FANWORK > Fanfiction > Xenina - Das Gottesurteil Teil 6

Disclaimer: Siehe Teil 1

Xena die Kriegerprinzessin
Das Gottesurteil Teil 6

By Xenina

CVI

Mit dem blanken Schwert in der Hand und einem schrillen Kriegsschrei auf den Lippen trat Xena die Tür zu dem Zimmer auf, das sie mit Gabrielle teilte, bereit, es mit jedem aufzunehmen, der ihrer Freundin auch nur ein Haar krümmen wollte.
Der Anblick, der sich ihr bot, verschlug ihr jedoch den Atem und sie ließ ihre Waffe mit lautem Klirren zu Boden fallen: Gabrielle saß tränenüberströmt in ihrem Rollstuhl am Fenster und starrte wie hypnotisiert nach unten. Als Xena hereinstürmte, blickte sie mit einem fassungslosen Ausdruck im Gesicht zu ihrer Freundin auf und zeigte wortlos auf ihre Füße.
Die Decke war von Gabrielles Beinen gerutscht und Xenas Blick folgte dem der Bardin um an deren bloßen Füßen hängen zu bleiben. Da öffnete sich Xenas Mund in grenzenloser Überraschung und die Augen schienen ihr aus dem Kopf fallen zu wollen: Gabrielle saß da und wackelte mit ihren nackten Zehen!

CVII

Mit zwei schnellen Schritten war Xena bei der kleinen Bardin, ließ sich vor dem Rollstuhl auf die Knie fallen und berührte Gabrielles Füße ungläubig mit dem Zeigefinger. Tatsächlich: sie bewegten sich! Xena strahlte über das ganze Gesicht als sie zu Gabrielle aufschaute und flüsterte: "Gabrielle! Sie bewegen sich! Deine Füße bewegen sich! Aesculap sei Dank!" Gabrielle nickte heftig und sagte mit bewegter Stimme: "Ja, Xena, es ist ein Wunder! Ich kann meine Beine und Füße wieder fühlen und bewegen!"
Dann stützte sich die aufgeregte Bardin mit der Hand auf die Schulter der vor ihr knienden großen Frau, stemmte sich in die Höhe und stand schwankend auf unsicheren Beinen da. Xena griff nach Gabrielles Händen um ihr Halt zu geben und erhob sich ebenfalls. Die Freundinnen standen einander gegenüber und sahen sich tief in die vor Freude leuchtenden Augen. Dann machte Gabrielle einen wackeligen Schritt auf Xena zu und sank in die Arme der Kriegerprinzessin. Xena drückte die kleine Bardin fest an sich, schmiegte die Wange in ihr blondes Haar und beide Frauen weinten vor Erleichterung und Freude. Ein im Zimmer stehender Betrachter hätte den Umriß der beiden vor dem Fenster stehenden Gefährtinnen im Gegenlicht leicht für ein einziges Lebewesen halten können……
Als sie sich ein wenig beruhigt hatten, hob Gabrielle den Kopf und löste ihre Arme von Xenas kräftigem Hals. Freudentränen hingen in ihren dichten Wimpern als sie verlangte: "laß' mich versuchen, ein Stückchen zu gehen." Bereitwillig nahm Xena eine Hand Gabrielles um ihr zu helfen und die Bardin tat ein paar vorsichtige Schritte. Sie ging zwar wie auf Eiern, aber sie ging! Xena konnte mit dem Lächeln gar nicht mehr aufhören als sie sagte: "deine Beine sind noch schwach, weil du sie so lange nicht benutzt hast. Sie werden aber bald wieder so kräftig wie früher sein!" Gabrielle nickte und strahlte Xena an.

