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Disclaimer: Siehe Teil 1

Xena die Kriegerprinzessin
Das Gottesurteil Teil 2

By Xenina

XXXIX

Cäsar als Richter und Ankläger zugleich eröffnete die Verhandlung mit folgenden Worten: " Xena die Kriegerprinzessin ist angeklagt, Najara, genannt "Botin des Lichts", am gestrigen Abend in ihrem Zelt im Lager des römischen Heeres heimtückisch überfallen und ermordet zu haben. Ihr Haß auf die Tote und ihre Eifersucht auf sie und ihre Gefährtin Gabrielle dürften Motiv genug für die Tat sein. Als Tatwaffe wurde ihr vor Augenzeugen sichergestellter und dem Gericht vorliegender Brustdolch identifiziert."
An Xena, die sich selber verteidigen würde, gewandt fuhr er fort: "Xena, was hast du zu diesen Anschuldigungen zu sagen?" Die große Frau, deren Lebensgeister durch den Anblick von Gabrielle etwas zurückgekehrt waren, rief verächtlich: "ich habe Najara nicht ermordet!" Die Zuschauer murmelten.
Cäsar fuhr fort: "wenn dem so wäre, hättest du vermutlich wenigstens ein Alibi für die Tatzeit. Leider dürftest du jedoch nicht in der Lage sein jemanden zu nennen, der zur fraglichen Zeit mit dir zusammen war, da du ausgerechnet da das Fest verlassen hattest. In diesem Zusammenhang rufe ich jetzt die Zeugin Gabrielle auf."
Die Genannte erhob sich. Cäsar forderte sie auf: "Bitte wiederhole, was du mir auf dem Fest geantwortet hast als ich dich nach dem Verbleib von Xena fragte." Gabrielle hatte einen Kloß im Hals als sie antwortete: "ich sagte dir, dass Xena zur Latrine gegangen sei." Der Konsul fragte weiter: "gab es andere Personen, die deine Antwort gehört haben?" "Ja", musste Gabrielle zugeben. "Vorerst habe ich keine weiteren Fragen an die Zeugin" sagte Cäsar und Gabrielle, die ein flaues Gefühl in der Magengegend bekam, setzte sich wieder.
Der Ankläger fuhr an Xena gewandt fort: "An solch einem Örtchen ist man wohl in der Regel alleine, nicht wahr? Oder gibt es vielleicht jemanden, der dich dort gesehen hat?" Gabrielle, der jetzt der ganze hinterlistige Plan des Konsuls aufging, war maßlos entsetzt darüber, dass ein Mensch derartig gemein und skrupellos sein konnte.
Xena verteidigte sich: " Nein, natürlich gab es da niemanden! Aber woher kennt das Gericht eigentlich den genauen Zeitpunkt von Najaras Ermordung?" Ein Raunen ging durch das Publikum. Cäsar lächelte triumphierend. "Es gibt einen Zeugen, der sie etwa eine Stunde vor dem Alarm, der wegen des Mordes im Lager ausgelöst wurde, noch lebend angetroffen hat." Er winkte einem einfachen Legionär: "berichte den Geschworenen von deiner Begegnung mit der "Botin des Lichts" befahl er dem Mann. "Um die besagte Zeit kam ein Zenturio zu mir und trug mir auf, auch der Herrin Naraja einen Becher Wein in ihr Zelt zu bringen. Die verehrte Frau war darüber sehr erfreut", sagte der Soldat. "Und woher weißt du den genauen Zeitpunkt?" "Direkt neben dem Zelt der "Botin des Lichts" steht eine Sonnenuhr. Es war um die achtzehnte Stunde." Der Konsul lächelte Xena triumphierend zu.
Doch die Kriegerin, deren Kampfgeist jetzt endgültig zurückgekehrt war, gab nicht auf: "damit ist zwar der Zeitraum geklärt, in dem Naraja ermordet wurde, nicht aber der, in dem ich das Zelt verlassen hatte!" Aber der Konsul war nicht zu beirren: "es stimmt, die Zeit deiner Abwesenheit vom Fest ist nicht genau zu belegen. Zwischen dem Moment, als der Soldat Najara den Becher Wein brachte und dem Alarm wegen des Mordes lag jedoch mindestens eine Stunde. Da man dich kurz vor dem Alarm zurück ins Festzelt kommen sah, welches du für einen beträchtlichen Zeitraum verlassen hattest, fällt deine Abwesenheit allerdings ganz klar mit dem Zeitpunkt des Mordes zusammen." Ein Raunen ging durch die Zuhörerschaft und auch die Gruppe der Geschworenen. Cäsar lehnte sich zufrieden zurück.

