchen wollen, das hatte sie sich geschworen. Sie mochte das Gefühl nicht, das es bei ihr verursachte.
Warum war sie hier? Oh, ja, wegen Morgan, die gesagt hatte, sie liebe sie und die dann entdeckt hat, wer du wirklich bist. Beschleunigter Herzschlag, vielleicht wird es mich umbringen. Warum hat sie versucht, mich aufzuhalten?... Warum hat sie sich von mir küssen lassen?... Ich wollte es verletzend, hart. Statt dessen habe ich sie geküsst, wie eine Geliebte.... Läuft meine Nase?.... Sie hat sich küssen lassen, wie von einer Geliebten? Dumm, ich kann nicht so gut aufstehen. Ich will sie fragen, warum.
"Morrrrr........?"
Morgan beobachtete voller Angst und nervösem Widerwillen, wie Kris dem Indianer erlaubte, ihr die Droge in die Nase zu blasen. Kris, Scheiße, mach das nicht! Ich wollte dir nicht weh tun. Du bist kein Monster, aber ich schaffe es, dass du dich wie eines fühlst, nicht wahr?! Ich habe dir nie eine Chance gegeben, oder?
Sie sah, wie Kris unsicher versuchte, auf die Füße zu kommen, ihre benebelten Blicke suchten die ihren.
"Morrrrr........?"
"Ich bin hier. Komm, lehn dich an mich. Hier herüber, nein, diesen Weg. OK. Leg dich einfach auf diese Plattform. Lass mich deinen Blutdruck messen. Verdammt, Kris, was hast du da genommen?! Lass mich dich abhören!" Warme Finger schlüpften unter ihr Shirt.
"Ich liebe dich, weißt du," murmelte die völlig weggetretene Kriegerin und verlor hin und wieder das Bewusstsein.
"Ich liebe dich auch, Kris. Sehr sogar," flüsterte die Ärztin und wünschte, sie hätte etwas, was sie der geliebten Frau geben könnte, und das half, den Stoff schneller aus ihrem System zu ziehen. Sie nahm ein Taschentuch und wischte den Staub aus Kris' Gesicht. Dann nahm sie eine erneute Messung vor.
"Nun, wenn das nicht Kris Rodreque ist, platt auf dem Rücken und so verletzbar! Hätte nie gedacht, dass irgend jemand das noch erleben würde!" lachte ein rauer, dreckiger Mann, der auf die Plattform trat, um auf Kris herunter zu sehen. Er lachte noch mehr und winkte seinen beiden Kumpanen, einem der Dorfbewohner einen Sack zu übergeben. Der Indianer lächelte und trollte sich davon.
"Es ist eine Falle," wisperte Morgan leise, als ihr die Entdeckung klar wurde. "Kris, es ist eine Falle!!" schrie sie und schüttelte die selbstvergessene Frau an den Schultern. Der Mann stieß ein hartes Lachen aus, das sich immer mehr zu einem Grölen verzerrte, trat vorwärts und fing an, mit unbarmherziger Kraft auf Kris' Körper einzuschlagen. Sie rollte wie ein Ball und jaulte vor Schmerzen auf. "Dein Vater dachte, er hätte dich erledigt, aber statt dessen hast du ihn umgebracht, nicht wahr? Du Schlampe!"
Morgan sprang auf und schlug auf den Mann ein. "Lass sie in Ruhe, du Bastard!" schrie sie.
Der Mann griff nach ihr und warf sie zur Seite. Mit einem Knacken schlug ihr Kopf gegen einen Stein, ein kurzes, feuriges Aufleuchten vor Schmerz und dann Dunkelheit vor ihrem Blick. "Kris!" schrie sie, so laut sie konnte, bevor sie endgültig in die kalte Asche stürzte. Durch ihren halb bewusstlosen Zustand hörte sie einen Wutschrei. Schnapp sie dir, Kris, dachte sie und dann war alles still und dunkel...
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Grobe, unkoordinierte Hände hielten sie und wischten mit einem feuchten Lappen über ihr Gesicht. Sie öffnete die Augen und schaute in verwirrte Bläue, die vor Tränen überlief. "Nicht sterben, Morgan," schluchzte eine Stimme lallend.
Morgan schloss ihre Augen gegen den Schmerz, der ihr durch den Kopf schoss, als sie unweigerlich kichern musste. Schöne Heldin, das. High bis zum Stehkragen und kaum in der Lage, ihren Verstand beieinander zu halten. Sie stöhnte, setzte sich auf und lehnte sich gegen ihre halluzinierende Freundin.
