FANWORK > Fanfiction > Anne Azel - Turkish Encounter Teil 2

Disclaimer: Die Charaktere von Xena und Gabrielle sind Eigentum von Universal und Renaissance Pictures. Es ist keine Copyrightverletzung beabsichtigt.
Dank: Mein Dank geht an all jene, die mir Feedback zu Amazon Encounter geschickt haben. Eure netten Worte waren wirklich förderlich. Da die Geschichten mit einander verknüpft sind, ist es am besten, wenn sie in der Reihenfolge gelesen werden, in der sie online gestellt werden.
Warnung: Diese Geschichte gehört zu "Alternative Fiction". Bitte lest sie nicht, wenn ihr minderjährig seid oder es an eurem Ende der Welt illegal sein sollte.
Notiz: Die Orte und Geschichten in der Story sind real. Sie sind Bestandteile meiner eigenen Feldforschungen in der Türkei.

Anmerkung von jany_: Da dieser Encounter als Grundlage zum Verständnis der folgenden Encounter dient, habe ich mir erlaubt ihn hier zu posten, obwohl ich Finonomene nicht erreicht habe. Die Übersetzung ist Eigentum von Finonomene und wird wieder offline genommen, falls sie ein Problem damit haben sollte, dass ihre Übersetzung hier gepostet wurde.

Turkish Encounter

By
Anne Azel

a_azel@hotmail.com

Übersetzung von finonomene@planet-interkom.de

Teil 2
Teefo tauchte kurz nach Jamies Frühstückstablett auf. "Die Kriegerin wünscht, heute zur Tour entlang der Küste nach Antalya aufzubrechen." Informierte er sie.
"Ist meine Tochter dort?" Fragte Jamie fest.
Teefo sah überrascht aus. "Dort weilt Miss Chrissy derzeit. General Dedemans Haus ist in der Nähe von Antalya und dorthin beabsichtigt sie mit Ihnen zu fahren. Das ist alles, was ich weiß." Sagte Teefo offen.
Jamie nickte. "Wie lange wird es bis dorthin dauern?"
"Zwei oder drei Tage denke ich." Erwiderte Teefo. "Die Kriegerin ist bemüht, Ihnen ein paar der historischen Stätten der Türkei zu zeigen."
Jamie biss vor lauter Frustration die Zähne zusammen und zwang sich zu einem Lächeln. "Dann werde ich wohl besser packen." Sagte sie und Teefo verschwand.
Eine steife und förmliche Gunnul erwartete sie neben Teefo am Wagen, als Jamie das Hotel verließ. "Guten Morgen, Jamie." Grüßte sie und wartete geduldig, dass Teefo der Amerikanerin half, das Gepäck im Wagen zu verstauen, bevor sie sich in den Fahrersitz gleiten ließ.
"Guten Morgen, Gunnul." Erwiderte Jamie genauso förmlich und nachdem Gunnul mit Teefo noch ein paar Worte gewechselt hatte, fuhren sie los. Sie wandten sich nach Südwesten und folgten der europäischen Seite der Türkei. Trockene Berge, übersäht mit kleinen Orten und schmalen Feldern zogen an ihnen vorbei.
Jamie war überrascht von den vielen Baustellen, doch als sie ihre Beobachtung Gunnul mitteilte, lachte diese nur. Es war das erste Mal an diesem Morgen, dass sie Zeichen von Entspannung zeigte. "Wir haben keinen Bauboom in der Türkei. Es gibt zwei Aspekte bei dieser ungewöhnlichen Art, zu bauen. Unser Prophet, Mohammed, hat es verboten, sich etwas zu borgen oder zu verleihen. Als gute Moslems dürfen wir daher keine Hypotheken aufnehmen. Aber nicht alle können in diesen modernen Zeiten genügend Geld sparen, um sich ein Haus zu kaufen. Also zahlen die Leute in Baufonds ein. Die Baufirmen nutzen den Fond um Apartments zu bauen. Immer wenn eine Etage fertig ist, dann ziehen die Leute ein, die das Apartment vollständig bezahlt haben. Dann wird das nächste Geschoss gebaut. Menschen, die ein eigenes Haus bauen wollen, fangen ganz klein an und ergänzen es entsprechend ihrer Vermögenslage. Es ist üblich, für die verheirateten Kinder ein zweites Geschoss auf das Elternhaus zu setzen. Die Familie ist wichtig für uns Türken. Aber es gibt natürlich noch einen anderen Faktor. Man bezahlt weniger Steuern, wenn das Haus nicht fertig ist, also belassen die meisten Leute einen Teil des Hauses als Baustelle, um Geld zu sparen. Wir Türken sind sehr praktische Leute!"
"Ist das Haus in dem du und Chrissy leben auch unvollendet?" fragte Jamie und beobachtete die gutaussehende Frau beim Fahren.
Da war ein Moment des Zögerns. "Ich bin sehr wohlhabend und besitze mehrere Häuser. Sie sind alle fertig gebaut."
"Wie verdienst du deinen Lebensunterhalt, Gunnul?" fragte Jamie, um zu sehen, wie die Frau reagieren würde.
"Meine Geschäftsinteressen sind sehr vielfältig. Aber das Fundament des Reichtums meiner Familie liegt in der Produktion von Opium." antwortete Gunnul ehrlich.
Jamie fiel der Unterkiefer herunter und bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, sprudelte sie hervor: "Du verkauftst tatsächlich illegale Drogen! Moe hat davon gesprochen, aber ich konnte nicht glauben, dass überhaupt jemand ein Drogenboss sein könnte und..."
Der Wagen holperte über ein Schlagloch und kam kreischend zum Stehen. "Drogenboss!" schnappte Gunnul, weiß vor Wut. "Wie kannst du es wagen, mich so zu nennen!? Ich bin nicht irgendeine Urwaldkriminelle!"
Jamie spürte, wie ihr Temperament mit ihr durchging. "Also, mach mir doch nichts vor! Moe hat mir erzählt, wie du ihn an Drogen herangebracht hast und wie du ihm sein Erbe gestohlen hast. Und du kannst es nennen, wie du willst, aber Drogen für den Verkauf zu produzieren, macht dich zu einem widerlichen Drogenboss, der sich am Leiden anderer bereichert!" Für eine minutenlange Ewigkeit herrschte Stille, während die beiden Frauen einander in die Augen starrten. Dann sprang Gunnul aus dem Wagen und blieb sichtlich aufgebracht am Straßenrand stehen.
Jamie wartete, nicht sicher, was sie tun sollte. Im Nachhinein erkannte sie, dass sie möglicherweise gerade ihr Todesurteil unterschrieben hatte und ihre Wut schlug ziemlich schnell in Angst um.
Nach ein paar Minuten stieg Gunnul wieder in den Wagen ein. Sie griff nach dem Lenkrad und starrte geradeaus. "Ich möchte dir eine Frage stellen. Bitte sei ehrlich zu mir, weil ich großen Wert auf deine Antwort lege. Hast du jemals als Prostituierte gearbeitet?"
"Was?!" bellte Jamie. "Pass auf, ich verstehe es ja, wenn wir die Dinge auf Grund unserer Kulturen ziemlich unterschiedlich sehen, aber ich habe niemals Geld für Sex genommen. Noch habe ich mich in irgendwelchen Betten herumgetrieben. Ich habe in einem Rehabilitationszentrum als Drogenberaterin gearbeitet. Dort habe ich deinen Bruder kennen gelernt. Er war als Freiwilliger gekommen, weil ihn angeblich die Geschichten über unsere Erfolge so beeindruckt hatten.
Gunnuls Kiefer verspannten sich. "Mein Bruder hat mir erzählt, dass er absichtlich einen Erben mit einer Prostituierten gezeugt hat, um Schande über unsere Familie zu bringen." Erklärte die Kriegerin.
"Wenn du meine Tochter misshandelt hast oder ihr eingeredet hast, sie sei nichts wert, dann bringe ich dich um!" schnaubte Jamie und konnte sich kaum zügeln, nach der kalten, schweigenden Person neben sich zu schlagen.
Eine Hand schoss so schnell hoch, dass Jamie noch nicht einmal die Finger sah, bis sie sich mit eiserner Kraft um ihre Kehle schlossen und sie vor ein ausdruckloses Gesicht zerrten. "Wage es ja nicht... mir zu drohen!" zischte die dunkelhaarige Frau und Jamies Herz schlug vor Angst in ihrer Brust, als sie die bedrohliche Kraft spürte, die die Türkin auszustrahlen schien. Gunnul kämpfte um Kontrolle und ließ Jamie schließlich wieder los. Ihre Hände krampften sich erneut um das Lenkrad. "Chrissys Hintergrund hat für mich nie eine Rolle gespielt. Und es wird keine Rolle spielen, was sie für Probleme haben mag... ich liebe sie." Bekannte sie schließlich verlegen.