CVIII

Auch in der Schankstube war die Freude groß, als Gabrielle schließlich von Xena gestützt auf zittrigen Beinen die Treppe herunter gestakt kam. Einen Moment lang herrschte verblüfftes Schweigen, dann jubelten und applaudierten die Leute. Der Wirt stürzte aus der Küche herbei um zu sehen was es gab und ergriff schnell Gabrielles andere Hand, um sie und Xena zu einer eilig geräumten Bank in der Mitte des Raumes zu geleiten. Als die Bardin sich vorsichtig setzte, wischte auch er sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.
Nun wurde ein Fest vorbereitet, wie die Gegend lange keines mehr erlebt hatte! Der Wirt holte seinen besten Wein aus dem Keller und die erlesensten Köstlichkeiten aus seiner Speisekammer. Innerhalb einiger Stunden hatte er ein üppiges Mahl bereitet. Inzwischen hatte sich die gute Nachricht wie ein Lauffeuer in der Umgebung verbreitet und gegen Abend strömte alles zur Herberge um bei dem Freudenfest dabei zu sein. Die Leute brachten ihrerseits Getränke und Esswaren aller Art mit denn schließlich wollte man dem guten Wirt nicht die Haare vom Kopf fressen. Da das Wetter ungemütlich war, musste man drinnen feiern und der Schankraum war brechend voll. Aber das störte niemanden.
Und dann wurde geschlemmt und gefeiert, was das Zeug hielt! Die Hauptperson des Festes war natürlich Gabrielle und sie saß überglücklich neben Xena im Gedränge, nahm mit leuchtenden Augen und offenem Herzen auf, was rings um sie vorging und prägte sich alles ein um es später auf einer ihrer Schriftrollen für die Ewigkeit festzuhalten. Das Leben hatte sie wieder und sie konnte sich nicht daran erinnern, je zuvor so glücklich gewesen zu sein! Xena erging es ähnlich. Erfüllt von Liebe und überströmendem Glück hob sie ihren Becher mit dem allerbesten Wein des Wirts und trank der Freundin zu: "Auf deine Gesundheit, Gabrielle! Ganz besonders auf die deiner Beine!" Gabrielle stieß schwungvoll mit Xena an: "Zum Wohl, Xena! Auf meine Beine - und unsere ewige….. Freundschaft!" Mit diesen Worten sah sie der Kriegerin tief in die Augen so dass es diese heiß überlief. Dann widmete sich die blonde Bardin hingebungsvoll wieder einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen: gut und reichlich zu essen.
Natürlich war auch der Schmied zu dem Fest gekommen und er war sicherlich die drittglücklichste Person im Raum, denn außer der großen Freude über Gabrielles Genesung fühlte er auch die Last seines großen Schuldgefühls von seinem Herzen genommen. Etwas angeheitert stieg Xena irgendwann die Treppen hinauf und kam mit Gabrielles Rollstuhl zurück. Sie bahnte sich einen Weg durch das Gedränge der Gäste und stellte den Stuhl vor dem Schmied auf den Boden. Laut sagte sie:" hier hast du deinen Rollstuhl wieder. Er ist ein tolles Ding aber Gabrielle braucht ihn nun nicht mehr! Vielleicht kannst du ihn einem anderen Menschen geben, der nicht so viel Glück hatte wie sie. Danke noch mal dafür, auch von Gabrielle!" Xena sah über die Köpfe der Leute hinweg zur Bardin hinüber und die nickte dem Schmied zu als ahne sie, was Xena gerade zu ihm gesagt hatte.
Das Fest ging bis tief in die Nacht und kaum jemand war noch nüchtern als er den Weg nach Hause antrat. Das traf auch auf die beiden Freundinnen zu und Xena hatte Mühe, sich und die nicht nur vor Schwäche in den Beinen schwankende Gabrielle die Treppe hinauf zu bugsieren. Wirklich Zusammenhängendes brachte keine von beiden mehr hervor und als sie nach mehreren Anläufen endlich den Engpaß der Zimmertür bezwungen hatten, fielen sie auf das Bett ohne sich auszuziehen und schnarchten beinahe augenblicklich, eine geräuschvoller als die andere.

CIX

Spät am nächsten Morgen erwachte Xena wie immer zuerst. Stöhnend fasste sie nach ihrem schmerzenden Schädel: so gut der Wein, den sie am Vorabend genossen hatten, auch gewesen war, sie hatte eben einfach zuviel davon getrunken. Dann fiel der Kriegerin der Grund für ihre Zecherei ein: Gabrielle war wieder vollkommen gesund!
Behutsam, um ihren gemarterten Kopf nicht zu sehr zu erschüttern drehte Xena sich auf den Bauch und sah die schlafende Bardin an. Die Sonne schien Gabrielle voll ins Gesicht, aber dieses Mal hatte Helios keinen Erfolg mit seinen Bemühungen, sie zu wecken. Der Mund der Blonden stand leicht offen und ein sanftes Schnarchen drang daraus hervor. Ihre kurzen Haare waren zerwühlt und standen in alle Richtungen ab und vom reichlich genossenen Wein war ihr Gesicht immer noch gerötet. Gewiß hatte Xena die Freundin schon oft attraktiver gesehen aber an diesem Morgen konnte sie sich nicht daran erinnern: die schnarchende Bardin schien ihr der schönste Mensch unter der Sonne zu sein!
Vorsichtig hob Xena die Decke an, unter der Gabrielles Beine verborgen waren und schlug sie ein Stück beiseite. Sinnend betrachtete die Kriegerprinzessin eine Weile die Gliedmaßen, die wieder genauso bewegungslos dalagen wie in den vergangenen Tagen und Wochen. In ihre blauen Augen trat der Schalk als Xena dachte: "da liegen sie wieder so stocksteif herum. Wollen doch mal sehen, ob immer noch Gefühl in ihnen steckt!" Und sie kitzelte die friedlich Schlafende unter der Fußsohle.
Mit lautem Aufkreischen fuhr Gabrielle senkrecht in die Höhe um dann zusammen zu zucken und sich mit beiden Händen an den Kopf zu greifen: "oh ihr Götter! Was ist bloß mit meinem edelsten Teil passiert? Es fühlt sich an, als würden darin tausend Dämonen mit eisernen Kugeln um sich werfen!" "Guten Morgen, Gabrielle! Wünsche wohl geschnarcht zu haben!" begrüßte Xena die Freundin munter und verbarg erfolgreich ihren eigenen desolaten Zustand. "Xena! Oh du……" schrie Gabrielle und warf trotz ihrer Kopfschmerzen ein Kissen nach der lachenden Kriegerprinzessin.