"Ich bin OK, Kris," beruhigte sie ihre Liebste, die ihren schmerzenden Kopf mit beiden Händen festhielt. "Hey, nicht so fest!" kicherte sie sanft und wich ein wenig zurück, um das Lächeln auf Kris' Gesicht zu sehen. "Hast du sie in den Hintern getreten, meine Kriegerin?" fragte sie und schaute nach, ob Kris verletzt war.
"Yup," murmelte Kris und sah herunter, ihr Körper verkrampfte sich plötzlich.
Morgan kämpfte ihre augenblickliche Reaktion nieder. "Gut," sagte sie statt dessen mit soviel Zufriedenheit, wie sie fertig bringen konnte. Kris schaute verwirrt und desorientiert in ihr Gesicht.
"Du bist nicht böse?" fragte sie.
Morgan betrachtete sehr angelegentlich etwas auf Kris' Schulter. "Ich schätze Gewalt nicht, Kris. Das macht mir Angst." Sagte sie und schaute der Freundin in die Augen. "Und ich glaube, du auch nicht, sonst hättest du dein früheres Leben nicht aufgegeben. Also denke ich, wenn du hier Gewalt für notwendig erachtet hast, dann wirst du einen bestimmten Grund dafür gehabt haben," stellte Morgan fest und umfing Kris' Wangen mit ihren Händen. "Wenn du dich besser fühlst, dann reden wir darüber."
Kris lächelte und lehnte sich benommen an die Palisadenwand und Morgan kuschelte sich an sie, ihren Kopf an Kris' Schulter und ihren Arm fest um ihre Mitte geschlungen. Kris lächelte und ließ die Farben vor ihren Augen tanzen und ihr Körper entspannte sich an der Seite ihrer Liebsten.
Die Sonne strahlte in Kris' geöffnete Augen. Sie war schon seit ein paar Stunden wach und hatte nur dagelegen, zufrieden, die schlafende Ärztin in den Armen zu halten. Sie hatte sich wie eine Närrin aufgeführt, gestern, und hatte ihres und Morgans Leben dadurch in Gefahr gebracht.
Komisch, noch vor einem Monat wäre ihr dies völlig egal gewesen. Sie war des Lebens auf der Flucht überdrüssig. Aber nun, nun gab es da Morgan und alles hatte sich verändert.
Sie seufzte und schaute nach unten und entdeckte, dass grüne Augen zu ihr aufsahen. "Bist du OK, Liebes?" fragte ihre Liebste.
Kris nickte und lächelte unsicher, "Ja, dank dir. Ich habe mich gestern ziemlich blöd benommen, Morgan. Es tut mir leid."
"Ich habe auch ziemlich blöd reagiert. Mir tut es auch leid," echote die kleinere Frau. "Können wir reden?"
Kris nickte, doch für einen langen Moment sprach keine von beiden. Dann begann Kris leise, "Mein Bruder hatte einen Deal vereinbart, bei dem mein Vater an die Behörden ausgeliefert werden sollte. Ich weiß nicht wie, aber Dad fand es heraus. Neil ging es wirklich schlecht und ich versorgte ihn mit Stoff, so dass er wenigstens nicht an schlechtes Zeug oder eine Überdosis rangekommen ist. Ich dachte, ich könnte ihn überzeugen, in eine Klinik zur Behandlung zu gehen. Egal, mein Vater ersetzte ohne mein Wissen seinen Stoff mit einer tödlichen Mischung und dann hat er mich meinen eigenen Bruder mit dieser mörderischen Injektion umbringen lassen.
"Kris, dass ist furchtbar! Das ist unmenschlich!" flüsterte Morgan schockiert und hielt ihre Jägerin fest.
Kris lachte schrecklich, "Er war ein Drogenboss. Seine Freundlichkeit ging unter die Haut und die Bedingung für seine Liebe war absolute, blinde Loyalität. Er hat Neil nie geliebt und er konnte sehen, dass ich mich veränderte. Er musste seinen Zugriff auf mich sichern, also hat er Neil beseitigt und mich dafür benutzt. Und ich habe es getan, der Mann war wirklich klug."
"Was hast du getan, Kris?" fragte Morgan, ihr Kopf lag im Schoß ihrer Seelengefährtin, die abwesend mit ihren Haaren spielte.
Die Hand stoppte. "Nach der Beerdigung habe ich ihn in die Berge gefahren und ihm gesagt, dass ich den Rest meines Lebens damit verbringen werde, ihn hinter Gitter zu bringen, wegen Neils Tod."
Morgan schaute auf. "Das war sehr mutig."
"Nein, es war dumm. Er zog eine Pistole und schoss zweimal auf mich und ließ mich auf den Tod verwundet in einer Schlucht liegen."