Jamie streckte eine Hand aus und berührte Gunnuls Arm. "Es tut mir leid. Ich wusste es. Ich habe nur reagiert. Ich liebe sie auch, verstehst du." Schluchzte Jamie und kämpfte mit ihren Tränen. Gunnul nickte und lenkte den Wagen wieder auf die Straße zurück.
Nach ein paar Minuten sagte Gunnul: "Ich bin kein Drogenboss. Die Türkei ist der größte Opiumproduzent für den Pharmahandel und meine Farmen stellen den größten Teil des Exportes her. Ich verkaufe keine illegalen Drogen. Auch habe ich meinen Bruder nicht dazu ermutigt, welche zu nehmen. Es ist gegen unsere Religion und gegen meinen persönlichen Glauben. Ich habe niemals illegale Drogen zu mir genommen." Erklärte Gunnul. "Wenn es stimmt, was du sagst, dann hat mein Bruder uns beide betrogen."
"Du glaubst mir nicht?" fragte Jamie müde, plötzlich hatte sie keine Lust mehr, die Energie für einen Angriff aufzubringen.
"Ich würde es gerne, aber ich muss Chrissy schützen. Ich darf nicht... durch meine Gefühle für dich in eine Position geraten, die... zur Folge hätte, dass... meiner Tochter... weh getan wird." Erklärte Gunnul leise, ihr Kopf schmerzte vor Anspannung.
"Bereust du, dass du mich gestern geküsst hast?" fragte Jamie und starrte aus dem Fenster weil sie sich fürchtete, Gunnul anzusehen.
"Ja. Das war nicht klug." Antwortete Gunnul ehrlich und hielt mit grimmiger Entschlossenheit das Lenkrad fest.
"Ich bereue es auch." Gab Jamie mit flacher Stimme zu. Danach gab es nichts mehr zu sagen.
Sie folgten schweigend der Küstenstraße entlang der Marmara See, bis Gunnul schließlich auf einen Parkplatz zwischen kahlen Hügeln einbog. "Hier gab es früher wunderschöne Pinienwälder, aber ein Feuer durch einen Blitzeinschlag hat vor Jahren die meisten Bäume zerstört. Diese Gegend scheint für Tragödien bestimmt zu sein. Dieser Park war Schauplatz eines der schwersten Gefechte des ersten Weltkrieges.
Dies ist die Bucht von Anzac auf der Halbinsel Gallipolli." Erklärte Gunnul weiter.
Sie lenkte den Wagen in eine schmale Parkbucht, von der man über die gesamte Bucht sehen konnte. Jamie war froh aussteigen zu können und streckte ihr Bein aus. Es verursachte ihr noch immer Schmerzen nach dem gestrigen Spaziergang. Die Sicht aus der Höhe war bezaubernd. Es war schwer, sich all das Leiden und die Opfer der Australischen und Neuseeländischen Truppen vorzustellen, die hart gekämpft hatten, um diese Hügel von einem ebenso tapferen türkischen Heer zu erobern. Über Monate hatte Waffenstillstand geherrscht und sie hatten gelernt, einander zu respektieren und Freundschaften zu entwickeln, die zu oft mit dem Tod endete, nachdem sie Befehl erhalten hatten, die Linien des Feindes zu überschreiten. Reste von Stacheldraht waren noch immer zwischen alten Holzverhauen zu sehen. Gelbleuchtende Wildblumen wuchsen zwischen den Drähten.
Eine turmhohe Statue eines türkischen Offiziers beherrscht den Hügel. "Wer ist das?" Fragte Jamie.
"Das ist Atatürk. Der Gründer der modernen Türkei. Er ist für mein Volk der Befreier." Erläuterte Gunnul. "Als junger Offizier hat er hier gekämpft."
Nachdem sie Chanuk Bair besichtigt hatten, besuchten sie den Lone Pine Friedhof. Die Türken erwiesen auch den Gräbern ihrer Feinde nach nunmehr achtzig Jahren große Ehre und respektierten deren Stolz. Das Bild von so vielen Gräbern junger Menschen, die einst verloren waren, jagte Jamie Schauer ein. Sie drehte sich zu Gunnul um und sah, dass diese mit schmerzerfüllten Augen über den Friedhof blickte. "Du warst im Krieg, nicht wahr?" fragte sie leise.
Gunnul zwang ihre Gedanken aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurück. "Ja, ein Mal. Aber nicht in dieser Größenordnung. Komm mit, ich will das Denkmal für die Kriegsgefallenen Türken zeigen." Gunnul lenkte den Wagen zurück in die Hügel und hielt an einem großen Monument. Wieder wanderten sie an Gräbern vorbei, jeder Grabstein war mit Blumen geschmückt. Jamie ging hinüber zu einer lebensgroßen Bronzestatue eines alten Mannes, der die Hand eines jungen Mädchens hielt.
"Gunnul, wer ist er?" fragte sie.
"Er war der letzte lebende Türke, der hier gekämpft hat. Er ist im Alter von 101 Jahren gestorben. Er hält die Hand seiner Urenkelin." erklärte Gunnul. "Als er starb, hat ihm die dankbare Regierung dieses Denkmal errichtet. Es war der Abschluss eines großen, aber tragischen Abschnittes der Geschichte meines Volkes." Erzählte sie, beugte sich nieder und legte ein paar wilde Blumen an den Fuß der Statue.
Jamie betrachtete das Gesicht des Kindes und erstarrte vor Überraschung. Sie drehte sich zu Gunnul um. "Dieses Kind bist du, nicht wahr? Und er war dein Urgroßvater!" Gunnul nickte und ging davon um am Wagen auf Jamie zu warten. Jamie streckte die Hand aus und berührte die verschränkten Hände der beiden, die über Generationen und Zeiten hinweg für immer mit einander verbunden waren. Gunnuls Urgroßvater. Chrissys Ur-Urgroßvater. Plötzlich erkannte Jamie, warum Gunnul sie hierher gebracht hatte. Chrissy nach Hause zu holen war ihr so einfach erschienen, als sie im Flugzeug gesessen hatte. Jetzt begann sie zu verstehen, wie komplex die ganze Geschichte eigentlich war und wie schwer es werden würde. Sie betrachtete die drei Hände zusammen und zog ihre plötzlich fort. Sie wandte sich ab und traf Gunnul am Wagen. Wieder setzten sie schweigend die Fahrt fort.
Sie aßen in der Nähe einer Küstenstadt zu Mittag, Reis und Hühnerfleisch und große saftig-süße Orangen zum Dessert. Die Konversation war höflich aber bedeutungslos. Dann fuhr Gunnul den Wagen auf die Fähre, die sie über die Dardanellen nach Kanakkale auf der asiatischen Seite der Türkei brachte. Spät am Nachmittag verließen sie die Hauptstraße und holperten einen Pfad unter Pinien entlang bis zu einer kleinen, wunderschönen Villa, die auf einem Hügel über der Ägäischen See stand. Zu Jamies Überraschung erwartete Teefo sie bereits hier. "Teefo wird dir deine Räume zeigen." Sagte Gunnul förmlich, nachdem sie mit ihrem Sekretär einige Minuten auf Türkisch gesprochen hatte. Dann drehte sich die große Frau um und verschwand.
"Bitte, kommen Sie hier entlang, Ms. Dedeman. Hatten Sie eine angenehme Reise?" Fragte Teefo und führte sie zu einer einfachen, aber schönen Suite mit französischen Türen, die sich auf einen steinernen Innenhof öffneten, mit einem unglaublichen Ausblick auf die Ägäis am Fuße des Berges.
"Ja, Gunnul ist eine aufmerksame und höfliche Gastgeberin." stimme Jamie zu und nach kurzem Überlegen fragte sie: "Teefo, können Sie mir etwas über den Krieg erzählen, an dem Gunnul teilgenommen hat?"
Teefo lächelte. Nur zu bereitwillig erzählte er über die Heldin, für die er die Ehre hatte, zu arbeiten. "Das war vor zehn Jahren, als General Dedeman das Erbe ihrer Familie nach dem Tod ihres Vaters angetreten hat."
"Wäre das nicht an Mohammed gewesen? Er war doch der einzige Sohn?" fragte Jamie.