CX

Dann lagen die beiden Frauen Seite an Seite noch ein Weilchen da, genossen die Sonne auf ihren Gesichtern und unterhielten sich. Gabrielles Blick fiel auf den Fensterrahmen, an dem noch immer die Spur von Xenas Schwert zu sehen war und sie sagte: "Hey, Xena! Als ich damals aus dem Koma aufgewacht bin, hat dein Schwert in dem Fensterrahmen da gesteckt und du wolltest mir nicht sagen, wie es dort hingekommen ist. Wäre dir der jetzige Zeitpunkt vielleicht dafür genehm?" Xena ging nicht auf den neckenden Ton der Freundin ein sondern sah diese mit einem plötzlich düsteren Gesicht so ernst an, dass Gabrielle einen Schreck bekam: "Was ist los, Xena? Stimmt was nicht? Komm' schon, sag' es mir!"
Xena seufzte, nur sehr ungern erinnerte sie sich an diese dunkle Stunde. Aber sie bemerkte, dass Gabrielle von ihrer ernsten Miene beunruhigt war und so blieb ihr nichts anderes übrig, als der Bardin reinen Wein einzuschenken.
"Na gut. - Als du damals im Koma gelegen hast und ich bei dir Wache hielt, stellte ich mir vor, wie es für dich sein müsste wenn deine Beine für den Rest deines Lebens gelähmt bleiben würden - falls du überhaupt noch einmal aufwachen würdest. Ich musste daran denken, was du alles nicht mehr würdest tun können und es zerriß mir beinahe das Herz. In meiner Verzweiflung glaubte ich, dass es vielleicht besser wäre, du wärest……." Xena senkte den Blick " …. du würdest das nicht erleben. Ich nahm mein Schwert und…." Die Kriegerin stockte erneut. Gabrielle vollendete leise den Satz: "du wolltest mich töten……" jetzt sah die Kriegerin die Freundin an und in ihren eisblauen Augen stand ein solcher Schmerz, dass es Gabrielle die Sprache verschlug. "Ja!" stieß Xena heftig hervor. "Ich wollte dich töten um dir die Qual eines Lebens ohne gesunde Beine zu ersparen!" Es entstand eine Pause.
"Und? Warum hast du es nicht getan?" fragte Gabrielle dann leise und unendlich sanft. Xena drohte die Fassung zu verlieren. Sie versuchte, den Kloß herunter zu schlucken, der ihr im Hals zu sitzen schien und sagte gepresst: "Ich stand schon mit dem Schwert in der Hand über dir, aber ich konnte es nicht! Ich kann nicht ohne dich leben, Gabrielle! Du bist mein Licht und meine Freude! - Ich ……." Doch Xena brachte es nicht fertig, den Satz so zu Ende zu bringen, wie sie es vorgehabt hatte. Stattdessen wurde sie rot im Gesicht und wich aus: "Ich stellte mir vor, dass wir vielleicht ein Fleckchen Land mit einer Farm haben könnten, irgendwo an einem schönen Ort in Griechenland, und wie wir dort trotz allem glücklich miteinander leben würden: du würdest in deine Schriftrollen schreiben und eine berühmte Dichterin werden und ich würde mich um die Farm kümmern und für dich sorgen. Da warf ich erleichtert das Schwert weg und es blieb zufällig im Fensterrahmen stecken."
Als Xena geendet hatte, sah Gabrielle die Freundin eine ganze Weile nachdenklich an. Dann nickte sie langsam und meinte: "wir wären bestimmt glücklich miteinander geworden auf unserer kleinen Farm, Xena. Ich bin froh, daß ich lebe, wenn ich nur bei dir sein darf, wo und wie auch immer - auch wenn es in letzter Zeit vielleicht nicht so ausgesehen hat. Aber ich danke dir dafür, daß du bereit gewesen wärst, mich von meinen Qualen zu erlösen zumal ich weiß, daß das für dich das allergrößte Opfer bedeutet hätte….." Xena brachte kein Wort hervor und in ihre Augen traten Tränen. Gabrielle streichelte sachte die verkrampfte Hand der Kriegerin und sagte: "weine nicht! Ich lebe doch und bin völlig gesund, meine Beine sind wie neu! Wir sind zusammen und werden gemeinsam noch viele Abenteuer bestehen. Es ist alles gut, Xena! Wir sollten uns freuen!" Unter Tränen lächelte die Kriegerin die Bardin an und nickte.