"Oh, Gott, Kris! Wie schrecklich!" stöhnte Morgan und hielt ihre Partnerin fest an sich gedrückt. Die Hand begann wieder, ihr übers Haar zu streichen.
"Auch nicht schlimmer als das, was du durchgemacht hast. Jedenfalls, ein Hirte hat mich gefunden und mich in die Missionsklinik gebracht. Es hat lange gedauert, bis ich wieder gesund wurde. Ich habe meinen Namen geändert und verschwand. Meistens habe ich als Führerin gearbeitet, während ich Beweise dafür suchte, dass mein Vater Neil umgebracht hat... Morgan!"
"Hmmm," kam die leise Erwiderung.
"Wegen neulich..."
"Ich weiß schon, es spielt keine Rolle, dass Rodreque dein Vater war. Du musstest ihn töten, denn sonst hätte er erst dich und dann mich umgebracht." Morgan schaute in schmerzerfüllte Augen und lächelte sanft. "Du hast die Chance für dein eigenes Leben ergriffen, aber du bist nicht verantwortlich für meines. Es tut mir leid, dass du es tun musstest, Kris, aber ich verstehe es. Neulich... irgendwie hatte sich alles mit meinen eigenen Alpträumen verbunden und ich wusste nicht, wie ich da durchkommen sollte. Bitte, verzeih mir Kris. Bitte," flüsterte Morgan ernst.
Kris beugte sich über sie und hauchte einen Kuss auf Morgans Stirn. "Nur, wenn du auch mir vergibst, dass ich mich benommen habe wie eine Idiotin," seufzte Kris leise.
Morgan drehte ihren Kopf und fing Kris' Lippen ein. "Ich liebe dich."
Kris lächelte die Frau an, die ihren Schoß als Kissen benutzte. "Ich liebe dich auch."
Einen langen Augenblick saßen sie beieinander und schauten zu, wie das Dorf langsam zum Leben erwachte. Die Yanamamo hielten sich wohlweislich fern von der Kriegerin, deren Wut sie gestern erlebt hatten und fürchteten, dass sie an ihnen Rache dafür nehmen würde, dass sie sie an Rodreques Männer verraten hatten.
"Was ist eigentlich aus den drei Typen geworden?" fragte Morgan und schaute Kris an.
"Ich habe ihnen die Waffen abgenommen und sie laufen lassen. Ich habe seit zwei Jahren unter Todesurteil gestanden und ich hoffe, dass es nun vorbei ist und ich mit meinem Leben wieder beginnen kann." Kris zog Morgan fester an sich. "Ich kann mich darauf aber nicht verlassen, Morgan. Dieser Typ, der dich geschlagen hat, sein Name ist Bogara, Juan Bogara. Er war wirklich loyal meinem Vater gegenüber... ich weiß es nicht," sie verstummte, schluckte hart und zog Morgan noch fester in ihre Arme. "Wenn er dich ernsthaft verletzt hätte... ich weiß nicht, wie ich damit umgegangen wäre. Morgan, ich kann nicht... ich liebe... ich will nicht, dass du..."
Morgan strich Kris sanft mit ihren Fingern über die Lippen. "Kris, wenn mein Leben in Gefahr wäre, wo würdest du dann sein wollen?" fragte sie und forschte in den schmerzerfüllten blauen Augen nach der Antwort, die sie bereits kannte.
"Das ist etwas anderes," protestierte Kris ernst.
"Warum?" fragte Morgan überrascht, setzte sich auf und schaute Kris an.
"Weil du eine Ärztin bist und weil deine Forschungen den Menschen helfen werden und weil du einfach ein guter Mensch bist. Du verdienst das Beste in deinem Leben, Glück, Sicherheit. Ich dagegen, ich habe schlimme Dinge getan und ich verdiene, was ich bekomme, mehr als das. Ich will nicht, dass du für meine Verbrechen büßen musst." Erklärte die dunkelhaarige Frau und starrte auf einen Grashalm, den sie zwischen ihren Fingern drehte.
Zu ihrer Überraschung spürte sie, wie sie von der kleineren Frau am Hemd gefasst wurde die voller Wut daran zerrte. "Pass mal auf, Thanasis. Du ziehst hier über die Frau her, die ich liebe! Und ich werde dich damit nicht davon kommen lassen. Kris ist zärtlich, intelligent und verantwortungsvoll. Und alles, was sie früher getan hat, ist dem schlechten Einfluss ihres Vaters anzulasten und hat sich gegen ihre freundliche Seele gewendet. Ich glaube an diese Kris. Das meine ich wirklich! Erzähl mir also nie wieder so einen Mist! Verstanden?!"
