FANWORK > Fanfiction > Elaine Sutherland - Lao Ma's Kuß Teil 2

Disclaimer: Siehe Teil 1

Lao Ma's Kuß

Von Elaine Sutherland
Übersetzung von Xenina


"Gib nach", pflegte Lao Ma zu sagen. Nachgiebigkeit und das Aufgeben meines Willens wären meine Rettung. Aber Nachgiebigkeit lag einfach nicht in meiner Natur. Es gab zu vieles was ich wollte, brauchte.
Ich sagte, ich würde lieber sterben und sie antwortete hart: "Du bist nun schon eine Weile tot." Aber sie irrte sich: Sie hatte keine Ahnung, wie lebendig ich mich fühlte wenn sie dicht neben mir stand. Wie sehr ich mir ihrer Gegenwart im Morgensonnenschein bewusst war. Sie roch nach Sandelholz und nach dem Pfefferminztee, den wir am Morgen getrunken hatten. Ihre asiatischen Augen waren tief und dunkel und verbargen Geheimnisse hinter ihren Lidern. Ich wollte meine Hand ausstrecken und sie berühren aber seit dem Tag an dem sie ein kleines bisschen ihres Lebens in mich hineinatmete, hatte sie mich nicht mehr berührt und so wagte ich es auch nicht, sie zu berühren. Aber ich glaube, sie wusste von einigen meiner Gedanken, von dem Begehren, welches unter der Oberfläche brodelte. Manchmal, irgendwo in einem stillen Raum, sah Lao Ma mit einem Ausdruck von Müdigkeit zu mir herüber und sagte sanft: " Xena, Du musst die Bedeutung von "nein" lernen.

Nachgiebigkeit und Leere waren die Themen von Lao Ma's Leben und sie zeigten sich sogar in den Namen, die sie Dingen gab. Es gab da eine Katze, langhaarig und geschmeidig, die im Haus umherging. Lao Ma nannte sie "kiung" oder "Leere". Sie fragte niemals, wo die Katze sei oder machte gar ein Aufhebens davon, noch schien sie die Anwesenheit der Katze im Raum jemals zu bemerken, aber sie streichelte das Tier abwesend wann immer es ihr nahe kam.
Ihre Haltung allen Dingen gegenüber schien zu sein, sie zu nehmen wie sie kamen, die Gewalt der Natur um sich herum weder mit Zuneigung noch Abneigung zu betrachten. Und die Katze selbst schien den Frieden, von dem Lao Ma immer sprach, zu verkörpern, immer fand sie ein Fleckchen Sonnenlicht im Raum oder döste im Garten.

So vergingen die Tage und in der Harmonie von Lao Ma's Haus und in ihrer Gegenwart erlernte ich eine Art oberflächliche Ruhe, wenn auch nicht Teilnahmslosigkeit. Ich sah Lao Ma eine Form von Macht ausüben, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Mit trügerischer Leichtigkeit erteilte sie Anweisungen, leitete den Haushalt zusammen mit Zheng Ha, regierte das Königreich im Namen von Laotse und trotz ihrer Sanftheit war ihre Autorität unbestritten.
Ich sah sie oft bei Beratungen. Lao Ma ging anmutig durch die Flure oder über die Terrasse und sprach sanft; seine Hände hinter dem Rücken verschränkt passte Zheng Ha seine Schritte den ihren an und nickte zustimmend mit dem Kopf oder schüttelte ihn ablehnend. Es war ganz klar, dass sie seine Meinung schätzte und seine Gegenwart schien die Abwesenheit ihres Gatten weniger offensichtlich zu machen.

Ihr Ehemann.

Schließlich sah ich ihn in einiger Entfernung am anderen Ende des Gartens sitzen. Zheng Ha stand neben ihm und schien sich mit ihm zu unterhalten. Aber Laotse bewegte sich nicht und falls er sprach, tat er es ohne Gesten oder Lebhaftigkeit. Ich glaubte, Verschwörung zu riechen. Vielleicht war Zheng Ha ein Spion für Laotse? Ich würde das bald herausfinden.