CXI

Obwohl die Menschen, allen voran der Wirt, hier so freundlich und hilfsbereit zu ihnen gewesen waren, hatte Xena nur noch einen Wunsch: so schnell wie möglich diese Gegend, in der sie und Gabrielle so viel durchlitten hatten, zu verlassen! Und so sagte sie zu der Bardin: "Gabrielle, ich würd' gerne mit dir von hier verschwinden, sobald deine Beine es erlauben. Ich brauche Abstand von all diesen schrecklichen Ereignissen und möchte mir wieder mal den Wind um die Nase wehen lassen." "Und in Schlammpfützen schlafen. Oh wie sehr hab' ich das vermisst!" ergänzte Gabrielle und zog eine Grimasse aber sie verstand sehr gut, wie ihre Freundin empfand und stimmte ihr zu.
Die beiden überlegten nun, wohin sie ihre Schritte lenken sollten, wenn sie wieder unterwegs waren. Gabrielle sagte: "ich würde sehr gerne Hippokrates persönlich dafür danken, daß er mir mit seiner Bluttransfusion das Leben gerettet hat. Ob er wohl noch in Athen ist?" Xena meinte: "soweit ich weiß, will er den Winter dort verbringen und irgendwelche Forschungen an der Universität betreiben. Wenn du möchtest, gehen wir ihn besuchen, es ist ja nicht allzu weit." Und so beschlossen sie, daß ihr Weg sie erst einmal in die Hauptstadt führen würde. Danach würden sie sich nach Süden wenden um den Winter dort zu verbringen, wo das Wetter milder war.

CXII

Es dauerte noch einige Zeit, bis Gabrielles Beine so kräftig waren, daß sie sie wieder uneingeschränkt gebrauchen konnte. Aber sie trainierte eifrig ihre Muskulatur während Xena nun auch ihre Ausrüstung wo nötig für sie flickte und erneuerte. So bald wie möglich durchstreiften die beiden auf Argo die Gegend um Gabrielles Beine auch wieder an das Reiten zu gewöhnen. Die honigfarbene Stute war zwar wie immer nicht gerade begeistert von ihrer doppelten Last aber letztendlich doch froh, daß alles wieder beim Alten war. Sie war eben ein Gewohnheitstier.
An einem strahlend schönen Morgen war er schließlich gekommen, der Tag der Abreise! Die Sonne lachte vom Himmel und es versprach noch einmal richtig angenehm warm zu werden. Xena blähte die Nasenlöcher und sog gierig die frische, würzige Luft in ihre Lungen. Endlich ging es wieder los!
Der Abschied vom Wirt, dem Schmied und all den anderen war herzlich und die beiden Frauen waren natürlich eingeladen, wieder in der "Herberge zur reisenden Amazone" einzukehren, wenn sie zufällig in der Nähe wären und versprachen gerne, bei Gelegenheit wieder einmal vorbeischauen. Sie dankten dem Wirt für seine weit über das übliche Maß hinausgehende Gastfreundschaft und während Xena schon auf's Pferd stieg, überreichte Gabrielle sowohl ihm als auch dem Schmied eine Schriftrolle mit selbstverfassten Gedichten, worüber sich die beiden Männer ungeheuer freuten. Dann ließ sich die Bardin von Xena hinter diese auf Argos Rücken ziehen, schlang einen Arm um den lederbekleideten flachen Bauch der Kriegerin und hob den anderen zum Abschiedsgruß, als Xena Argo zuschnalzte und sich die Stute in Bewegung setzte.
Lange sahen die zum Abschied gekommenen Bewohner der Gegend, allen voran der Wirt, den beiden Reiterinnen nach; so lange, bis sie ihren Blicken fast entschwunden waren. Keiner von ihnen würde die beiden so innig befreundeten Frauen vergessen: weder die große, starke Kriegerin mit den leuchtendblauen Augen unter den schwarzen Ponyfransen und der stolzen Haltung noch deren kleine Gefährtin, die blonde, grünäugige Bardin mit ihrem warmen Lächeln und dem guten Herzen, die mutig ihr Leben riskiert hatte um das ihrer Freundin zu retten. Noch Generationen später würde man hier von den beiden erzählen ebenso wie von Cäsar, Achillaeus Maximus, Naraja und all den dramatischen Ereignissen der letzten Zeit.