XL

Xena fühlte, wie ihr der kalte Schweiß den Rücken hinunter lief. In hilfloser Wut umklammerte sie die Stäbe ihres Käfigs. Und trotzdem konnte sie in einer finsteren Ecke ihres Bewusstseins nicht umhin, die Raffinesse von Cäsars infamem Plan zu bewundern. Gabrielle saß wie vor den Kopf geschlagen da und dachte ein ums andere Mal: "das muß ein Alptraum sein! Göttlicher Morpheus, laß' mich bitte ganz schnell aufwachen!"
Da hatte Xena einen Einfall: "ich wiederhole, ich habe Naraja nicht getötet! Aber ich muß zugeben, dass ich auch nicht auf der Latrine war." Sie hob trotzig den Kopf. "Vielmehr habe ich deine Männer belauscht, wie sie um die gleiche Zeit in deinem Zelt über Reiserouten berieten. Ich bin den vier Männern aus dem Festzelt nachgeschlichen um herauszufinden, was dein Heer in Griechenland zu suchen hat. Du kannst nachsehen lassen: ich habe mit dem Schwert ein Loch in die Rückwand deines Zeltes gebohrt!" Die Ältesten gaben einem Gerichtsdiener die Anweisung, Xenas Aussage zu überprüfen und der Mann entfernte sich. Die Spannung im Publikum stieg. Gabrielles Herz schlug hoffnungsvoll schneller.
Cäsar war überrascht, dass Xena ihre Spionagetätigkeit so offen zugab, auch sie hätte einen Grund zur Bestrafung geliefert, und zwar vor einem Militärgericht! Aber Xena war noch nicht fertig: "In dem Zelt waren dann aber nur noch drei der vier Soldaten und ich frage mich, was wohl der vierte inzwischen getan hat!" Dieser Satz enthielt eine indirekte Anschuldigung von ungeheurem Ausmaß! Der Konsul wurde blaß. Da setzte Xena alles auf eine Karte: "Wie wäre es, wenn das Gericht die drei Männer als Zeugen aufrufen würde? Ich kann ihnen Wort für Wort wiederholen, was sie in Cäsars Zelt gesprochen haben." Xena staunte, wie schnell ihrem Ankläger eine Ausrede einfiel: "Das läge gewiß auch im Interesse des Gerichts, aber leider sind die vier Genannten auf dem Weg nach Rom, und das bereits seit gestern Abend. Daß sich das römische Heer in Griechenland auf der Durchreise befindet, hattest du übrigens bereits von mir erfahren. Und da bleibt immer noch die schwerwiegende Belastung durch deinen Dolch als Tatwaffe."
Gabrielle hielt es nicht mehr aus: "Den Dolch vermisst Xena schon seit vorgestern Abend! Ich habe ihr sogar beim Suchen geholfen. Naraja könnte das bezeugen - wenn sie noch leben würde….. Die Bardin schluckte. " Es ist doch völlig absurd, dass Xena Najara getötet haben soll! Es ist wahr, die beiden waren nicht gerade die besten Freundinnen aber deshalb begeht Xena doch keinen Mord! Seit langer Zeit tötet sie nur noch, wenn es unbedingt nötig ist. Das weißt du ganz genau, Cäsar, und es gefällt dir nicht! " Gabrielle holte tief Luft, ihre lang aufgestaute Entrüstung brach hervor: "Und noch weniger gefällt es dir, dass Xena dir immer wieder einen Strich durch die Rechnung macht und deine Avancen abweist, du einfach nicht bei ihr landen kannst! Du hast es bei ihr auch vorgestern in der Herberge versucht, in der auch Naraja dich abgewiesen hat …. Und in der Xenas Brustdolch abhanden kam….. Gabrielle stockte einen Moment, dann fuhr sie mit lauter Stimme fort: " - Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, dass….." "Gabrielle!!" rief Xena warnend und diese biß sich jäh auf die Zunge um ihren Redefluß zu stoppen.