Teefo schüttelte den Kopf. "Nein, er wollte nur das Geld. Es war Gunnul, die das Land wollte. Sie war mit vier anderen an der östlichsten Grenze und kontrollierte ein paar Minenprojekte der Familie, als sie an einen schmalen Pass eine Armee entdeckten, die eine Invasion in die Türkei vorzubereiten schien. General Dedeman übernahm die Kontrolle obwohl sie keinerlei Militärausbildung hatte und sie nur eine junge Frau von gerade mal zwanzig Jahren war. Sie verursachte einen Erdrutsch, so dass der Pass unpassierbar wurde. Dann hielten die fünf den Feind drei Tage lang in Schach, bis die Türkische Armee eintreffen konnte. Zu dem Zeitpunkt waren nur noch zwei von ihnen am Leben. Der eine ist ein paar Wochen später an seinen Verletzungen gestorben. Gunnul, obwohl selber schwer verletzt, überlebte. Der letzte Mann hatte Tagebuch geführt. Und dadurch haben die Türkischen Menschen von General Dedemans Tapferkeit und Führerschaft erfahren. Wir haben keine Frauen in den Streitkräften, aber jeder Mann muss seinen Dienst leisten. Doch die Türkische Armee war so beeindruckt von ihr, dass sie sie zum General befördert haben. Das ist eine sehr große Ehre!"
"Ja, das ist es," Stimmte Jamie zu und fragte sich, wie schwer Gunnul wohl verletzt gewesen sein mochte. "Hat General Dedeman nicht geheiratet?" Fragte sie, überrascht, dass in ihrer Stimme so etwas wie Eifersucht mitzuschwingen schien.
"Nein, ihr Verlobter starb an ihrer Seite in der Schlacht. Sie war, wie Sie verstehen, schwer verletzt und kann nun keine Kinder mehr bekommen." Erzählte Teefo wie ein altes Dorfweib, das über den Zaun tratschte.
Plötzlich explodierte ein Schwall von türkischen Wörtern im Raum und Teefo wurde aschfahl. Die beiden Schwätzer fuhren herum und entdeckten Gunnul, die in der Tür stand. Wut strahlte von ihr aus. Jamie schluckte und Teefo eilte davon. "Es tut mir leid. Es war nicht Teefos Schuld. Ich habe ihn gefragt und er hat ausschließlich Loyalität und Stolz gezeigt über deinen Mut und deine Opferbereitschaft."
Gunnul marschierte in das Zimmer und schaute Jamie mit Augen an, die kälter waren, als ein Gletscher. Jamie blieb, wo sie war, obwohl sie innerlich vor Furcht zitterte. "Du hast ein Recht darauf, etwas über die Mutter deines Kindes zu erfahren. Ich bin bereit, wenn auch zögernd, dir auf deine Fragen Rede und Antwort zu stehen. Bitte wende dich diesbezüglich nicht an die Menschen, die für mich arbeiten." Sagte Gunnul durch zusammen gebissene Zähne.
"Hättest du mir denn erzählt, was für eine Heldin du bist?" forderte Jamie sie heraus. "Oder was es dich persönlich für Opfer gekostet hat?"
"Ich hätte dir die Fakten jenes Ereignisses berichtet." Erwiderte Gunnul aufrichtig.
Jamie nickte, sie spürte, dass sie die Kriegerin hart an ihre Grenze gebracht hatte. "Dieser Raum ist wundervoll." Sagte sie. "Gehört das Haus dir?"
"Ja." Antwortete die dunkelhaarige Frau und kämpfte noch immer um die Kontrolle ihrer Emotionen.
Jamie hinkte zu einem Sessel und setzte sich verlegen hinein, Schmerz durchzuckte ihr Gesicht, bevor sie es verbergen konnte.
Gunnul bewegte sich vorwärts. "Geht es dir nicht gut, Jamie?" Fragte sie nervös.
"Es geht mir gut. Mein Bein schmerzt ein wenig, das ist alles." Antwortete Jamie ehrlich.
"Das tut mir leid. Ich habe nicht gedacht. Ich habe dich die letzten beiden Tage viel zu viel gelaufen," entschuldigte sich Gunnul und Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Jamie lachte leise, sie fand die Art, wie Gunnuls Englisch davon glitt, wenn sie unsicher war, sehr zauberhaft. "Ich finde es schwer, zu warten, bis ich meine Tochter sehen kann, Gunnul. Aber ich verstehe warum du dir all die Mühe machst und ich schätze es, wie du versuchst, unsere Tochter zu beschützen. Ich bin mir sicher, dass du eine vielbeschäftigte Frau sein musst."
Gunnul lächelte und zuckte mit den Schultern. "Ich benutze den Computer nachts, um meine Geschäfte zu erledigen. Ich habe auch Teefo, der ein ebenso guter Geschäftsmann ist, wie ein Klatschmaul." Erklärte Gunnul. "Ich war gekommen um dich zu fragen, ob du Lust hast, mit mir zu schwimmen."
Jamie liebte das Schwimmen, doch nach einem Blick hinunter auf den sandigen Strand und den Weg über den Felsen, war sie sich nicht sicher, dass sie es bis dorthin mit ihrer Krücke schaffen würde.
Gunnuls wacher Blick folgte Jamies. "Keine Sorge. Ich kann dich ganz leicht zum Strand hinuntertragen und das warme Salzwasser wird deinem Bein gut tun." Beruhigte sie die ältere Frau.
Jamie lächelte. "OK."
Schnell hatte Jamie ihren Badeanzug und einen dazu passenden Mantel übergezogen. Das Handtuch um die Schultern geschlungen, stützte sie sich auf die Krücke, während sie mit einem Fuß in die Sandalten schlüpfte. Die Narben, die für gewöhnlich durch Hosen oder dunkle Strümpfe verdeckt wurden, waren nun offen zu sehen, sie verliefen über ihr gesamtes linkes Bein bis zum Knöchel. Das wiederhergestellte Knie war nicht richtig zusammengewachsen und ihr Fuß drehte sich leicht auswärts, wenn sie lief.
Sie traf Gunnul auf dem Haupthof draußen und entdeckte den Blick voller Horror und Sympathie, der über Gunnuls Gesicht flog, bevor sie ihn hinter einer Mauer einstudierter Höflichkeit verbergen konnte. "Bist du fertig, Jamie?" Fragte sie.
"Ja," erwiderte Jamie und war völlig gerührt vor Überraschung, als Gunnul sie aufhob und die Patiostufen und den Weg zum Strand mit ausgreifenden, langen Schritten hinunter ging. "Ah, ich kann laufen, Gunnul. Ich bin viel zu schwer."
"Dein Bein tut weh und du bist nicht schwer. Du bist sehr leicht. Ich glaube, du isst zu wenig." Bemerkte die ältere Frau ernst, wie es ihre Art war, wenn sie eine Entdeckung mitteilte. Jamie mochte den Geruch von Gunnuls warmer Haut. Sie fand ihn würzig und exotisch.
Am Strand setzte Gunnul Jamie an einer Liege ab, wo sie ihren Mantel und ihr Handtuch ablegen konnte. Dann hob sie die kleiner Frau wieder hoch und trug sie mühelos zum Wasser hin. "Kannst du schwimmen, Jamie?" Fragte Gunnul, als sie etwa hüfthoch im Wasser standen.
"Ja, ich bin eine gute Schwimmerin." Versicherte Jamie und Gunnul nickte und trug die Frau noch weiter nach draußen, bevor sie sie im warmen Wasser wieder absetzte. Das Wasser reichte Jamie bis zu den Schultern, als hätte Gunnul instinktiv gewusst, dass dies genau die richtige Tiefe für sie war. Erst nach dem sie sicher war, dass Jamie Grund hatte, ließ sie sie endgültig los.
Jamie entspannte sich und ließ ihren Körper treiben. Schon als Kind war sie eine gute Schwimmerin gewesen, aber seit der Verletzung hatte sie selten die Gelegenheit gehabt, ihre Ängstlichkeit hinter sich zu lassen und sich neu bewegen zu lernen. Gunnul sah das Vergnügen über das Gesicht der Frau gleiten und als sie sicher war, dass Jamie tatsächlich gut alleine zurecht kommen würde, drehte sie sich um und kraulte mit kräftigen Zügen auf die See hinaus.