CXIII

Die beiden Freundinnen waren froh, endlich wieder unterwegs zu sein und auch Argo schritt so munter aus als wäre ihr die lange Muße im Stall und auf der Wiese, nur unterbrochen von ein paar kürzeren Ausritten, allmählich langweilig geworden. Xena trieb die Stute zu einem leichten Galopp und es war herrlich, den kühlen Wind im Gesicht zu spüren und die Landschaft vorbei fliegen zu sehen.
Als sie wieder gemächlicher unterwegs waren, meinte Xena: "Komisch ….. in diesem Abenteuer - falls man das, was wir in letzter Zeit erlebt haben, überhaupt so nennen kann - warst du diesmal die Heldin, Gabrielle!" "Wieso komisch? Ich bin meistens die Heldin, aber leider fällt dir das nur selten auf!" entgegnete Gabrielle entrüstet. Doch Xena war nicht zum Scherzen aufgelegt. "Nein, wirklich, Gabrielle! Du hast mir das Leben gerettet!" Gabrielle erwiderte nun auch in ernstem Ton: "du mir meins aber auch: ohne dein Blut wäre ich gestorben ….." Dann fügte sie versonnen hinzu: " in meinen Adern fließt dein Blut …. Jetzt sind wir noch mehr miteinander verbunden!" Sie streichelte Xenas Oberarm. Die Kriegerprinzessin nickte und sah Gabrielle kurz an, ließ sich aber nicht vom Thema abbringen: "und ich habe nicht ein einziges Mal gekämpft! Nicht ein bisschen!" Da schmiegte Gabrielle ihre Wange an Xenas Schulter und sagte leise: "oh doch, Xena! Und wie du gekämpft hast! Nur eben anders als sonst. Dieses Mal hast du nicht nur um mein Leben sondern auch mit dir und gegen dich gekämpft. Und so weit ich es beurteilen kann, bist du genauso siegreich aus diesen Kämpfen hervorgegangen wie aus allen anderen zuvor!" Xena errötete vor Freude über dieses Lob und sagte verlegen: "na ja, wenn du es so sehen willst ….. Aber eins kann ich dir sagen: ich hab' diesmal ganz schön viele Narben davongetragen!" "Das glaub' ich dir!" murmelte Gabrielle leise.
Sie waren den ganzen goldenen Herbsttag lang unterwegs. Entweder ritten sie auf Argo oder liefen neben der Stute her, um sie zu schonen. Alles war wie gewohnt und die beiden Gefährtinnen hatten ausnehmend gute Laune.
Irgendwann führte ihr Weg Xena und Gabrielle durch einen lichten Wald aus Eichen und Kiefern, durch deren Wipfel die Sonne wärmende Strahlen auf den torfigen Waldboden sandte. Die glänzende Laune der beiden Freundinnen steigerte sich noch, als Gabrielle am Wegrand schmackhafte Pilze entdeckte. "Schau' mal, Xena, Steinpilze!" rief die Bardin erfreut und Xena lief das Wasser im Munde zusammen. "Hier, nimm diesen Beutel, Gabrielle und sammle alle ein die du finden kannst. Ich werde uns ein Kaninchen jagen. Dann gibt es zum Abendessen Kaninchen vom Spieß mit Steinpilzen! Was hältst du davon?" Die Kriegerin warf der begeisterten Bardin einen Stoffbeutel zu und band Argos Zügel an einen Busch um sich auf die Pirsch zu begeben. Die Stute knabberte eifrig an den Zweigen während die beiden Frauen sich hingebungsvoll um die Beschaffung ihres Abendessens bemühten.