XLI

Cäsar war rot angelaufen und die Ältesten, die über das Urteil beraten sollten, warfen sich irritierte Blicke zu. Aus der Zuhörerschaft kamen vereinzelt laute Zwischenrufe. Zu allem Überfluß kehrte jetzt auch noch der Gerichtsdiener zurück und bestätigte das Loch in der Zeltwand des Feldherrn.
Cäsar merkte, dass das Eis, auf dem er sich bewegte, dünn wurde und so ersann er eilig eine List. Er räusperte sich und sagte: " Das Vorhandensein von Motiven für den Mord, das Fehlen von Zeugen für ein Alibi für die Tatzeit sowie das Auffinden ihres Brustdolchs als Tatwaffe machen Xena im Mordfall Naraja nach wie vor schwer verdächtig. Andererseits sind diese Fakten zumindest teilweise nicht gesichert genug, um ihre Schuld eindeutig zu beweisen. Daher schlage ich die Entscheidung des Falles durch ein Iudicium Divinum, ein Gottesurteil vor.
Für Anwesende, die nicht wissen, was es damit auf sich hat, will ich das Verfahren kurz erläutern: es gibt ein Duell zwischen zwei noch zu nennenden Kämpfern. Der eine Krieger kämpft für mich…. äh die Anklage, der andere für Xena, die Angeklagte. Der Kampf geht auf Leben und Tod. Sollte der Kämpfer der Anklage fallen, so haben die Götter entschieden, dass Xena unschuldig ist und sie ist frei. Fällt Xenas Streiter, so ist sie schuldig und zum Tode verurteilt, das Urteil wird dann unmittelbar im Anschluß an den Kampf durch Kreuzigung vollstreckt. Findet eine der beiden Seiten keinen Kämpfer, so wird verfahren, als sei der Kämpfer dieser Partei besiegt. Daß die Angeklagte für sich selbst kämpft, ist ausgeschlossen." Xena wurde für einen Moment schwarz vor Augen. Da war es gefallen, das gefürchtete Wort: Kreuzigung! Gabrielle hatte das Gefühl, als durchbohre der Klang dieser grässlichen Vokabel ihr Hirn. Sie schienen sich wirklich mit Riesenschritten der Erfüllung von Xenas Vision zu nähern auch wenn noch nicht ersichtlich war, auf welche Weise sie sich für Gabrielle erfüllen würde……

XLII

Inzwischen war es fast dunkel geworden aber immer noch herrschte eine laue Temperatur, die dem Publikum das Ausharren leicht machte. Die Grillen begannen ihr nächtliches Lied im Schein des aufgehenden Mondes und die Natur wirkte sanft und friedlich. Es war kaum zu glauben, dass sich unter den versammelten Menschen gleichzeitig ein solches Drama abspielte. Diese zündeten zur Beleuchtung der Szenerie jetzt viele Fackeln an, so dass der Gerichtsplatz in rötliches Licht getaucht wurde, in dem aber fast alle Einzelheiten zu erkennen waren.
Die Ältesten steckten ihre Köpfe zusammen und berieten sich leise. Xena runzelte die Stirn, sie kannte Cäsar lange genug um zu wissen, dass er etwas in der Hinterhand hatte und ihr gefiel die Sache überhaupt nicht. Aber es nützte nichts, sie war der Entwicklung hilflos ausgeliefert, gegen den Feldherrn und seine Legionen kam selbst sie nicht so ohne weiteres an, schon gar nicht gefesselt und eingesperrt wie sie war.….
Schließlich waren die Ältesten sich einig und ihr Sprecher verkündete: "Der Vorschlag der Anklage ist von den Ältesten einstimmig angenommen worden. Wir bitten daher um Ernennung der Kämpfer, damit dieser unschöne Fall baldmöglichst abgeschlossen werden kann. Wer also bereit ist, für die Anklage zu kämpfen, trete vor."
Mit einem arglistigen Grinsen winkte Cäsar einem Legionär, der die Tribüne hinaufstieg und einem Mann aus den Reihen der über die Sicherheit des Konsuls wachenden Soldaten etwas zuflüsterte. Der Angesprochene löste sich aus seiner starren Hab Acht-Haltung und stieg die Tribüne hinunter. Er war ein Riese, der jeden auf dem Platz um mindestens Haupteslänge überragte. Sein sehniger und muskelbepackter Körper zeigte an den unbekleideten Stellen unzählige im Kampf erworbene Narben und verhieß ungeheure physische Kraft. Seine Furcht erregenden Waffen schienen nicht geeignet, von einem Sterblichen geführt zu werden. Dieser Hüne trat vor seinen Herrn, der triumphierend auf ihn zeigte und sagte: "Das ist Achillaeus Maximus , einstmals unbesiegter Gladiator in Rom und nun oberster Befehlshaber der Leibgarde des Gaius Iulius Caesar! Er wird für die Anklage kämpfen!" Cäsar ließ seine Blicke über den Platz und die Tribüne schweifen um die Reaktion der Leute zu sehen und stellte mit Genugtuung fest, dass sie beinahe verstummt waren und ehrfürchtig die imposante Erscheinung seines Kämpen betrachteten.