Kris schaute voller Überraschung und Verwunderung in Morgans walddunkle Augen. "Morgan, ich weiß nicht, ob ich diese Person kenne, die du liebst." Protestierte sie.
Morgan schlang ihre Arme um ihre verunsicherte Liebste. "Ich bin willens, die Chance zu ergreifen. Ich glaube an dich, Kris. Wenn du mir ehrlich sagen kannst, dass du mich nicht mehr liebst, dann werde ich meiner Wege gehen. Anderenfalls jedoch, werde ich an dir kleben wie Pech!"
Kris schlang ihre langen Arme um Morgan und barg ihren Kopf im weichen Haar der Freundin. "Ich werde niemals aufhören, dich zu lieben, mein Herz. Du bist mir mehr als nur Geliebte und Freundin. Ich fühle mich... an dich gebunden," sie wich zurück um zu sehen, wie Morgan dieses Geständnis aufnehmen würde.
Diese lächelte und nickte. "Meine Seelenverwandte."
Und Kris lächelte auch.
Morgan schlüpfte an Kris' Seite unter ihre starken, schützenden Arme. Die Minuten vergingen und sie saßen in angenehmem Schweigen nebeneinander. "Kris, du wirst nicht wieder Drogen nehmen, oder?"
Kris wurde steif. Nun, ich glaube, das musste kommen. "Ich habe noch nie welche genommen und Gott weiß, dass ich alle Möglichkeiten dazu gehabt hätte. Gestern dachte ich, ich hätte deine Liebe verloren," erklärte Kris und kämpfte mit ihrer Verlegenheit. "Ich wurde einfach nicht damit fertig, dass der Mensch, den ich liebe, mich nicht lieben kann, weil ich... ich dachte, wenn du den teuflischen Teil meiner Seele kennen gelernt hast, dass... ich wollte sterben."
"Oh Kris! Es tut mir leid, dass ich dich so verletzt habe. Ich weiß, was du getan hast... ich finde es nicht gut. Aber das war in deiner Vergangenheit und ich will so gern Teil deiner Zukunft sein, wenn du mich lässt."
Kris schaute auf Morgan, ihre eisblauen Augen erfüllt von Schmerz und Sorge. "Alles, was ich dir anbieten kann, Morgan, ist ein Tag nach dem anderen. Meine Taten, was ich war... ich werde mich dem früher oder später stellen müssen. Ich kann dir nichts Dauerhaftes versprechen." Kris spürte, wie der kleine Körper neben ihr zitterte.
Morgan schluckte und zwinkerte die Tränen zurück. "OK. Das ist nicht das, was ich will, aber wenn es das ist, was du anbieten kannst, dann werde ich es fürs erste annehmen müssen."
Sie setzte sich mit einem tiefen Atemzug auf und sah sich um. "Müssen wir hier bleiben, Kris? Nach gestern... ich wäre lieber irgendwo anders."
Kris betrachtete ihre angeschlagene Liebste und ihr Herz zog sich vor Sorge zusammen. Wahrscheinlich ist es besser so... sei ehrlich zu ihr. Oder? "Sicher können wir weiterziehen, ich kenne einen Ort. Erzählst du mir jetzt was über deine geheimnisvolle Pflanze?"
Morgan drehte sich um und schaute Kris überrascht an. "Kris, es tut mir so leid! Ich habe ganz vergessen, dass ich es dir noch nicht erzählt habe! Aber nach allem, was passiert ist..." sie griff in ihren Rucksack und zog ein zusammengefaltetes Stück Papier hervor. "Dies habe ich in einem alten Journal eines Mannes namens Ellburn gefunden," erklärte Morgan und gab es der Jägerin.
Kris faltete ein viktorianisches Aquarell einer Pflanze auseinander. Sie war nur durch das Datum identifiziert, an dem sie gefunden worden war und durch den Längen- und Breitengrad des Fundortes, die recht dicht an diesem Gebiet lagen, in dem sie sich im Moment befanden. Sie studierte die Pflanze genauer. "Das ist Katzenpfote," sagte sie schließlich und gab Morgan die Zeichnung zurück.
"Du kennst diese Pflanze?!" rief Morgan aus.
"Ja, sie wächst hier überall, warum?" fragte Kris desinteressiert.
"Sie hilft wahrscheinlich bei der Heilung von Krebs." Erklärte Morgan.
Kris schaute auf, um zu sehen, ob ihre Freundin das ernst gemeint hatte. Dieser Blick, der auf ihr ruhte, war durchdringend und besorgt.
"Wirklich?"