* * *

Du warst nun seit einem Monat bei mir und schließlich kam der Tag, an dem ich Dir genug vertraute um Dich mit zu Laotse zu nehmen. Um Dir zu zeigen, dass man ein Königreich regieren und dennoch dem Weg folgen konnte. Ich brachte Dich zu den Gemächern, in denen er lag, unbeweglich, in seinem Putz aus Seide, so wie es sich für einen König und Weisen schickte. Seine Vorfahren hatten ihn zum König gemacht aber ich war es, die ihn zum Weisen machte.

"Wie stellst du es an, den ganzen Haushalt zu täuschen?" fragtest Du mich. Ich erzählte Dir, dass Zheng Ha mir bei der Durchführung der List half. Von Zeit zu Zeit brachte er Laotse in den Garten wo man ihn sehen konnte und die "Anweisungen", denen Zheng Ha im Palast folgte, stammten scheinbar von seinem Herrn, nicht von mir. Und so regierte ich mithilfe eines Mannes im Koma und eines Eunuchen ein Königreich.

Es gefiel Dir, dass ich das Königreich von Lao beherrschte, Du konntest aber nicht ergründen, warum ich alles im Namen von Laotse tat. Als ich Dir mein Großes Buch, das Tao Te Ching, zeigte, SEIN Buch, wie die Welt glauben würde, warst Du entsetzt darüber, dass ich bereit war, meine Weisheit Laotse zuschreiben zu lassen. Ich erklärte es Dir und so wie ich es zu Dir sagte, schrieb ich es nieder:

Der Weise lehrt nicht mit Worten sondern mit Vollendung

Und was der Weise bewirkt

Hängt von niemandem anders ab.

Der Weise zieht keinen Gewinn aus dem Gelingen

Und wenn kein Gewinn genommen wird

Kann er auch niemals verloren werden.

Ruhm ist wie das Funkeln auf einer Wasseroberfläche, welches nur so lange währt wie die Sonne an einer bestimmten Stelle steht. Wenn sie sich bewegt, so wie sie es immer tut, bleibt nur das Wasser übrig. Du musst das Wasser sein, still und tief.

Du schienst erstaunt darüber zu sein, dass Ming Tien mein Kind war. Als ob das etwas bedeutet hätte. Er war von meinem Fleisch und Blut aber nicht von meinem Geiste. Es scheint, als ob die Bande des Blutes auch nicht weniger zerbrechlich sind als andere. Ich weiß nicht, ob Du jemals einen Sohn haben wirst, Xena. Falls ja, so hoffe ich, dass Du ihn seinen eigenen Weg wirst gehen lassen. Aber Du konntest nicht gut mit Kindern umgehen und es war mir unmöglich, Dich mir als Mutter vorzustellen. Und so ließen wir das Thema fallen.

Du interessiertest Dich auch weit mehr für das, was ich in mein Buch schrieb und so setzten wir uns später am Tag mit Pinsel und Tinte zusammen und ich versuchte, Dir die Schriftzeichen für Feuer, Wasser und Holz beizubringen. Ich schrieb "Feuer" und Du schriebst stolz "Feuer". Ich schrieb "Wasser" und Du "Holz". "Holz" schrieb ich und Du kopiertest gehorsam "Holz". Wieder schrieb ich "Wasser" und wieder schriebst Du "Holz". Es scheint, als habest Du die Geschicklichkeit für Feuer und Härte gehabt, aber das Zeichen für "Wasser" konntest Du nicht erlernen.