Sie war weiter gegangen, als sie sollte, versuchte etwas von der nervösen Energie zu verarbeiten, die sie in diesen Tagen zu verzehren schien. So sehr sie es auch versuchte, sie fand keinen Schlaf in den Nächten, ihre Gedanken drehten sich beständig um die kleine Frau, die hierher gekommen war, um ihre Tochter zu stehlen und es fertig gebracht hatte, ihr statt dessen das Herz zu stehlen. Ich muss über diese Anziehung hinweg kommen! Ich muss Chrissy an die erste Stelle setzen, dachte sie zum tausendsten Male in dieser Woche.
Versunken in ihre Gedanken reagierte sie zunächst nicht auf Jamies Warnschrei. Der Jet Ski dröhnte, sein Fahrer war unaufmerksam, als er wendete, um zum Lager an der anderen Seite der Bucht zurückzufahren. Er bemerkte nicht, dass sein Fahrzeug einen Schwimmer gerammt hatte. Gunnul spürte einen stechenden Schmerz und dann gar nichts mehr.
Jamie tauchte nun schon zum dritten Mal. Ihre Hände gruben sich in den Sandboden. Gerade als ihr Lungen zu platzen schienen, berührte sie mit der linken Hand einen kalten Badeanzug. Sie griff noch einmal fest zu und erkämpfte sich ihren Weg zurück an die Oberfläche und zog den schweren Körper mit sich. Gott sei dank ist es Salzwasser und man kann besser darauf treiben, dachte sie. Sie holte so tief Luft wie sie konnte, während sie versuchte, sie beide über Wasser zu halten und presste ihren Mund über Gunnuls. Sie strampelt heftig mit den Beinen auf den Strand zu. Als sie endlich Grund unter den Füßen spürte, versuchte sie wieder Luft in Gunnuls Lungen zu blasen und schob die größere Frau auf das Ufer zu.
Im flacheren Wasser wurde es schwierig Gunnul zu helfen. Jamie brauchte den Auftrieb des Wassers um ohne ihre Krücke vorwärts zu kommen. Sie schlang ihre Arme um Gunnul und ließ sich auf den Rücken fallen, mit den Füßen stieß sie sich von Boden ab. Dicht am Strand halfen die Wellen und trugen sie, während sie Gunnul weiter beatmete. Wie lange war sie genau unter Wasser gewesen? Es schien Stunden gedauert zu haben, aber wahrscheinlich waren es nur ein paar Minuten. Jamie war schon auf Gunnul zugeschwommen, bevor das Fahrzeug die unaufmerksame Frau getroffen hatte.
Gunnuls Augenlider zitterten und Jamie blies noch einmal in ihren Mund. Endlich atmete die größere Frau rasselnd ein und Jamie drehte sie auf die Seite, wo sie Seewasser und Sand erbrach. "Teefo! Hilfe! Teefo!" schrie Jamie und hielt die noch immer halb bewusstlose Frau fest, um sie vor dem Ansturm der Wellen zu schützen. Jamie wurde schnell schwächer, erschöpft von der monumentalen Anstrengung die so viel größere Frau ans Ufer zu bringen. Endlich hörte sie aufgeregte Stimmen und freundliche Arme zogen sie von Gunnul fort.
*********
Gunnul ruhte sich aus. Der Arzt und verschiedene Bedienstete waren verschwunden, doch Jamie saß noch immer an ihrer Seite. Beide, der Arzt und eine zitternde Gunnul hatten ihr versichert, dass die Kriegerin wieder in Ordnung war und das sie sich ausruhen sollte, aber Jamie hatte es nicht über sich gebracht, die ältere Frau zu verlassen. "Du siehst so müde aus." Murmelte Gunnul schläfrig.
"Ein wenig," Gab Jamie zu. "Es ist wichtig, dass du noch ein wenig wach bleibst. Du hast eine schrecklich Beule am Kopf."
Blaue Augen trafen grüne und sperrten den Rest der Welt aus. Langsam beugte sich Jamie vor und huschte mit ihren Lippen über Gunnuls. Als sie sich zurück ziehen wollte, legte sich Gunnuls Hand um ihren Nacken und zog sie vorsichtig zu sich hinab. Ihre Münder öffneten sich den Forderungen der anderen und Begehren schlug plötzlich in Leidenschaft um. Jamie seufzte, als lange, starke Finger unter ihren Bademantel schlüpften und den Stoff von ihren nackten Schultern streiften und Gunnul sanft ihre Kehle küsste. Jamies Hände zupften an Gunnuls Kleidung und sie spürte, wie die mächtige Frau sich ihrer Leidenschaft hingab mit der Jamie über ihre Brüste streichelte.
Die große Frau zuckte sichtbar zusammen, als Jamie ihren Kopf neigte und eine von Gunnuls harten, erregten Brustwarzen in den Mund nahm. "Ich...ich möchte mir dir schlafen..." stöhnte Gunnul und kämpfte mühsam um Kontrolle, während ihre Hände hilflos über Jamies Rücken strichen.
Jamie krabbelte auf das Bett und legte sich auf den großen Leib der Kriegerin, ihre Körper nur noch durch ein dünnes Laken getrennt. "Ich glaube, das tun wir gerade," flüsterte Jamie und tief aus Gunnuls Kehle drang ein beinahe animalisches Raunen, sie rollte Jamie herum und bedeckte ihren Körper, hungrige Münder fanden sich und ergaben sich einander.
Das Vorspiel führte zum Höhepunkt und zu erschöpftem Schlaf zweier Frauen, die sich endlich gefunden hatten.
*********
Gunnul erwachte mit einem klopfenden Schmerz im Kopf und einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen. Sie stützte sich auf einen Ellbogen und schaute auf die kleine Frau hinunter, die neben ihr lag. Mein ganzes Leben habe ich dich geliebt, meine Kleine. Wie soll ich dir das nur erklären? Wie soll ich dir begreiflich machen, dass unser Grab im geheimen Garten mich beeinflusst? Du wirst mich für verrückt halten. Unbewusst streckte sie eine Hand aus und strich mit einer Fingerspitze über die seidige Haut ihrer Geliebten. Grüne Augen öffneten sich flatternd und glänzend vor Freude. Gunnul beugte sich vor und eroberte Jamies Lippen. Arme schlangen sich um ihren Hals und Gunnul drehte sich auf den Rücken, mühelos die kleinere Frau mit sich ziehend.
Jamie brach den innigen Kuss ab, sie lag über Gunnuls Körper und schaute aus besorgten Augen auf sie herunter. "Gunnul, das ist nicht recht. Wir hätten das nicht tun sollen. Wir haben noch immer... ich meine wir könnten immer noch... wir sollten nicht.... da ist Chrissy," stotterte sie und eine tiefe Röte stieg ihr ins Gesicht.
Gunnuls Magen zog sich vor Enttäuschung und Angst zusammen. "Habe ich dich enttäuscht? Ich habe dir kein Vergnügen geschenkt? Ich habe keine Erfahrungen, Jamie, aber du kannst es mir doch beibringen." Jammerte Gunnul.
"Nein! Nein, du warst wundervoll. Ich habe noch nie... niemals hat jemand soviel Leidenschaft und Verlagen in mir geweckt. Ich kann gar nicht glauben, dass so etwas möglich war." Beruhigte Jamie sie und strich mit einem Finger über Gunnuls Lippen, dann, nicht im Stande, sich länger zurück zu halten, lehnte sie sich vorwärts und eroberte diese Lippen mit den ihren.
Sie gab die Kriegerin nur zögernd frei und barg ihren Kopf unter dem Kinn der größeren Frau. Es fühlte sich so richtig an, hier zu liegen. Es war, als wären ihre Tagträume wahr geworden. Endlich lag sie in den Armen ihrer geheimen Beschützerin, aber wie sollte sie Gunnul das erklären, ohne völlig irre zu klingen! "Meine Seele, mein Körper will dies so sehr, Gunnul, aber es ist keine gute Idee. Was ist mit Chrissy?"
Gunnul seufzte. "Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ich dich nicht aufgeben kann, Jamie." Gab Gunnul zu und rieb ihren Kopf an dem der Geliebten.
"Gunnul, warst du jemals mit jemandem vor mir zusammen? Ich meine, bist du noch Jungfrau?" Fragte Jamie zögernd und schaute ihre Kriegerin mit besorgten Augen an.
"Der Schaden stammt von meiner Verwundung, nein, ich bin es nicht mehr, aber ich habe auch noch mit niemandem zuvor geschlafen." Erklärte Gunnul und Röte schoss ihren Hals empor.
Jamie streckte sich und küsste den warmen Hals. "Du warst verlobt, bist du sicher, dass du eine lesbische Beziehung willst?"
Gunnul nickte. "Ich bin mir sicher, dass ich dich will, Jamie. Meine Verlobung war arrangiert."