CXIV

Nachdem sie ihre Abendmahlzeit erjagt und gesammelt hatten, zogen Xena und Gabrielle nur noch ein kleines Stück weiter um eine Stelle zu finden, an der sie ein bequemes Nachtlager aufschlagen konnten. Bald hatten sie ein Stück vom Weg entfernt einen geeigneten Platz in Gestalt einer kleinen, mit einem dicken Teppich aus weichen Kiefernnadeln bedeckten Lichtung gefunden, an deren Rand sogar ein kleiner Bach plätschernd sein klares Wasser vorbei führte. Xena sammelte Holz und entfachte ein Feuer und die Bardin breitete ihre Schlaffelle und Decken nebeneinander auf dem Waldboden aus. Danach machte die Kriegerprinzessin sich an die Zubereitung des fetten Kaninchens während Gabrielle die Pilze putzte und in ihre alte Bratpfanne schnitt. Im letzten Schein der rotgoldenen Abendsonne aßen die Gefährtinnen dann in andächtigem Schweigen ihr köstliches Mahl und stießen lediglich hin und wieder genussvolle Laute aus.
Das Essen hatte wirklich hervorragend geschmeckt und war außerdem so reichlich gewesen, daß die Bäuche der Freundinnen wohl gefüllt waren. Jetzt saßen sie nebeneinander auf ihrem Baumstamm, tranken genießerisch einen Becher von dem ausgezeichneten Wein, den der Wirt ihnen mitgegeben hatte und sahen in die Flammen ihres Feuers, während die Dämmerung auf sie herabsank.
Xena fühlte sich so wohl wie schon lange nicht mehr. Ihr Herz war leicht und froh und erfüllt von Liebe zu der neben ihr sitzenden Gabrielle. Auch die Bardin war glücklich und zufrieden und sich der körperlichen Nähe von Xena deutlich bewusst… Beinahe hatte sie das Gefühl, als strahle der große Körper der Kriegerin eine angenehme Wärme aus, die bis zu ihr drang, obwohl sie sich nicht berührten. Unwillkürlich rutschte sie ein Stück näher an die Freundin heran.
Xena bemerkte diese Bewegung Gabrielles und fühlte sich dadurch ermutigt, der Bardin endlich zu erzählen, wie es gefühlsmäßig wirklich um sie stand. Sie nahm der erstaunten Freundin den Becher aus der Hand und stellte ihn mit ihrem zusammen beiseite. Dann nahm sie die Hände der Bardin in die eigenen, deren plötzliches Zittern sich kaum verbergen ließ. Gabrielle sah Xena erstaunt an: "Xena! Was hast du denn? Waren die Pilze vielleicht nicht in Ordnung?" Die hellen Augen der Kriegerin reflektierten den Feuerschein. "Keine Sorge, Gabrielle, sie waren völlig in Ordnung. Aber ich möchte dir endlich etwas sagen, was mir schon sehr lange auf dem Herzen liegt." Gabrielles Herz fing plötzlich an, schneller zu schlagen ohne daß sie sich erklären konnte, warum. Mit belegter Stimme sagte sie: " Nur zu, Xena."
Die dunkelhaarige Frau holte tief Luft und begann in nüchternem Ton: "Erinnerst du dich noch an Platons Mythos von den Kugelmenschen, den du mir vor einiger Zeit vorgelesen hast?" Gabrielles Herz klopfte noch schneller. Leise sagte sie: "Na klar! Wie könnte ich wohl eine solche Geschichte vergessen?" Xena räusperte sich und fuhr fort: "In diesem Mythos heißt es, daß die beiden Hälften eines Kugelmenschen danach streben, durch Nähe und Verschmelzung mit dem Geliebten, also der anderen Hälfte, wieder miteinander eins zu werden." Gabrielle hielt den Atem an und fühlte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Für Xena aber war es jetzt, wo sie den Einstieg gefunden hatte, auf einmal gar nicht mehr so schwer, fortzufahren. Ohne den Blick von Gabrielles Gesicht zu wenden sagte sie: "wir beide wissen ja schon lange, daß wir Seelenverwandte sind: daß wir für immer zusammen gehören und unsere Seelen eins sind, nicht wahr?" Gabrielle nickte wortlos. Da gestand Xena leise: "die Geschichte von den Kugelmenschen hat mir aber noch etwas klargemacht, was ich schon lange fühle, mir aber nie eingestanden hab': Gabrielle, du weißt ja, daß ich dich liebe! Aber ich liebe dich mit allem was ich bin, also nicht nur geistig und seelisch, sondern auch ……. körperlich. Du bist meine zweite Hälfte und ich wünsche mir auch durch …… größtmögliche Nähe und ….. Verschmelzung mit dir eins zu werden ….."