* * *

Aber Du lerntest, zuzuhören. Ich erinnere mich lebhaft an jenen Abend als wir im Garten saßen und ich Dir erzählte, wie ich das Tao erlernt habe.
Wie ich im Alter von 15 Jahren als Kurtisane an den Hof von Ming Tzu geschickt wurde und so in seine Hände fiel. Es hatte Jahre gebraucht bis ich die Kunst gelernt hatte, mich vor ihm zurückzuziehen. Rückzug nicht vor seinen Händen sondern von der Aufmerksamkeit auf seine Hände. Aus Furcht und Abscheu erwuchs in mir Gleichgültigkeit und als er mich schließlich als Braut an den alten und grausamen Laotse verkaufte hatte ich ihm einen Sohn geboren und alles vergeben. Ich war im Einklang mit dem Fluß der Dinge und handelte nur, wenn es schien als würde die Harmonie dadurch größer.
Das war für Dich am schwersten zu begreifen, dass ich niemals Macht besaß weil mich nach ihr verlangte. Als ich die Akkupressur erlernte und sie anwendete, um Laotse ins Koma zu versetzen geschah das nicht, um ihn seiner Herrschaft zu berauben und mich an ihr zu erfreuen, sondern um seinem Königreich nach dem durch seine Grausamkeit verursachten Zusammenbruch Gleichgewicht und Gerechtigkeit zurück zu geben.

Erinnerst Du Dich dass Du, während ich von Frieden und vom Fluß der Dinge sprach, mit dem Finger die gestickten Muster meines Kleides, welches über meinen Knöcheln lag, entlangfuhrst? Ich fand Deine Berührung aufreizend aber ich brachte es nicht über mich, Deine Hand beiseite zu schieben. Außerdem schien etwas Deine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Du fragtest, warum man ein Frauenkleid mit Fledermäusen bestickte. Ich erklärte Dir, daß Fledermaus auf Chinesisch "pian fu" heißt und das gesprochene Wort "fu" auch das Wort für ein gutes Geschick ist und das Symbol für glückbringend. Du erwidertest, dass Fledermäuse Geschöpfe der Dunkelheit seien und ob ich glaubte, gutes Geschick in der Dunkelheit finden zu können. Wir lachten beide aber es war ein Körnchen Wahrheit in Deinen Worten. Wie Du wusstest saß ich Verse schreibend in von Kerzen erleuchteten Räumen während Du Dich draußen warst und die untergehende Sonne auf dem Pferderücken sitzend verfolgtest. Manchmal schien es, als wärest Du gänzlich Licht und ich nur Schatten.

Du warst eine schwierige Schülerin denn Du mit Deinen fremden Vorstellungen stelltest verwirrende Fragen. Du fragtest mich, ob das Tao Raum für die Liebe lässt und ich antwortete, wenn Liebe Begierde bedeute sei das nicht der WEG. Du erwidertest schroff:

"Lao Ma, ich glaube, dass Du zwar Frieden gefunden hast jedoch niemals Leidenschaft."

"Leidenschaft ist eine westliche Krankheit", sagte ich geringschätzig. "Dieses Verlangen und Händeringen ist eine Täuschung, geschaffen von Deiner Kultur, nicht von meiner."

"Hast Du niemals jemanden geliebt?"

Alles, was ich tun konnte war, mich selbst zu wiederholen: "Die Liebe von der Du sprichst ist eine Täuschung."

In Deiner barbarischen Einfachheit beharrtest Du: "Liebe ist so real wie dieser Baum." Und Du legtest Deine Hand auf das Holz. Ich hatte keine Antwort für Dich und um mich Dir zu entziehen begann ich wieder zu schreiben.

* * *

Ich beobachtete Lao Ma oft beim Schreiben ihrer Verse aber die Bilderschrift in der sie sie schrieb war mir ein großes Rätsel. Diese Menschen haben kein Alphabet! Sie malen mit Bambuspinseln und machen zackige kleine Kleckse in der Gestalt von Häusern oder Strichmännchen, mit Flügeln und Füßen. Die kleinen Kleckse bilden ein Muster und das Muster ist ein Wort oder Teil von einem Wort. Und die Schreiber malen die Muster in einer Reihe, von oben nach unten, in Zeilen die das Blatt von rechts nach links bedecken, wie blühende Weinreben die eine Wand herab hängen. Sie machen eine Kunst daraus, schreiben ihre Gedichte auf Bilder und sie achten genauso auf das Aussehen wie auf den Inhalt. Ich versuchte, ein paar von diesen gepinselten Bildern zu lernen, nur um Lao Ma eine Freude zu machen, aber ich vermurkste immer alles.