Schockiert setzte sich Jamie auf. "Das ist schrecklich! Wie sexistisch und primitiv!"
Gunnul lächelte. "Nein, nur anders. Ich hätte das Recht gehabt, seine Werbung zurück zu weisen. Er ist sehr sorgfältig für mich ausgesucht worden. Unsere Leben, Bildung, Hintergründe und Familien passten ausgezeichnet zusammen. Ich mochte ihn. Ich hätte eine sehr zufriedene Ehe geführt. Eure Art und Weise scheint nicht sehr viele glückliche Ehen hervor zu bringen."
Jamie dachte nach. "Nun, vieles obliegt der zufälligen Wahl und manche scheinen sich darin echt zu vergreifen. Aber wenn man seinen Seelengefährten trifft, dann ist die Liebe so groß, dass es alle Risiken wert ist, sie fest zu halten." Konterte Jamie.
"Hast du mit vielen geschlafen, Jamie?" Fragte Gunnul neugierig.
Jamie schüttelte ihren Kopf. "Ich habe schon immer gedacht, dass ich lesbisch sein könnte. Ich habe an der Universität mit einer Frau zusammen gelebt. Wir waren glücklich miteinander, aber ich habe immer gewusst, dass wir getrennte Wege gehen würden. Dann, als ich angefangen hatte, zu arbeiten, traf ich Moe. Ich... ich dachte, ich kriege es hin, aber... nun ja, was ich in ihm sah, war nicht wirklich vorhanden. Es war nur eine Illusion."
Stille. "Bin ich es?" Fragte Gunnul leise.
Jamie kuschelte sich wieder an die Seite ihrer Kriegerin. "Ja." Gab sie zu.
"Für mich ist es das Gleiche." Flüsterte Gunnul. In der nachfolgenden Stille strich Gunnul behutsam über Jamies warmes Dreieck. "Ich möchte Dinge tun mit dir, Jamie. Ich weiß nicht, ob es erlaubt ist." Bekannte die verwirrte Frau und konnte ihr Verlangen kaum noch kontrollieren.
Jamie nahm die starke, schmale Hand und schob sie zwischen ihre Beine. Sie stöhnte auf, Gunnuls Berührung schickte die wundervollsten Empfindungen durch ihren ganzen Körper. "Nimm mich, Gunnul. Nimm mich..." bat sie ernsthaft und spürte, wie sie von ihrer Liebsten zurück auf das Bett gepresst wurde.
**********
Gunnul lag auf dem Rücken, ihre Liebste schlief fest an ihrer Seite. Wow! Sie hatte Schwierigkeiten, mit der Tiefe ihrer Gefühle zurecht zu kommen, die an die Oberfläche geströmt waren, während sie beide sich einander vollständig ergeben hatten. Wow war ungefähr das Zutreffendste, was ihr im Moment einfiel.
Sie konnte ihren schweren Duft riechen und es erregte sie bis in ihr tiefstes Wesen. Sie konnte sich nicht mehr vorstellen, ohne Jamie zu leben. Sie strich mit einer Hand schmeichelnd über den nackten Rücken ihrer Liebsten. Bitte, lass es für dich genau so sein, Jamie. Bitte, verlass mich nicht!
Jamie erwachte vom stetigen Herzschlaf ihrer Geliebten. Für einen Menschen, der noch niemals mit jemandem geschlafen hatte, war Gunnul unglaublich gewesen. Ihre Seelen waren wie in einem Tanz zu einem Liebeslied miteinander verschmolzen. Aneinander gebunden auf einer Ebene, die Zeit und Raum verlassen hatte. Sie schaute zu ihrer schlummernden Kriegerin. Ich liebe dich, Gunnul. Ich habe dich mein Leben lang geliebt. Wie kann ich dir das bloß sagen? Wie schaffe ich es, dass es diesmal für uns beide funktioniert?
*********
Sie verbrachten den Rest des Tages im Patio und am Strand. Obwohl Gunnul ständig betonte, sie fühle sich gut, so sah sie immer noch blass aus und Jamie litt immer noch unter der emotionalen Achterbahn der letzten Wochen und den Anstrengungen bei Gunnuls Rettung. Jamie las in einem Buch über die Geschichte der Türkei, das Gunnul ihr gegeben hatte. Es schien, als sei alles, was in den letzten zwei Millionen Jahren von geschichtlicher Bedeutung war, in der Türkei passiert. Vom Neolithikum über Catal Hüyuk bis hin zur Luftbrücke im Unternehmen 'Wüstensturm'! Gunnul war mit ihrem Laptop und ihrem Mobiltelefon dabei, verschiedene Geschäftsangelegenheiten zu klären, die keinen Aufschub duldeten.
Nach dem Abendessen saßen sie aneinander geschmiegt in einem großen, weichen Sessel. Gunnul nahm ihr Telefon und schaute Jamie an. "Ich werde jetzt Chrissy anrufen." sagte sie und spürte, wie sich der kleine Körper neben ihr anspannte. "Ich spreche jeden Abend mit ihr, wenn ich unterwegs bin und es möglich ist. Ich werde türkisch sprechen, aber ich werde ihr sagen, dass ich dich nach Hause bringe, um sie zu sehen." Sagte Gunnul. Jamie war zu gerührt, um zu sprechen. Gunnul konnte es fühlen und zog Jamie fest an sich, küsste ihren Scheitel und wählte dann mit der anderen Hand die Nummer daheim.
Sie sprach schnell mit jemandem und schaute dann zur Erklärung auf Jamie. "Die Haushälterin. Chrissy spielt mit ihrem Hund im Garten." Jamie nickte und ihre Hände verkrampften sich in Gunnuls Hemd. Gunnul wandte sich wieder dem Telefon zu, ein breites, liebevolles Grinsen auf dem Gesicht, dann redete sie in glücklichem türkisch.
"Mammy?"
"Hallo, mein Liebling! Warst du liebt zu Shantu?" Fragte Gunnul.
"Ja. Heute waren wir zum Picknick in den Bergen über den Weingärten. Ich vermisse dich!" Erwiderte Chrissy glücklich.
"Noch ein paar Tage und dann bin ich daheim." Erklärte Gunnul. "Ich werde jemandem mitbringen, den ich sehr gerne habe, Chrissy. Ich glaube, du wirst sie auch mögen." Berichtete die Kriegerin weiter.
"Wen denn, Mammy?" Fragte das kleine Mädchen.
"Deine leibliche Mutter." Eröffnete ihr Gunnul.
Einen Moment herrschte gespanntes Schweigen. "Wirklich!? Sie ist hier?! Ist sie nett?!"
"Sehr. Sie hat mir gestern das Leben gerettet." Erklärte Gunnul und begann, ihrer Tochter die Geschichte zu erzählen.
"Bist du in Ordnung, Mammy?" Fragte das Kind besorgt.
"Es geht mir gut. Möchtest du deiner anderen Mutter hallo sagen?" Erkundigte sich Gunnul vorsichtig.
Einen Augenblick Zögern. "Wie soll ich sie denn nennen, Mammy?" Fragte das Mädchen verlegen.
Ein Knoten formte sich in Gunnuls Kehle und sie hatte Mühe, ihn herunter zu schlucken. "Ich glaube, du solltest sie auch Mutter nennen. Sie ist deine Mutter, genauso wie ich. Die meisten Kinder haben zwei Großeltern, du scheinst eben zwei Mütter zu haben!" Scherzte Gunnul und versuchte so, die schwierige Situation zu entkrampfen.
Jamie konnte die Anspannung in Gunnuls Körper fühlen und in ihren Zügen erkennen. Worüber redete sie mit Chrissy? Würde Chrissy sie sehen wollen, jetzt, wo sie wirklich hier war?
"Ja, ich möchte sie in der Türkei willkommen heißen, Mammy." Stimmte das Kind schließlich höflich zu.
"Gut." Erwiderte Gunnul mit Freude. "Du musst Englisch sprechen. Sie versteht kein Türkisch." Sagte Gunnul und hielt das Telefon an Jamies Ohr.
"Hallo Mammy?!" Hallte die klare Stimme eines Kindes.
"Hallo, Chrissy? Oh, Chrissy, Liebes, es ist so wundervoll, deine Stimme zu hören. Ich... ich habe dich so vermisst!" Schluchzte Jamie.
"Ich bin so aufgeregt, dich zu sehen. Willkommen in meinem Land, Mom! Ist es OK, wenn ich auch Mammy zu dir sage? Meine Mammy hat gesagt, das wäre OK." sprudelte Chrissy.