"Letztes Jahr wurde eine Gruppe Indianer in Nord-West-Peru von einem medizinischen Forschungsteam untersucht und beobachtet. Man war überrascht, dass es im Stamm offensichtlich keine Anzeichen für irgendwelche Krebserkrankungen zu geben schien. Der Schamane sagte, dass es daran liege, dass sie eine ähnliche Pflanze wie diese als Nahrungsmittelzusatz verwenden würden. Aber bevor die Forschungen vollständig beendet werden konnten, setzte eine Holzfirma das Gebiet zur Rodung in Brand, auf dem die Pflanze wuchs. Diese Spezies," sagte Morgan und tippte auf das Blatt Papier, "sieht ihr sehr ähnlich. Wir wollen sie untersuchen."
Kris seufzte und schaute in die Ferne. Heute schien der Tag der Enttäuschungen für Morgan zu sein. "Schau dir diese Leute an, Morgan. Sie verbringen ihr Leben in einer Umgebung, die kaum das Nötigste dafür hergibt und die ausgesprochen unfreundlich ist. Sie leben einfach nicht lange genug, um an Krebs zu sterben. Sie ernähren sich von gesunden, aber einfachen Nahrungsmitteln und ihre Welt ist nicht so verschmutzt wie unsere. Ich bin mir nicht sicher, ob das Team in Peru wirklich etwas Außergewöhnliches entdeckt hat." Sie schaute auf und sah, wie Morgan mit gesenktem Kopf an den Ecken des Blattes zupfte. "Aber man kann nie wissen, denke ich. Ich habe nie gehört, dass die Indianer diese Pflanze für irgend etwas Besonderes benutzen."
Kris erhob sich und schüttelte ihre steifen Füße. "Komm und lass uns etwas essen und dann sehen, ob wir ein Kanu von diesen Leuten bekommen können. Ich glaube, das sind sie mir schuldig." Lächelte Kris mit hochgezogener Augenbraue und versuchte unwirsch auszusehen.
Morgan schüttelte ihren Kopf und stand mit einem Lächeln auf. "Das ist mein Jäger. Geh, und tritt jemandem in den Hintern, während ich mit den Frauen um etwas zu essen verhandele."
Kris verschwand glücklich und eine Sekunde lang, folgte ihr Morgans Blick aus traurigen Augen. Sie wusste, dass sie Kris liebte, aber die Gewalt war ein Teil ihres Lebens, ein Teil von ihr... und das war wirklich schwierig für sie.
Eine Stunde später paddelten sie über die Wasser des Orinoko.
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Nach einer Zeit schweigenden Flussabwärtspaddelns gab Morgan ihrem natürlichen Instinkt nach und erfüllte die Stille mit munterem Geplauder. "Und was hast du nun für einen Platz für uns im Auge, für das Forschungscamp?"
"Wie wäre es mit einer Bambuslodge mit richtigen Campingbetten und einer heißen Dusche?" schlug Kris vor.
Morgan schnaubte. "Treib' keine Scherze mit diesem Mädchen hier, Kris! Ich habe gelernt, mich schon glücklich zu schätzen, wenn nichts Lebendiges aus dem Baum fällt, unter dem ich schlafe! Und die schlichte Freude daran, wenn ich nichts ekliges in meinen Schuhen finde? Das versüßt mir doch glatt den Tag!"
Kris' Kichern tröpfelte aus dem Heck des Kanus. "Entdecke ich da etwa einen Hauch von Sarkasmus, oh meine Geliebte? Nein. Das war ernst gemeint. Wir fahren ein Stück zurück. Er lebt nur wenige Tage im Kanu von hier entfernt. Ich glaube, von dort aus haben wir einen kürzeren Weg in das Gebiet mit den Katzenpfotenpflanzen. Was denkst du?"
Einen Augenblick herrschte Stille. Dann eine kleine, verzagte Stimme, "Du gehst zurück?"
Kris grinste. Die Frau war eifersüchtig! Wow! Sie liebte sie wirklich!
"Nur Freundschaft, Morgan. Nichts anderes. Als ich ihn kennen lernte, war er noch Priester."
"Und dann hat er dich getroffen, richtig?" fragte Morgan wissend.
"Nah. Er hat sich nur entschieden, sich von alledem zurückzuziehen. Weißt du, wie der Heilige Franziskus."
"Er lebt mit Tieren zusammen?"
"Nein, die Tiere leben eher mit ihm," erwiderte die dunkelhaarige Frau glücklich.
"Großartig," murmelte die kleine Blonde, "Ich wusste doch, dass die Sache einen Haken hat."

weiter zu Teil 4