CXV

Xena schluckte. Nun war es endlich heraus! Aber plötzlich bekam die Kriegerin es doch mit der Angst zutun. Was, wenn Gabrielle sich nun von ihr abwandte weil ihr nicht behagte, von Xena nicht nur geliebt sondern auch begehrt zu werden? Ängstlich forschte die Kriegerprinzessin in den von der Nacht umschatteten Augen der sprachlosen Freundin. Weil es aber ziemlich dunkel war, konnte sie den Ausdruck darin nicht recht deuten. "Gabrielle ……….?" fragte Xena unsicher. Da schlangen sich zwei weiche Arme um ihren Hals und warme Lippen pressten sich leidenschaftlich auf die ihren und raubten ihr fast den Atem……..
Nach diesem ersten langen Kuß löste Gabrielle sich von der Kriegerin und sagte seufzend: "ach Xena! Wenn du wüsstest, wie lang' auch ich mich schon danach gesehnt habe! Ich liebe dich!" Xena dachte unwillkürlich: "so ist es wohl im Elysium!" Schöner konnte es dort jedenfalls nicht sein! Unfähig, etwas zu sagen nahm sie Gabrielles Gesicht in ihre Hände und bedeckte es mit stürmischen Küssen, die erneut auf den Lippen der Bardin ihr Ziel fanden.
Dann ergriff Gabrielle Xenas Hand. "Komm'," sagte sie heiser und führte die Kriegerin zu ihrem Schlaflager. Dort ließ sie sich rücklings auf die Felle sinken und zog Xena mit sich. Als sie das Gewicht des großen Körpers auf dem ihren spürte während die kräftigen Hände der Kriegerprinzessin sanft über ihre Haut glitten und geschickt den Verschluß ihres Oberteils lösten, hörte für Gabrielle der Rest der Welt auf zu existieren…..

CXVI

Nach einer langen leidenschaftlichen Nacht unter den Sternen schlief das frisch gebackene Liebespaar eng umschlungen bis weit in den neuen Tag hinein. Die Waldvögel sangen in den sonnendurchfluteten Wipfeln ihre endlosen Lieder während Eichhörnchen über die Lichtung huschten, nach Nahrung suchten und sich neugierig den Schlafenden näherten. Aber die beiden unter ihren Decken rührten sich nicht.
Schließlich erwachte Xena wie immer zuerst. Einen Moment lang wusste sie nicht, wo sie sich befand, aber dann fühlte sie Gabrielles splitternackten warmen Körper eng an dem ihren und ihr fiel alles wieder ein. Es überlief sie heiß und ein seliges Lächeln umspielte ihre Lippen. Eine Welle von Glück durchflutete die Kriegerin. Still lag sie da und fühlte bewusst jeden Zentimeter ihres Gabrielle berührenden Körpers.
Etwas später erwachte auch die Bardin und drückte schlaftrunken ihr Gesicht an Xenas Brust. Deren Atem wurde schwer. Dann tauchte ein zerzauster, blonder Kopf unter den Decken hervor und ein paar vertraute, grüne Augen sahen die Kriegerprinzessin plötzlich sehr wach und leidenschaftlich an………
Weitere Stunden waren vergangen, als Xena und Gabrielle endlich aufstanden, sich gegenseitig im erfrischend kalten Wasser des Baches wuschen und ausgiebig frühstückten - beide hatten einen Bärenhunger.
Dann brachen sie endlich auf und verließen den Platz, der Zeuge ihrer ersten Liebesnacht geworden war, um auch an diesem Tag gemächlich noch ein Stück des Weges nach Athen zurück zu legen. Sie bedauerten es nicht, den schönen Ort zu verlassen denn sie waren ja zusammen und nur darauf kam es schließlich an!