Ich wollte Lao Ma ein Geschenk machen und so ging ich eines Morgens mit einem Pinsel und Tinte in den Garten um die Wortbilder zu üben. Ich erinnere mich an die Weise in der das Sonnenlicht auf die Seite meines Gesichts fiel und mich wärmte als ich auf unserem Lieblingsplatz zwischen den Quittenbüschen saß. Ich übte fleißig, arbeitete an dem Schriftzeichen für Wasser, mit feinen seitlichen Schlägen des Pinsels anstatt den harten abwärts gerichteten Stichen. Auf gewisse Weise war es Lao Ma's Zeichen, welches ich malte - oder zu malen versuchte.
Ich hoffte, sie würde zu mir kommen und mir ihre neuesten Verse vorlesen oder sie schreiben oder einfach sprechen, aber das einzige Wesen, welches sich zu mir gesellte war die Katze Kiung. Sie kam erfreut aus einem blühenden Busch hervor und Blumenblätter steckten an ihrem pelzigen Kopf und Schultern als sie einen krummen Katzenbuckel machte und dann auf Zehenspitzen zu mir kam wie eine für den Frühling bekränzte Jungfrau. Sie putzte sich mit großer Aufmerksamkeit und schlängelte sich dann neben mich, legte eine neue Schicht Frieden über den bereits stillen Hain.
Aber auch wenn der Garten friedlich war, mein Gemüt war es nicht. Ich hatte fast die ganze Nacht über das, was Lao Ma gesagt hatte, nachgedacht und fühlte mich zwischen unseren beiden Denkweisen hin und her gerissen. Sie schien so voll Frieden zu sein, ihr Königreich blühte und war kultiviert - natürlich war das eine ehrbare Lebensweise. Warum nur war es für mich so schwierig, das Kämpfen aufzugeben? Wogegen kämpfte ich?

Ich hörte ein Geräusch hinter mir und wirbelte herum. Hätte ich eine Waffe getragen, der Narr, der da stand hätte sein Leben verwirkt gehabt. Aber es war nur der Eunuch Zheng Ha, der Schriftrollen aus Bambus bei sich trug, auf denen die Ausgaben des Haushalts aufgeschrieben waren. Er verbeugte sich höflich, schaute auf die Rolle auf der ich eine Sauerei mit Tinte veranstaltet hatte und sprach mit seiner weibischen Stimme:

"Ich sehe, dass die ehrenwerte Xena unsere Schrift übt. Du ehrst uns. Erlaube mir, Dir einen einfacheren Weg zu zeigen die Tinte zu gebrauchen."

Ich nickte schüchtern und gab ihm den Pinsel. "Du hast einfach zu viel Tinte für den Anfang", sagte er. "Und wenn Du das Schriftzeichen von oben nach unten und von rechts nach links zeichnest, werden die Striche nicht ineinander laufen. Hier, versuche es noch einmal", und er gab mir einen nahezu trockenen Pinsel. Zu meiner Überraschung erschien ein annehmbares Zeichen für "Wasser". Mit Zheng Ha's Hilfe schrieb ich "Erde" und "Himmel", "Mann" und "Frau". Ich war sehr zufrieden mit mir.

Ich sagte: "Zeig' mir das Zeichen für Tao."