XLIII

"Gut, gut", sagte der Älteste, " Achillaeus Maximus wird also für die Anklage kämpfen. Nun brauchen wir noch einen Streiter für die Angeklagte." Und er rief so laut, dass alle es hören konnten: "Wer ist bereit für Xena die Kriegerprinzessin zu kämpfen?" Auf dem Platz wurde es totenstill, alle Blicke waren plötzlich zu Boden gerichtet, nur noch verstohlen sah man auf den Krieger vor der Tribüne. Zu Xena sah keiner mehr hin. Der Älteste wartete. Xena blickte in die Runde, sah die abgewandten Augen und wusste, was das zu bedeuten hatte. Hier saßen eine Menge Leute, darunter auch kräftige Männer und erfahrene Krieger, die Xena einiges zu verdanken hatten. Manch einen von ihnen hatte sie sogar Freund genannt. Und doch war keiner bereit, für sie zu kämpfen, wagte es keiner, es um ihretwillen mit Cäsars Kampfmaschine aufzunehmen. Xenas Mund verzog sich schmerzlich. Dann senkte sie den Kopf.
Der Älteste wurde unruhig:" Ist denn wirklich niemand bereit, für die Kriegerprinzessin zu kämpfen? Ich mache noch mal darauf aufmerksam, dass in diesem Fall das Leben von Xena direkt verwirkt ist! Ich frage also erneut: wer ist bereit, im Namen der Götter für sie zu streiten?" Es war so still, dass man Xenas angestrengtes Atmen bis in die letzte Reihe hören konnte. Auf Cäsars Gesicht erschien ein kaum verhohlenes, siegesgewisses Grinsen.
"Ich! Ich werde für Xena kämpfen!" ließ sich da eine wohlbekannte Frauenstimme deutlich vernehmen. Der Ruf traf Xena bis ins Mark. "Gabrielle, NEIN! Das darfst du nicht!" rief sie mit äußerstem Entsetzen. Gabrielle war aufgestanden, kletterte von der Tribüne und trat neben Cäsars gewaltigen Krieger. Wie klein und schmächtig sie neben ihm aussah! Xena hatte das Gefühl, als würde ihr ein Dolch im Herzen umgedreht, nur ein stimmloses Krächzen kam noch aus ihrer ausgetrockneten Kehle. Hilflos ballte sie die Fäuste in der Umklammerung der Handschellen. Gabrielle straffte sich und sah mit erhobenem Haupt Cäsar und die Ältesten an, vermied jedoch Xenas Blick. Ihr Herz klopfte rasend in ihrer Brust und ihr war ein wenig schwindelig. "Hört nicht auf Xena!" rief die mutige Frau. " Mein Entschluß steht fest: ich werde für meine Freundin kämpfen, weil ich weiß, dass sie unschuldig ist. Und außerdem weil ich……" Gabrielle versagte die Stimme.
Xena wollte etwas sagen aber der Älteste kam ihr zuvor: "Aber junge Frau!" sagte er erschüttert, " bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Gegen einen solch starken und kampferprobten Krieger hast du doch nicht die geringste Chance! Überlaß' das einem kräftigen, erfahrenen Mann!" In Gabrielles Augen flackerte es düster auf: "Ein solcher Mann scheint aber nicht hier zu sein, der bereit wäre, für Xena sein Leben zu riskieren. Obwohl es wirklich genug Anwesende auf dem Platz gibt, für die meine Freundin genau das getan hat!" Und das betretene Schweigen brechend fuhr die kleine Bardin fort: " Also werde ich für Xena kämpfen. Mögen die Götter gerecht sein!"
Der Älteste seufzte: "Dann also sei es: Gabrielle die Bardin wird für die Angeklagte Xena im Gottesurteil gegen Achillaeus Maximus, den Befehlshaber von Cäsars Leibgarde, der für die Anklage antritt, streiten. Der Zeitpunkt des Kampfes ist morgen um die sechste Stunde auf dem Exerzierfeld vor dem römischen Lager. Hiermit ist die Verhandlung geschlossen." Xena brachte immer noch keinen Ton hervor, so sehr sie sich auch mühte, neben ihrem Körper schien nun auch noch ihre Stimme gefesselt zu sein. Sie wand sich in stummer Qual.