Jamie schaute in Gunnuls angespanntes Gesicht, die ihr und Chrissy genügend Privatsphäre lassen wollte, indem sie wie angenagelt auf das Meer hinausschaute. "Ja, wir sind beide so stolz darauf, dich als Tochter zu haben." Antwortete sie und streichelte mit einer ausgestreckten Hand über Gunnuls Wange. Gunnul drehte sich herum und schaute sie an, ein nervöses Lächeln lag auf ihren Lippen. Das ist wirklich schwer für Gunnul, erkannte sie. "Ich kann es kaum erwarten, dich zu sehen, Chrissy. Ich liebe dich sehr." Sagte Jamie mit tränenerstickter Stimme. "Hier, ich gebe dir deine andere Mammy, damit sie dir von unseren Plänen erzählen kann." Erklärte sie und konnte kaum noch an sich halten.
Gunnul nahm das Telefon und redete kurz mit Chrissy auf türkisch, während Jamie neben ihr leise vor sich hin schluchzte. Dann hielt die Frau, die sie liebte, die Mutter ihres Kindes sie fest und ließ sie alle ihre aufgestauten Gefühle aus sich herausweinen.
**********
Gunnul hatte Jamie angeboten, direkt nach Antalya zu fahren, doch Jamie war mit ihr überein gekommen, obwohl es ihr sehr schwer gefallen war, dass es sowohl für sie gut sei, mehr über die Türkei zu erfahren, als auch für Chrissy, sich an den Gedanken zu gewöhnen, ihre leibliche Mutter zu treffen. Sie hatte auch erkannt, dass Gunnul mehr Zeit brauchte, um mit ihren eigenen Gefühlen zurecht zu kommen. Es musste für sie sehr schwer sein, jemanden anderen so dicht an die Tochter heranzulassen, die sie liebte, überlegte Jamie.
Sie saßen beim Frühstück aus Pitabrot, frischem Joghurt und dem obligatorischen Käse mit Oliven, die für ein türkisches Frühstück ein Muss sind. Jamie gab sich Mühe, an dieser Variante Gefallen zu finden. Sie wollte ein Teil von Chrissys und Gunnuls Welt sein, so gut sie konnte. "Jamie, warum hast du mir das Leben gerettet?" Hatte Gunnul sie letzte Nacht im Bett gefragt.
Jamie hatte sie überrascht angesehen. "Ich kann doch nicht daneben stehen und jemanden sterben lassen, wenn ich ihm helfen kann." Hatte sie geantwortet und Gunnuls Haar nach hinten gestrichen. "Und was dich betrifft, das macht keine Ausnahme. Ich würde mein Leben für dich geben."
Gunnul schaute Jamie verwundert an. "Es hätte alle deine Probleme wegen des Sorgerechtes gelöst, wenn du es nicht versucht hättest." Betonte Gunnul praktisch und schaute tief in Jamies wunderbare Augen.
"Gunnul!!! Hättest du es denn getan, wenn es mich betroffen hätte?!" Fragte sie schockiert.
Gunnul sah jetzt genau so erschrocken aus. "Oh, natürlich nicht!" Die Kriegerin dachte ein paar Minuten nach und spielte mit Jamies Haar. "Es ist schwer für mich zu glauben, dass sich jemand freiwillig für mich in Gefahr begeben würde. Mein ganzes Leben lang haben die Leute nur immer etwas von mir gewollt, Hilfe oder Unterstützung. Ich bin reich und mächtig. Dass du dein Leben für mich aufs Spiel setzen würdest, macht mich zu etwas Besonderem, zu etwas sehr geliebten. Aber tu so etwas nie wieder, Jamie. Ich... ich könnte nicht... wenn dir etwas zustoßen würde, ..."
Jamie hatte sich aufgerichtet und Gunnul geküsst, bis sie verstummte. "Sh, Sh, denk nicht darüber nach. Niemand kann die Zukunft vorhersagen. Wir sind jetzt und hier zusammen und das ist gut so." Beruhigte Jamie sie.
Gunnul hatte sie enger an sich gezogen und sie waren den Wegen ihrer neuen Liebe bis zum Morgengrauen gefolgt.
Nachdem sie ihr Frühstück beendet hatten, spazierten sie hinaus zum Wagen und machten sich wieder auf den Weg. Als sie auf der Hauptstraße waren, nahm Gunnul Jamies Hand in ihre. Jamie lächelte leise, ihre Kriegerin war so stark und tapfer in vielerlei Hinsicht und doch so kindhaft und zerbrechlich in anderer. Sie hatte sehr schnell herausgefunden, dass Gunnul so oft wie möglich den physischen Kontakt zu ihr suchte, als fürchte sie, Jamie könne mir nichts dir nichts aus ihrem Leben wieder verschwinden. Nicht, dass Jamie etwas dagegen einzuwenden gehabt hätte! Ihre Kriegerin konnte ihr gar nicht nahe genug sein.
Sie fuhren nur ein kurzes Stück und bogen dann auf einen Parkplatz neben einem riesigen hölzernen Pferd ein. Gunnul schaute es an und schnaubte. "Eine Nachbildung des Trojanischen Pferdes," erklärte sie angewidert. "Die Touristen wären doch zu enttäuscht, wenn es nicht hier stünde. Das ist Troja." Fuhr sie fort.
Jamie lachte über Gunnuls offensichtliches Missbehagen und mit einem Funkeln in den Augen bestand sie darauf, dass Gunnul mit ihr in das Holzpferd kletterte und aus einer der Öffnungen auf die Ruinen von Troja schaute. In der schattigen Kühle des Pferdekörpers lehnte sie sich an die Türkin und küsste sie. "Ich kann nur schwer glauben, dass Helena von Troja schöner gewesen sein soll, als du." Frozzelte sie und Gunnul wurde unter der unerwarteten Attacke rot. Doch sie erwiderte den Kuss.
Sie spazierten durch die Ruinen, die eigentlich die Überreste von neun Städten darstellten, die aufeinander aufgebaut worden waren. "Die Schätze, die hier gefunden wurden sind in der Kolonialzeit heimlich nach Deutschland transportiert worden. Während des Zweiten Weltkrieges wurden sie nach Russland gebracht. Über viele Jahre hinweg wusste niemand, was daraus geworden ist, bis Russland sie schließlich ausgestellt hat. Deutschland hat augenblicklich behauptet, dass sie gestohlen worden wären und dass man sie zurück geben sollte!"
Jamie lachte, sie erkannte die Ironie der Geschichte. "Ich schätze, wenn Deutschland sie zurück erhält, dann werden sie sie an die Türkei ausliefern, den rechtmäßigen Eigentümer." Sagte sie sarkastisch.
Gunnul lachte auch. "Du sagst es. Als ob Schweine fliegen könnten."
Gunnul und Jamie wanderten umher und schauten sich alles an. Sie fragte sich, ob Jamie auf diesen Ort reagieren würde, wie sie selber es vor vielen Jahren getan hatte, als sie das erste Mal nach Troja gekommen war. Du bist schöner, Jamie, als Helena es jemals war, dachte sie wissend.
Sie spazierten gemeinsam den steinigen Pfad zu den Fundamenten des Tempels der Athene entlang. "Vor beinahe zweitausend Jahren hat Alexander der Große hier gestanden und über die Ebene geblickt, wie wir jetzt, Jamie. Er hat angeordnet, dass dieser Tempel zu Ehren Griechenlands wieder aufgebaut wird." Erklärte Gunnul in Jamies Rücken, als sie auf einem Felsen standen und das Panorama genossen.
Plötzlich fuhr Jamie herum und schaute Gunnul aufgeregt an. "Wir waren hier! Du hast Helena geholfen, zu entkommen!" Rief sie aus.
"Ja." Erwiderte Gunnul, ergriffen von der Erkenntnis, dass Jamie sich der gleichen Erinnerungen bewusst geworden war, wie sie selbst.
Jamie griff sich an die Stirn. "Oh, Mann, das ist etwas, woran man sich erst gewöhnen muss." Sie schaute zu Gunnul auf. "Hast du noch andere Erinnerungen? Ich meine, von mir und anderen Orten?"
"Ja, ich kenne dich schon mein ganzes Leben. Du bist immer zu mir gekommen. Es ist schwer zu erklären. Wir haben im Alten Griechenland gelebt, glaube ich, aber auch in der Gegenwart, in einem Dschungel." Bemerkte Gunnul.
"Der Amazonas." Stellte Jamie fest. "Du bist immer zu mir gekommen. Ich habe dich meine Beschützerin genannt. Das ist sehr eigenartig. Ich glaube wir müssen uns hinsetzen und darüber reden!"
