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Xena die Kriegerprinzessin
Das Gottesurteil Teil 3

By Xenina

XLVIII

Als Gabrielle aus dem Gefangenenzelt in die sternenklare Nacht hinaustrat, hatte sie auf einmal das Gefühl, als würden die Beine unter ihr nachgeben. "Xena!" schrie es in ihr, immer wieder: "Xena!" So laut, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Und doch war jetzt nichts wichtiger als das! Gabrielles Hand krallte sich in den dicken Zeltstoff. Dann besann sie sich auf die Atemtechnik, die sie in Indien gelernt hatte und die einem half, innerlich zur Ruhe zu kommen. Die Bardin schloß ihre brennenden Augen, konzentrierte sich und atmete einige Male auf ganz besondere Weise. Innere Ruhe und Klarheit überfluteten ihr Bewußtsein wie löschendes Wasser eine Feuersbrunst.
Als Gabrielle die Augen wieder öffnete, war sie beherrscht und gesammelt. Sie wandte sich an den sie begleitenden Legionär: "Wo finde ich das Schwert der Kriegerprinzessin? Ich brauche es für den morgigen Kampf." Der Soldat wies zu einem Zelt in der Nähe, in dem Waffen aufbewahrt wurden. Doch er ließ Xenas Freundin nicht alleine dorthin gehen denn er und sein Kamerad hatten strikte Anweisung, Gabrielle nicht aus den Augen zu lassen, so lange sie im Lager war.
Zuerst wollte man der Bardin das Schwert nicht aushändigen, sondern erst unmittelbar vor dem Kampf am nächsten Tag. Sie argumentierte jedoch, dass sie vorher wenigstens einmal damit üben müsse. Unsicher schickten die Soldaten einen Mann zu Cäsar, und ließen nachfragen, ob man Gabrielle das Schwert geben dürfe. Der Prokonsul lachte spöttisch: "Gabrielle will morgen also mit Xenas Schwert kämpfen? Bei allem Respekt aber das wird ihr auch nicht viel helfen! Gebt ihr die Waffe, aber erst außerhalb des Lagers. Es soll ja nicht heißen, dass Cäsar kleinlich ist!"
Vor dem Lager wartete die gleiche Römereskorte auf die Bardin, die sie schon zur Verhandlung geleitet hatte: die Soldaten würden bis zum Entscheidungskampf am nächsten Tag nicht von ihrer Seite weichen, so sehr fürchtete Cäsar, Gabrielle könne versuchen, Xena zu befreien. Die kleine Frau hatte natürlich die ganze Zeit nach einer Gelegenheit dazu Ausschau gehalten, aber es hatte sich nicht die geringste Möglichkeit ergeben. Als sie nun die vielen Römer sah, die zu ihrer Bewachung angetreten waren, erlosch auch der letzte Funke Hoffnung darauf, Xena befreien und den Kampf vermeiden zu können. Die Bardin straffte sich und auf ihr Gesicht trat ein harter Ausdruck, der so gar nicht zu der so warmen und gutherzigen Frau passen wollte …..
Als man Gabrielle Xenas Schwert überreichte, nahm sie die Waffe andächtig entgegen: wie oft hatte Xena sie damit beschützt, damit ihr Leben verteidigt! Nun musste das Schwert in Gabrielles Hand einmal seine Besitzerin retten. Die Bardin stellte sich vor, wie sie auf die sie umgebenden Römer losging, sie in Stücke hieb, ins Lager stürmte und, alles kurz und klein schlagend, ihre Xena befreite. Ein heißes, nie gekanntes Gefühl wuchs in der Bardin bis es sie vollständig erfüllte. Das Blut schoß ihr ins Gesicht und ihr ganzer Körper kribbelte als liefen Millionen kleiner Ameisen über ihre Haut. Gabrielle sah rot und fühlte sich unbesiegbar stark. Doch ihr Verstand war noch nicht ganz ausgeschaltet und warnte vor der Übermacht der Feinde. Zähneknirschend umklammerte sie den abgenutzten Griff des Schwertes und beherrschte sich, einmal mehr die bewährte Atemtechnik anwendend. Als sie wieder klar im Kopf war, dachte sie: "Hoffentlich fühle ich mich morgen, wenn es darauf ankommt, auch so stark und mutig!"
Dann hängte sich Gabrielle Xenas Schwert über die Schulter und bestieg Argo, die jede Hoffnung, Xena wieder zu sehen, aufgegeben zu haben schien und widerstandslos den Zügeln und dem Druck von Gabrielles Schenkeln gehorchte. Die sensible Stute fühlte sehr wohl die Angst und Traurigkeit ihrer Reiterin.
Begleitet von ihrer unerwünschten Eskorte kehrte Gabrielle in die Herberge "Zur reisenden Amazone" zurück um dort die vielleicht letzte Nacht ihres Lebens zu verbringen.