"Ah ja. Lao Ma wird es gefallen wenn Du gelernt hast "Der Weg" zu schreiben. Aber es ist nicht schwierig wenn Du Dich daran erinnerst, dass er die Vorstellung von einfachstem Leben in einfachstem Ablauf ist. Schau' her, hier ist die Kuh." Der Pinsel zeichnete eine senkrechte rechteckige Form und zwei diagonale Linien darin. "Hier ist der Kopf mit den Hörnern." (Na ja, für mich sah es eher aus wie ein Dach mit zerbrochenem Schornstein.) "Und hier links ist der Strich für Bewegung". Er schrieb eine L-Form mit einem langen geschwungenen Fuß. "Du siehst, es ist nur das Wesen der Dinge, ein Tier, das einen gewundenen Weg entlangläuft."

"Was seid ihr Chinesen nur für merkwürdige Leute", sagte ich. "Ihr könnt nicht einmal ein einfaches Wort schreiben ohne eine Philosophie daraus zu machen!" Aber Zheng Ha's Erklärung hatte das Zeichen für mich lebendig gemacht und tatsächlich, ich schrieb es fehlerlos ab.

"Großartig," sagte Zheng Ha. "Jetzt hast du das Tao begriffen!" Dann fügte er hinzu: "Ich würde nicht wagen, euer schwieriges Griechisch zu schreiben."

"Oh, dann weißt du wer ich bin?"

"Ich weiß nur was Lao Ma mir anvertraute. Sie hat mir von deiner Herkunft erzählt aber nicht, warum du so unruhig und ärgerlich bist - und verbittert."

"Woher weißt du von meinen Gefühlen? Hast du mich beobachtet?"

"Nicht so wie du glaubst. Nicht heimlich oder mit böser Absicht. Ich weiß, dass Du wichtig bist für Lao Ma. Und was für Lao Ma wichtig ist, ist auch wichtig für ihren obersten Diener."

"Nun, ich bin unruhig vom Aufenthalt in diesem stillen Haus. Und ich bin böse wegen meiner Gebrechen. Ich merke daß die Leute mich beobachten wenn ich hinke und hinter meinem Rücken über mich lächeln oder schlimmer, mich bemitleiden. Ich bin verbittert wegen den Verletzungen, die meinen Beinen zugefügt wurden als ich wehrlos war."

"Ich bezweifle, dass die Leute mehr über dich lachen als über mich. Und verstümmelt wurde auch ich, als ich ein Junge von zehn Jahren war. Wenn ich darauf beharrt hätte, wäre ich verrückt geworden. Aber du kannst deine Lage akzeptieren, nicht aus Schwäche sondern aus....gesundem Menschenverstand. Du kannst dich damit drehen, wie ein Krieger sich bei einem Schlag nach seinem Körper dreht, eigne sie dir an und lasse sie Teil deiner Lebensabläufe werden. Ich habe meine eigene...... Unzulänglichkeit in dieser Weise genutzt. Ich habe weder Frau noch Kinder aber ich habe das Haus von Lao, das Vertrauen von Lao Ma und ich habe mich weit von der Stadt meiner Vorfahren entfernt."

"Ich habe gehört, dass ihr alle Verschwörer seid."

Zheng Ha lächelte. "Nun, vielleicht stimmt es. Aber Verschwörungen sind nur tückisch, wenn du kein Teil von ihnen bist. Aber die gewöhnliche Verschwörung betrifft deine Rettung und Erlösung. Ich glaube, das macht dich zu einer Mitverschwörerin, nicht wahr?"

Ich merkte, dass ich auch lächelte. "Nun, dann kannst du deine Verschwörung jetzt beenden. Ich musste vor Ming Tzu gerettet werden und das ist geschehen. Um Erlösung habe ich nicht gebeten."

"Vielleicht findet Lao Ma, dass dein Geist auch gerettet werden muß. Warum überläßt du ihn ihr nicht für eine Weile. Laß' sie deine Bürde erleichtern. Es ist deutlich, dass du Lao Ma liebst. Ich sehe das an der Art, wie du sie ansiehst.

Niemand im Haus würde es wagen, sie auf diese Weise anzusehen. Ich weiß nicht, warum sie es erlaubt. Vielleicht wünscht sie deine Liebe und setzt große Hoffnungen in sie."