Gunnul nickte und dann kehrten sie Hand in Hand zum Wagen zurück. Gunnul erklärte, dass dies in der Türkei wohl niemandem auffallen würde, da die Mädchen oft umarmt oder Hand in Hand zusammen gingen. Männer auch, wie sie ausführte. Und dann lachte sie und sagte, dass ein Mann und eine Frau in der Öffentlichkeit niemals Händchen halten würden.
Gunnul fuhr weiter und sie versuchten etwas Ordnung in ihre Gefühle und Eindrücke zu bringen. Es war eindeutig, dass sie beide ihr ganzes Leben einander gewahr gewesen waren. Sowohl ihres Lebens im alten Griechenland, als auch der letzten Erlebnisse am Amazonas. Gunnul verlangte schließlich nach einem Ende. "Wir haben es hier mit zu Vielem zu tun, Jamie, unsere Gefühle für Chrissy, unsere Liebe und die Geheimnisse unserer Vergangenheit."
Jamie seufzte. "Du hast Recht, Gunnul. Lass uns einfach schauen, wie sich die Dinge entwickeln. Ich fühle mich ein wenig überfordert."
Gunnul nickte. "Wir sind füreinander bestimmt, Jamie." Stellte sie fest, teils als Tatsache, teils als Bekräftigung. Sie hatte immer noch Schwierigkeiten, Jamie zu glauben, dass diese sie bedingungslos liebte. In Gunnuls bisherigem Leben hatte es immer irgendwelche Bedingungen gegeben. Außer bei Chrissy. Chrissy war der Lichtfunke in Gunnuls Leben und nun kam Jamie vielleicht hinzu.
"Ja. Wir sind Seelengefährten und ich glaube, wir sind es immer gewesen." Stimmte Jamie zu, legte ihren Arm um Gunnuls Schultern und lehnte ihren Kopf an die größere Frau. "Es hat nur seine Zeit gedauert, bis wir uns wieder gefunden haben."
Gunnul fuhr hinunter nach Bergama, unterhalb der Ruinen des alten Pergamon. Gunnul umkurvte die Touristenbusse auf der engen, Serpentinenstraße und Jamie hielt sich ängstlich an ihr fest. "Verdammt Gunnul, du hättest langsamer fahren können!" Stöhnte Jamie mit einem erleichterten Seufzen, als sie endlich an einem Parkplatz anhielten und ausstiegen.
Gunnul hob eine Augenbraue und schaute ihre Seelengefährtin amüsiert an. "Aber wo bliebe dann die Aufregung, Jamie?" Fragte sie unschuldig.
Jamie blieb stehen, stützte ihre freie Hand in die Hüfte und warf Gunnul einen unmutigen Blick zu. "Du bist von einem Boot angefahren worden und beinahe ertrunken, die leibliche Mutter deine Tochter taucht auf, um ihre Rechte geltend zu machen, du verliebst dich zum ersten Mal und entdeckst, dass eure Beziehung durch Raum und Zeit bestimmt ist und dann suchst du nach Aufregungen, weil du meinst, das Leben wäre sonst langweilig?!!"
Gunnul lächelte verschmitzt und zuckte mit den Schultern. "Ich glaube, wir haben schon aufregendere Leben hinter uns." Erwiderte sie.
"Ja, ja." Stimmte Jamie zu und nahm Gunnuls Arm, damit diese wusste, dass sie nicht wirklich wütend war. "Aber in jedem Leben haben wir etwas getan, dass mit dem Tode endete. Bitte behalte das gut in Erinnerung. Es hat lange gedauert bis ich dich dieses Mal gefunden habe und ich möchte, dass diese Beziehung lange hält!"
Gunnul blieb abrupt stehen und schaute Jamie verwundert an. "Willst du das, Jamie?"
Jamie erkannte, dass sie möglicherweise Ansichten über ihre Beziehung geäußert hatte, die nicht geteilt wurden. "Nun ja, ich meine... ja... wenn du dich damit wohl fühlst... ich meine, ich schlafe nicht mit jedem, weißt du!"
"Ich habe noch mit niemandem geschlafen. Ich habe auf dich gewartet, Jamie. Es wäre mir eine große Ehre, wenn du Teil meines Lebens werden würdest." Gab Gunnul nervös zu.
Jamie schaute auf den steinigen, trockenen Boden und dann in Gunnuls Augen. "Wir kennen uns erst ein paar Tage. Wir hatten zu Anfang keine besonders hohe Meinung von einander. Da ist immer noch die Sache mit Chrissy. Vielleicht geht das alles ein wenig zu schnell."
Gunnul erstarrte und sah aus, als sei sie geschlagen worden. "Komm jetzt, ich will dir die Anlage zeigen. Sie ist sehr schön." Sagte sie und schluckte hart.
"Gunnul, nein. Hör mir zu," bat Jamie und griff so heftig nach Gunnuls Arm, dass sie beinahe hingestürzt wäre. Gunnul hielt sie fest. "Hör zu, ich liebe dich. Ich habe dich, glaube ich, geliebt, seit Anbeginn der Zeit. Ich will deine Partnerin sein für den Rest meines Lebens. Aber ich versuche auch, realistisch zu denken. Wir sind Fremde. Wir kommen aus unterschiedlichen Kulturen.... verdammt, Gunnul, sieh mich nicht so an!"
Gunnul ließ den Kopf hängen und schaute Jamie aus verletzten, besorgten Augen an. "Ich liebe dich auch, Jamie. Ich will nicht, dass du mich verlässt. Aber ich verstehe, was du sagen willst. Ich werde dich nicht zu etwas zwingen, was du nicht willst."
Jamie lächelte freundlich. "Du bist so wundervoll, meine Kriegerin." Flüsterte sie.
Gunnul schaute sie erschüttert an. "W... wie hast du mich gerade genannt?!"
"Meine Kriegerin." Wiederholte Jamie überrascht.
Gunnul grinste glücklich. "Ich habe es immer gemocht, wenn du mich so nanntest." Sagte sie und nahm Jamie beim Ellbogen, um sie über eine unebene Steinrampe zu einer alten, griechischen Akropolis zu führen.
Weiße, korinthische Säulen ragten in den dunkelblauen Himmel, wie die Knochen eines lange vergangenen Zeitalters. Jamie war verzaubert von der geordneten Schönheit der Tempelanlage. Zerbrochene Statuen, noch immer in ihren Rüstungen, setzten sie ob ihrer feinen Ausführung und Schönheit in Erstaunen. "Oh, Gunnul, es ist so wunderschön hier." Seufzte Jamie und sog die Weite der Landschaft in sich auf, die in flimmerndes Licht getaucht und von der Grazie der klassischen Tempelsäulen gerahmt war.
"Ja, es ist sehr schön, aber ich helfe dir hier herunter. Unten ist es noch viel interessanter." Erwiderte Gunnul. Unter der Akropolis befanden sich noch immer die Überreste des unterirdischen Systems von Katakomben und Heizanlagen. Sie wurden unter dem Hügel konstruiert, auf dem sich später die Akropolis erhob. Jamie genoss Gunnuls ernsthafte Erklärungen über die griechischen Konstrukteure und ihre Fähigkeiten als Ingenieure. Sie konnte nicht anders, sie musste einfach lächeln. Ihre Kriegerin hatte immer schon die Schönheiten verpasst und war direkt auf die praktischen Seiten zu sprechen gekommen.
Gunnul entdeckte das amüsierte Grinsen. "Langweile ich dich, Jamie?" Fragte sie besorgt, als sie in einer dunklen Halle standen.
Jamie schaute sich um, um sicher zu gehen, dass niemand in der Nähe war, dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste die Freundin. "Ich glaube, meine pragmatische Kriegerin, dass du dich seit Tausenden von Jahren keinen Deut geändert hast und dafür liebe ich dich." Gunnul wurde rot und zog Jamie in einem weiteren Kuss fest an sich.
Zurück an der Oberfläche zeigte Gunnul Jamie wo die berühmte Bibliothek von Pergamon gewesen war. Jamie starrte durch die Gitter auf die riesigen, steinernen Regale im Inneren. "Ich war hier, Gunnul, ich kann es fühlen!" Erklärte sie und spürte große Erleichterung, endlich mit jemandem über ihre seltsamen Erinnerungen reden zu können.
"Diese Bibliothek war die zweitgrößte der Alten Welt. Nur die berühmte Bibliothek von Alexandria in Ägypten war noch größer. Nachdem Alexandria niedergebrannt war, hat Cleopatra die Bücher aus Pergamon holen lassen, um ihre zu ersetzen. Es gibt keine Aufzeichnungen, was weiter mit ihnen geschehen ist." Erklärte Gunnul.