CXVII

Hand in Hand gingen die beiden Frauen nebeneinander her, Argo trottete von Xena geführt langsam hinter ihnen. Nach einer Weile sah Gabrielle zu ihrer großen Geliebten auf und brach das einträchtige Schweigen: "weißt du, was ich manchmal denke, Xena?" Die Kriegerin sah ihre Bardin schalkhaft an: "nun, wie ich dich kenne, wirst du mir das sicher gleich mitteilen." Sie erntete einen Stoß von Gabrielles Ellenbogen, dann sagte diese: "manchmal habe ich das Gefühl, daß wir nur Figuren in einer Geschichte sind, die sich irgendein verrückter Gott -oder eine Göttin, ja, ich glaube, es ist eher eine Göttin - da oben im Olymp ausdenkt, um die anderen Götter damit zu unterhalten." Xena musste bei dieser Vorstellung grinsen aber Gabrielle ließ sich nicht beirren: " und diese grausame Göttin lässt ihre Charaktere zittern, bangen, bluten und leiden nur damit die anderen Götter es spannend finden!" Xena lachte: " da bin ich aber froh, daß mich deine Barden-Göttin nicht auch noch auf die Suche nach Eli geschickt hat! Immerhin lässt sie uns jetzt zur Abwechslung auch mal glücklich sein." Und sie drückte Gabrielles Hand. Gabrielle sah die Freundin belustigt an: "freu' dich bloß nicht zu früh, Xena! Vielleicht finden die anderen Götter es ja gar nicht so interessant, wenn es uns einfach mal nur gut geht und die Erzählerin ersinnt bereits eine neue aufreibende Geschichte!" Die Kriegerin hob ihre linke Augenbraue: "bloß nicht! Sie könnte doch auch mal andere Hauptdarsteller nehmen und uns eine Weile unser wohlverdientes Glück genießen lassen, oder?" Mit diesen Worten blieb Xena stehen, drückte Gabrielle fest an sich und gab ihr einen langen Kuß.
Danach sagte sie: "na ja, du weißt ja, ich hab' noch nie viel von Göttern gehalten! - Außer ….. vielleicht von einem und das auch erst seit letzter Zeit." Arm in Arm setzten die beiden ihren Weg fort und Gabrielle fragte erstaunt: "es gibt einen Gott für den du was übrig hast? Das kann ich kaum glauben! Wer ist denn der glückliche?" Xena wurde ein wenig rot als sie antwortete: " Aesculap, der Gott der Heilkunst! Aber erst seit deiner Rettung. Vielleicht sollten wir ihm ein Opfer bringen, wenn wir nach Athen kommen. Nur so für alle Fälle." Gabrielle lehnte den Kopf an Xenas Schulter. "Klar, das machen wir!" Sie überlegte einen Moment, dann sagte sie: " etwas Positives hat die ganze Geschichte aber doch bewirkt: ohne Cäsar und all diese dramatischen Ereignisse hätten wir wohl nicht…. wären wir uns wahrscheinlich immer noch nicht ….. so nahe gekommen!" Xena streichelte Gabrielles Arm: "Stimmt! Ohne all das hätte ich vielleicht nie den Mut gefunden, dir die wahre Art meiner Liebe zu gestehen - aber sag' mal: warum hast du das eigentlich nicht getan, wo du doch die ganze Zeit genauso gefühlt hast wie ich?" Jetzt war es an Gabrielle, rot zu werden: "ich hab' mich genauso wenig getraut wie du. Ich hatte die gleiche Angst, dich durch ein solches Geständnis zu verlieren…. Aber das Problem ist, den Kugelmenschen sei Dank, ja endlich und für immer aus der Welt!" Und sie schmiegte sich enger an ihre schöne Freundin.

CXVIII

Gabrielle und Xena waren noch nicht allzu lange unterwegs, da neigte sich der recht kurze Herbsttag auch schon wieder seinem Ende zu. Sie hatten den Wald hinter sich gelassen und wanderten nun in westlicher Richtung über eine grasige Ebene. Die Sonne sank allmählich dem Horizont entgegen und der tiefblaue Himmel färbte sich zunehmend rötlich.
Da fiel Gabrielle etwas ein: "Oh! Xena, ich hab' Argo was versprochen. Schnell, laß' uns aufsitzen!" Xena schaute ihre Bardin verblüfft an, tat aber, was diese verlangt hatte. Als sie im Sattel saß zog sie Gabrielle zu sich auf den Pferderücken. Dann drehte sie sich halb nach ihr um und fragte: "und nun? Was hast du Argo denn versprochen?" Gabrielle lachte fröhlich und antwortete: "als du damals nach Najaras Ermordung verhaftet wurdest, musste ich alleine zurück zur Herberge reiten. Die gute Argo war gar nicht davon begeistert, ohne dich los zu ziehen und so hab' ich ihr versprochen, daß wir beide bald wieder auf ihr in den Sonnenuntergang reiten werden." Nun lachte auch Xena: "Na, dann wollen wir dieses Versprechen mal einlösen!" Mit diesen Worten drückte sie der Stute die Absätze in die Flanken und stieß ihren schrillen Kriegsschrei aus. Argo wieherte freudig und fiel aus dem Stand in einen schnellen Galopp. Gabrielle saß eng an Xenas Rücken geschmiegt und umschlang deren Mitte ganz fest mit beiden Armen.
Die beiden Frauen lachten und stießen laute Freudenschreie aus während sie auf Argos Rücken nur so dahin zu fliegen schienen. Für einen Betrachter hätte es so ausgesehen, als flögen sie direkt hinein in den von der Barden-Göttin rosarot gemalten Sonnenuntergang.

- - - - - Ende gut, alles gut - - - - -

Vielen Dank für's Lesen! Für Feedbacks bin ich immer dankbar.
PS: Diese Geschichte ist geistiges Eigentum von Xenina und darf ohne ihre Genehmigung nicht weiterverwendet werden.