Wir sprachen noch viel länger, da im Garten sitzend mit Kiung, die in der Sonne döste. Ich erinnere mich nicht mehr an alles, was wir sagten aber ich erinnere mich daran, wie das Gespräch endete. Zheng Ha sagte, ich solle eine Weile bleiben, Lao Ma's Botschaft hören und lernen "auf einem anderen Weg zu wandeln." Wenn ich von ihr bekommen haben würde, was sie mir geben wollte, sollte ich zurück in mein eigenes Land gehen.

Nach Hause? Zurück nach Griechenland auf meinen verdrehten Beinen? Zwei Jahre lang hatte ich nicht mehr an Amphipolis gedacht. Und ich war sicher, dass es niemals an mich gedacht hatte.

Zheng Ha ging fort, so graziös wie die Katze die ihm folgte und ich war, mit meinen Gedanken ringend, wieder alleine.

* * *

Inzwischen war es Mittag geworden und Lao Ma war noch immer nicht in den Garten gekommen. Ich wurde schläfrig von der Wärme und lehnte, müde geworden vom Kampf mit meinen Gedanken, meinen Kopf rückwärts gegen meinen Arm.
Meine Augen wanderten über den Himmel und zu dem Holztor hinüber, auf dem Kiung oft thronte. Ich bemerkte eine Fluse von ihrem langen Pelz, die sanft in der schwachen Brise wehte. Ich dachte: "natürlich, sie hinterlässt ja Flusen ihres luxuriösen Pelzes auf jedem Kissen im Haus, warum also nicht auch im Garten?" Ich war gerade dabei, meine Augen zu schließen als ich einen Vogel auf dem Tor sah. Er hüpfte auf dem Holz entlang, sammelte die Fluse feinen Katzenhaars mit seinem Schnabel und flog in einen Baum um sein Nest mit dem Pelz seines Todfeindes auszupolstern. Und seine Kücken würden von dem Mantel der Katze, die sie vielleicht eines Tages verschlingen würde, gewärmt werden. Vielleicht war es das, was Lao Ma mit dem Kreislauf der Dinge meinte.
Erfreut über meine neue Weisheit setzte mich wieder auf und sah noch mehr Katzenhaar im Gras. Ich dachte:" sie hat genug Schönheit übrig und sie hinterlässt sie überall. So wie Lao Ma." Plötzlich wollte ich bei ihr sein und ich rappelte mich auf um nach ihr zu sehen. Ich fand sie, als gerade dabei war, Wunder zu wirken.

Lao Ma war im Hof, in dem ein von Maultieren gezogener und einem jungen Mann geführter Wagen bis vor die Tür gefahren war. In ihm lag eine alte Frau, die wegen einer Lungenerkrankung schwach hustete. Lao Ma brachte sie in eine sitzende Haltung und legte ihre Hände auf den Rücken der Frau, berührte sie jedoch kaum. Wieder und wieder bewegte Lao Ma ihre Hände über den krummen Rücken und murmelte Worte der Zuversicht. Allmählich schien die Frau sich ein wenig aufzurichten und ihr Atem ging weniger schwer. Schließlich tat sie ein paar feuchte und laute Huster und nahm dann einen tiefen, reinen Atemzug. Ohne ein Wort kletterte sie dann vom Wagen, verbeugte sich höflich und verließ den Hof mit den Maultieren, dem Wagen und dem Jungen.