XLIV

Die Zuschauer verließen schnell und schweigend den Platz, voll gemeinsamer Scham darüber, dass sie die Kriegerprinzessin, die ihnen schon so oft beigestanden hatte, nun feige im Stich ließen. Als er im Fortgehen mit den Ältesten an ihr vorbeikam, bedachte Cäsar die eingesperrte Xena mit einem hämischen Blick und flüsterte ihr zu: "Umso besser! Dann brauche ich auch den Anblick deiner miesen kleinen Freundin nie mehr zu ertragen." Wortlos spuckte die große Frau ihm ins Gesicht aber er wischte sich den Speichel mit dem Ärmel ab und lachte nur.
Wie betäubt stand Gabrielle vor der Tribüne als Xena weggeführt wurde um im Gefängnis auf den nächsten Tag zu warten, an dem ihr und ihrer Freundin Leben vermutlich ein Ende haben würde. Xena sah sich verzweifelt nach ihr um aber die Bardin bemerkte es nicht.
Der ehemalige Gladiator sah die kleine Frau mit einem traurigen Ausdruck auf seinem zernarbten Gesicht still von der Seite her an. Dann neigte er achtungsvoll das Haupt vor ihr und verließ ebenfalls den Platz. Es dauerte lange, bis Gabrielle so weit zu sich kam, dass sie ihm folgen konnte.

XLV

Da die Verhandlung abgeschlossen und das Urteil im Mordprozess Naraja gesprochen war, durfte Gabrielle Xena nun im Gefangenenzelt besuchen, allerdings nur in Begleitung zweier Legionäre, die während des Besuchs darauf zu achten hatten, dass sie nichts Unerlaubtes besprachen oder gar Gegenstände überreicht wurden. Zu gleichem Zweck war im Zelt ein Gitter aufgebaut, welches Gefangene und Besucherin weitgehend voneinander trennen sollte.
Als Gabrielle mit den zwei Aufpassern das Zelt betrat, schien draußen hell der Mond, in das düstere Innere drang jedoch nicht der kleinste Strahl. Dieses war nur spärlich vom Licht einiger weniger billiger Fackeln beleuchtet, deren Ruß einem das Atmen schwer machte.
Xena war wieder an den Mittelpfosten gekettet worden. Reglos saß sie mit hängendem Kopf da, ihr langes, schwarzes Haar hing ihr wirr ins Gesicht. Eine Schale mit wässrigem Essen stand unberührt neben ihr am Boden. Sie hatte lediglich etwas Wasser getrunken um ihre vor Trockenheit schmerzende Kehle zu befeuchten.