"Oh, Gunnul, kannst du dir vorstellen, wie es wäre, wenn man sie finden würde! Man hätte das ganze Wissen der Alten Welt in den Händen! Das wäre bestimmt aufregend!"
Schließlich zog Gunnul Jamie von der Schönheit der Akropolis und den langen Reihen der Souvenirhändler fort, die den Touristen lokale Kuriositäten zum Kauf anboten. "Aber ich muss Geschenke für alle meine Freunde mitbringen!" protestierte Jamie. Sie sah nicht, wie Gunnul erstarrte und auch nicht den verletzten Blick, der über das Gesicht der Freundin flog.
Sie fuhren hinunter zu einem Asklepion, einem der ersten bekannten Krankenhäuser der Antike. Jamie sah müde aus und rieb sich verstohlen das Knie, im Glauben, Gunnul würde es nicht bemerken.
"Wir müssen uns diese Anlage nicht ansehen, Jamie, wenn dir dein Bein weh tut." Sagte Gunnul, nachdem sie eingeparkt hatte. "Es ist eine riesige Anlage und überall ist der Boden uneben."
"Behandele mich nicht wie ein Baby, Gunnul." Schnappte Jamie ungehalten.
Gunnuls Gesicht verschloss sich zu einer ausdruckslose Maske. "Tut mir leid." Sagte sie leise. "Ich fühle mich schuldig für das, was dir passiert ist. Ich weiß, dass meine Familie dich verletzt hat."
"Gunnul, nein." Jamie nahm die Frau seufzend bei der Hand. "Ich habe die Entscheidungen in meinem Leben getroffen. Diese und all die anderen. Und selbst wenn mir diese Entscheidungen Schmerz bereitet haben, so haben sie mich doch zu dir geführt. Du versuchst immer, mich zu beschützen. Dafür liebe ich dich, aber übernimm nicht die Schuld für mein Schicksal. OK? Dein Bruder hat mich mit einem Baseballschläger verprügelt. Ich habe versucht, mich mit meinem Bein zu schützen. Es ist nicht deine Schuld. Ich habe es überlebt."
Gunnul war weiß geworden vor Wut und Jamie spürte, wie der Zorn von ihr ausstrahlte. "Wenn mein Bruder noch am Leben wäre, dafür hätte ich ihn umgebracht, was er dir angetan hat." Zischte sie durch zusammengepresste Lippen.
Jamie beugte sich vor und küsste sie. "Das hätte ich nicht zugelassen." Sagte sie und lächelte. Gunnul erwiderte das Lächeln und sie stiegen aus und wanderten hinüber zu einem Dach, unter dem die Eintrittskarten verkauft wurden. Jamie hatte bemerkt, dass Gunnul niemals zahlte. Wenn sie auftauchte, dann winkten die Wachen sie einfach durch. Das schien die Türkin in Verlegenheit zu bringen, aber sie merkte es nie an, sie lächelte einfach und flüsterte "Teashakequwe". Gunnul hatte ihr erklärt, dass dies Danke bedeutete.
"Die archäologischen Ausgrabungen sind immer vom Militär bewacht, Gunnul. Habt ihr Angst vor Terroranschlägen?" Fragte Jamie.
"Nein." Erklärte Gunnul. "Auch wenn die Türkei die Ansichten der fundamentalistischen Bewegung des Mittleren Ostens teilt, so hat die politische Partei ihre Basis bei den Armen. Das Land steht auf einem schmalen Grat zwischen Ost und West. Teilweise europäisch, teilweise asiatisch. Im Westen glauben die Menschen, dass die Kriege im Mittleren Osten vor allem mit Religion und Politik zu tun haben, aber das ist nicht wirklich der Fall. Es geht um das Wasser. Wer hat es und wer nicht, und wie viel ist man bereit, dafür zu opfern. In den letzten fünftausend Jahren ging es immer nur ums Wasser.
Die Türkei hat Glück. Wir haben genug Wasser. Unser Land ist sogar selbst in der Lage, seine Leute mit ausreichend Lebensmitteln zu versorgen. Also muss jeder türkische Mann seinen Militärdienst leisten. Wir müssen immer auf der Hut sein vor den Ländern, die uns beneiden. Es gibt eine Menge Soldaten. Die Regierung spart Geld, wenn sie sie anstelle von Wachschutzleuten einsetzen, um unser kulturelles Erbe zu schützen." Erläuterte Gunnul.
Jamie nickte, während Gunnul ihr über die lange, steinige Straße half, die zu beiden Seiten von griechischen Säulen gerahmt war. "Das ist ein Test, Jamie. Hier im Asklepion musste man gesund genug sein, um diese Straße ohne Hilfe hinunter zu gehen, sonst wurde man im Hospital nicht behandelt."
"Nun, dann lass mich los!" grinste Jamie und stieß Gunnul spielerisch in die Seite, damit diese auch wusste, dass es ein Scherz war. Gunnul lächelte stolz über Jamies Courage und gute Laune.
Sie war sich nicht sicher, ob sie so tapfer sein könnte. Nachdem sie in der Schlacht verwundet worden war, war sie eine schreckliche Patientin gewesen.
Sie erreichten den Haupthof und standen vor einem Amphitheater, das in den Hügel gebettet war. "Die Ärzte hier haben die Kranken über ihre Sinne behandelt. Sie nahmen an, dass Krankheiten durch eine Seele verursacht wurden, die aus dem natürlichen Rhythmus gekommen war. Es gab hier ein Theater, Musik, eine Bibliothek, Tanz und Dampf- und heiße Bäder, um dich wieder in Einklang mit dir selber zu bringen."
Jamie lachte. "Junge, dieser Ort in meiner Nachbarschaft würde ein Vermögen machen!"
Gunnul führte Jamie durch einen langen, dunklen Tunnel, der in einem runden Raum mit steinernen Schlafbänken endete. "Wenn ein Patient das erste Mal hier ankam, dann ließen ihn die Priester diesen Weg nehmen. Wasser lief die Wände hinab, der Klang sollte beruhigend sein, Nebel machte den Tunnel geheimnisvoll. In diesem Raum dann sollte man schlafen und träumen. Am nächsten Tag wurde man aus diesen Träumen aufgeweckt und die Priester wussten, wie sie dich behandeln mussten." Erklärte Gunnul und ging auf dem Weg voran, gefolgt von Jamie, die vorsichtig über den unwegsamen Boden lief.
"Himmel, dann hätte ich von Dampfbädern und einem guten Scotch geträumt." Gab Jamie zu. Gunnul blieb plötzlich stehen und schaute sie voller Sorge an.
"Du darfst nicht fluchen, Jamie!" Sagte sie. "Das ist kein gutes Beispiel für Chrissy. Wir Moslems fluchen und trinken nicht. Ich möchte, dass Chrissy das Beste von dir denkt."
Entrüstung stieg in Jamie auf, doch dann schluckte sie ihre wütende Erwiderung hinunter. Sie erkannte, dass Gunnul sie nicht verurteilte, sondern lediglich ihre Tochter schützen wollte. Sie wollte wohl außerdem, dass Jamie von ihr akzeptiert wurde.
"OK. Kein Fluchen. Kein Trinken." Versprach sie. "Warum hast du an unserem ersten Abend getrunken?" Fragte sie.
"Ich habe versucht, amerikanisch zu wirken und dir das Gefühl zu vermitteln, du seiest willkommen. Ich habe mich zum Narren gemacht und dich beleidigt." Bekannte Gunnul.
"Und ob, dein wahres Gesicht kommt zum Vorschein, wenn du betrunken bist." Frozzelte Jamie und boxte die ernste Gunnul in den Bauch. Das ließ die Türkin lächeln und sie gingen in heiterer Stimmung weiter. Gunnul blieb stehen, um Jamie eine Säule zu zeigen, auf der ein Stab mit einer Schlange abgebildet war, das Zeichen der Ärzteschaft. "Die Quelle hier besitzt eine natürliche Radioaktivität, wahrscheinlich sind ein paar der Leute wirklich geheilt worden." Beendete Gunnul und hielt der erschöpften kleineren Frau die Türe des Wagens auf.
Sie fuhren nach Izmir, wo Teefo sie bereits im Hilton Hotel erwartete. Gunnul zog Jamie in ihre Arme, während der Aufzug sie in die Suite brachte, die bereits auf sie wartete.

weiter zu Teil 3