Dann humpelte ein Mann herbei, dessen eine Gesichtshälfte verbrannt war. Er trug ein wimmerndes, fröstelndes Kind, welches auch verbrannt war. Lao Ma nahm das Kind und hielt es fest, während sie mit der Hand über die verletzte Seite seines Körpers strich ohne es zu berühren. Sie küsste das Kind auf die Stirn und murmelte ihm etwas zu. Anfangs war die Veränderung kaum erkennbar und nur die Blasen schienen zu schrumpfen. Aber dann sah ich, wie die Rötungen anfingen zu verschwinden und als das Kind aufhörte zu wimmern, reichte Lao Ma es seinem Vater zurück. Der Vater, der offensichtlich selbst Schmerzen hatte, verbeugte sich dankbar und fragte sie, ob sie ihn auch heilen könne. Aber sie berührte ihn nur sanft an der Schulter und sagte ihm, er solle sich sauber halten damit die Wunden sich schließen können, weiter könne sie ihm nicht helfen.
Als Vater und Kind den Hof verließen, fragte ich Lao Ma: " Wie entscheidest du, wen du heilst? Heilst du nur die, die es wert sind?" Ihre Antwort überraschte mich und nach alldem, was ich gerade gesehen hatte, war ich nicht sicher, ob ich ihr glaubte:

"Nein, ich kann nicht jeden heilen. Nur diejenigen, die sich selbst schon halb geheilt haben, diejenigen, die sich in Harmonie und Gleichgewicht befinden. Diese kann ich auf dem Weg ein wenig weiter bringen. Der Vater konnte nicht von mir geheilt werden. Er war verbittert und verzweifelt weil er seine Frau verloren hat und bald wird er das Kind verkaufen, weil er nicht arbeiten kann. Aber das Kind selbst war innerlich friedlich, ahnungslos bezüglich der Schwierigkeiten, die vor ihm liegen und ich konnte es zu sich selbst zurück bringen."

Meine nächste Frage war vorhersehbar: "Wirst du meine Beine heilen?"

"Das kann ich nicht."

"Du meinst, du willst nicht."

"Nein. Ich kann es nicht. Du bist nicht bereit. In dir ist zu viel zerbrochen und in Zorn verstrickt."

"Wann werde ich bereit sein?"

"Ich weiß es nicht."

* * *

An diesem Abend ritt ich rasend vor Enttäuschung auf dem Hengst Tai Feng. Ein heller Mond beschien den Weg und so ritt ich bis tief in die Nacht, kehrte nicht zum Abendessen zurück. Auf Tai Feng fühlte ich mich kraftvoll und es verlockte mich sehr, weiter zu reiten. Leicht hätte ich einen Bauern töten und an Futter nehmen können was ich brauchte. Und ich hätte einen Soldaten töten können, um seine Waffen zu nehmen. Und währenddessen konnte ich die Angelegenheiten mit Ming Tzu regeln und dann zurück in die Steppe reiten. Es gab nichts, was mich hätte aufhalten können. Gar nichts. - Nur eine Frau, die in Rätseln sprach......

Der Gedanke an sie beraubte mich meiner mörderischen Absicht und brachte mich langsam dazu, anzuhalten. Mit dem undeutlichen und beunruhigenden Gefühl dass es da eine unerledigte Sache gab, wendete ich das Pferd und ritt zurück zum Palast.

Als ich ankam, hörte ich Geräusche, die aus dem Stall kamen. Ich stieg draußen vom Pferd, schlüpfte hinein und sah im Licht einer Laterne Liu Ling mit einem der Dienstmädchen. Sie saß auf einem Hafersack und spreizte die Beine als er sich zwischen sie legte und grunzend in sie stieß. Sie hatte mir das Gesicht zugewendet aber ihre Augen waren geschlossen und was ich gehört hatte, waren die Schreie ihrer Lust gewesen.
Ich sah für einige Minuten zu und erinnerte mich an Borias und so sehr ich ihn hasste, so dringend sehnte ich mich nach ihm, als ich mich an uns zusammen auf dem Pferderücken erinnerte. Ich ließ die jungen Liebenden ungestört und kroch ins Haus, in mein Bett. Ich schlief ein, während ich meine Einsamkeit und Lao Ma als diejenige, die daran schuld war, hasste. Ich träumte natürlich von Sex, jedoch nicht draußen in der Steppe sondern unter Wasser. Mein Liebhaber stieß in mich aber es war nicht Borias. Sondern jemand in Seide...

weiter zu Teil 3