XLVI

Als Gabrielle eintrat, hob die Kriegerin müde den Kopf aber dann erschien trotz allen Elends ein frohes Lächeln auf ihrem traurigen Gesicht. "Gabrielle!" krächzte sie und erhob sich mühsam. "Xena!" rief nun auch die Bardin voller Schmerz, Angst und Sehnsucht. Xenas Hände lagen noch immer in Handschellen aber die sie an den Zeltpfosten fesselnden Ketten waren immerhin so lang, dass sie sich bis zu dem Trenngitter bewegen konnte. Sie schleppte sich mühsam dorthin und umklammerte die Gitterstäbe als ihre Freundin von der anderen Seite her herantrat.
Einen Moment lang sahen sich die beiden Frauen wortlos in die Augen, umarmten sich buchstäblich mit ihren Blicken weil sie es mit ihren Armen nicht konnten. Dann sagte Xena mit sorgenvoller Eindringlichkeit: "Gabrielle! Du darfst nicht für mich kämpfen! Diesen Minotaurus von einem Gladiator kannst du nicht besiegen. Bitte riskier' dein Leben nicht auf so leichtsinnige Weise!" Auf Gabrielles Gesicht erschien ein abweisender Ausdruck. "Xena! Die Sache ist bereits entschieden, wie dir nicht entgangen sein dürfte!" Aber Xena argumentierte weiter: "und was ist mit deinem Gewaltverzicht? Du wolltest doch nur noch auf dem Pfad der Liebe wandeln. Willst du denn das alles auf's Spiel setzen?" Da wurde Gabrielles Gesichtsausdruck weich und sie legte ihre Hand auf Xenas immer noch das Gitter umklammernde kalte Finger. "Ach Xena! Du bist mein ganzes Leben! Was soll ich denn ohne dich auf dieser Welt? Laß' mich für dich kämpfen. Dann gewinne ich entweder unser beider Leben oder wir gehen gemeinsam in den Hades. Oder wir treffen uns in einem neuen Leben wieder. Wo auch immer du bist, ich will an deiner Seite sein!" Xenas blaue Augen füllten sich mit Tränen. Unter den wachsamen Blicken der Legionäre, die ihr aber egal waren, umschlang sie mit klammen Fingern Gabrielles Hand so gut es eben ging und sagte: "ich liebe dich, Gabrielle!" Der Bardin schien alleine dieser Satz es wert zu sein, es dafür mit der ganzen Welt aufzunehmen. Ein Schauder überlief sie und sie sagte heiser: "ich liebe dich auch, Xena!" Da erfüllte die Kriegerin tief in ihrem Inneren ein warmes Glücksgefühl und sie hatte auf einmal die ruhige Gewissheit, dass nichts, aber auch gar nichts sie und Gabrielle würde trennen können. Sie waren Seelenverwandte und daher verbunden bis zum Ende aller Zeiten. Sie schien in Gabrielles warmen grünen Augen zu versinken.

XLVII

"Die Besuchszeit ist gleich um!" Harsch drang die militärische Stimme des einen Legionärs ins Bewusstsein der Freundinnen und holte sie in die grausame Wirklichkeit zurück. "Gabrielle", sagte Xena eilig, "womit willst du gegen Achillaeus Maximus kämpfen?" Gabrielle antwortete: "mit dem Stock natürlich, womit denn sonst? Ich hatte Gelegenheit, mir einen neuen zu schneiden, während ich in der Herberge darauf gewartet habe, zur Gerichtsverhandlung abgeholt zu werden. Irgendwie hatte ich wohl im Gefühl, dass ich bald wieder einen brauchen würde." Xena schüttelte den Kopf: "mit dem Stock kannst du nichts gegen so einen starken und großen Mann ausrichten. Nimm mein Schwert! Die Römer müssen es dir für den Kampf herausgeben." "Aber Xena! Ich kann doch gar nicht richtig damit umgehen!" "Du wirst es müssen, Gabrielle. Und ich weiß, dass du es kannst!" Beschwörend sah die Kriegerprinzessin ihrer Freundin ins zweifelnde Gesicht. "Also gut!" sagte Gabrielle. "Ich vertraue auf deine kriegerische Erfahrung und werd' mein Bestes geben."
Der Legionär trat auf die Frauen zu um die Unterredung zu beenden. Xenas Hand umklammerte Gabrielles Finger: "Paß' auf dich auf!" Gabrielle erwiderte verzweifelt den Druck von Xenas Hand und sagte gepresst: "paß' du auch auf dich auf, Xena! Bis morgen also, in dieser oder einer anderen Welt!"
Der Legionär ergriff die Bardin am Arm und zog sie mit sich auf den Zelteingang zu. Verzweifelt drehte Gabrielle den Kopf um die Freundin noch so lange wie möglich zu sehen aber Tränen verschleierten ihren Blick. Xena stand regungslos am Gitter und starrte blicklos auch noch hinter Gabrielle her, als diese schon längst verschwunden war. Irgendwann drehte sie sich um und schlurfte zurück zum Mittelpfeiler des Zeltes, an dem sie sich mit rasselnden Ketten hinab gleiten ließ. Dort saß sie dann und rührte sich nicht mehr. So brach die vermutlich letzte Nacht im Leben der stolzen Kriegerprinzessin herein ……

weiter zu Teil 3