XLIX

Nachdem sie unter den wachsamen Blicken zweier Legionäre Argo im Herbergsstall versorgt hatte, ging Gabrielle hinüber zum Hauptgebäude und betrat den Schankraum. Draußen bezogen ihre unerbittlichen Wächter Position vor allen Türen und jedem noch so kleinen Fenster.
Die Schankstube war trotz der recht späten Stunde überfüllt. Dieses Mal gab es dort jedoch keine Römer, alle Anwesenden waren ausschließlich Griechen aus der Gegend. Die Stimmung brodelte, aber als Gabrielle eintrat, wurde es totenstill. Alle starrten die blonde Frau an, als sie aber ihren Blick düster in der Runde wandern ließ, sahen die meisten Leute fort. Der Wirt eilte auf die Bardin zu, begrüßte sie und zog sie mit sich zu einem freien Platz an einem kleinen Tisch hinter der Theke, der eigentlich für das Personal gedacht war. Die Gäste setzten ihre Unterhaltung fort, jedoch in gedämpfterem Ton. Sie alle waren bei der Verhandlung gewesen und die Scham über ihr eigenes feiges Verhalten als es darum ging, einen Kämpfer für Xena zu stellen, zügelte ihr Temperament.
Obwohl Gabrielle sich sträubte, servierte der Wirt ihr ein schmackhaftes Mahl, welches sich dadurch auszeichnete, dass es zwar nahrhaft, jedoch nicht allzu schwer war. Also genau das Richtige um einen Kämpfer zu stärken - oder eine Kämpferin. Der Hauptgang der Mahlzeit war ein großes Stück gebratene Rinderhüfte, innen noch rosa und außerordentlich zart. Zu trinken gab es Rotwein, der jedoch mit Wasser verdünnt war, damit die Bardin am nächsten Tag ganz sicher völlig nüchtern wäre.
Gabrielle merkte auf einmal, wie hungrig sie war, seit dem Frühstück hatte sie nichts mehr zu sich genommen. Da sie obendrein für den bevorstehenden Kampf fit sein musste, aß sie alles, was der freundliche Wirt ihr vorsetzte.
Während sie speiste, wanderten die Blicke der Gäste immer wieder mehr oder weniger verstohlen zu ihr hinüber und man steckte die Köpfe zusammen und tuschelte. Gabrielle beachtete es nicht.

L

Als die Bardin alles verdrückt hatte, was ihr gebracht worden war und sich von ihren Tellern zurücklehnte, erhob sich ein alter, hoch gewachsener Grieche mit weißem Haar und einem langen Bart. Unter seinen buschigen, ebenfalls weißen Augenbrauen glühten ein paar durchdringende schwarze Augen.
Der Mann wandte sich Gabrielle zu und sagte: "Tapfere Frau! Wir alle hier wissen, was dir morgen bevorsteht. Unsere Scham darüber, für die Kriegerprinzessin, der wir fürwahr viel verdanken, keinen Kämpfer gestellt zu haben, ist groß. Aber wir alle haben eine Familie zu versorgen!" Gabrielle sah den Sprecher ausdruckslos an und dachte: "Ja, ja, natürlich! Auch ich habe eine Familie, für die ich sorgen muß. Und diese Familie heißt Xena. In sofern ist es nur schlüssig, dass ich für sie kämpfe und kein anderer. Auch wenn ich dabei drauf gehe ….." . Der Mann wich kurz Gabrielles Blick aus und fuhr dann fort: "Aber wir möchten wenigstens dazu beitragen, dass du morgen so gut wie möglich ausgerüstet bist. Wie ich sehe, hast du ein Schwert, das ist gut! Was aber wird deinen Körper vor der Waffe des Gladiators schützen?" Gabrielle antwortete: "Meine Gewandtheit und gute Reaktionsfähigkeit." "Das ist nicht genug!" Der Alte nahm von einem vierschrötigen Mann eine im Kerzenschein silbrig schimmernde Rüstung entgegen. "Diese Rüstung ist so leicht und fein gearbeitet, dass sie kaum etwas wiegt und hält doch dem stärksten Schlag stand. Sie wird dich in deinen Bewegungen nicht beeinträchtigen, dafür aber umso mehr schützen." Gabrielle sah auf das dargebotene Stück Schmiedekunst und meinte zweifelnd: "Das ist sehr freundlich von euch. Aber bei allem Respekt: ich sehe nicht wie ich die Rüstung tragen könnte, sie ist viel zu groß für mich." Da stand der vierschrötige Mann auf. Er hatte einen äußerst muskulösen Oberkörper und war ganz rot im Gesicht. Er sagte: "Verehrte Frau! Ich bin der Schmied der Gegend und auch der Besitzer der Rüstung. Da ich mich nicht nur auf das Beschlagen von Pferden verstehe, sondern auch ein leidlich guter Waffenschmied bin, dürfte es kein Problem für mich sein, sie bis morgen früh für dich umzuändern. Es wäre mir eine Ehre, dafür Maß nehmen zu dürfen!"
Schließlich willigte Gabrielle ein und es wurde auch noch ein geeigneter Schild für sie gebracht. Nur einen Helm lehnte sie entschieden ab, weil sie befürchtete, er würde ihr Gesichtsfeld einschränken. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie sie so schwer gerüstet kämpfen sollte - sie hatte das bisher immer nur leicht bekleidet mit dem Stock getan - sah aber ein, dass es den Gegner wohl keine große Mühe kosten würde, sie mit einem Schlag in zwei Hälften zu teilen, wenn sich nichts einigermaßen Stabiles zwischen seinem Schwert und ihrem Fleisch befand…..

LI

Nachdem der Schmied Maß für die Änderung genommen hatte, dankte Gabrielle ihren Helfern, verabschiedete sich und stieg die Treppe hinauf zu ihrem und Xenas Zimmer. Auch die Gäste gingen allmählich nach Hause, würden aber am nächsten Tag zum Römerlager kommen um dem Kampf beizuwohnen.
Als die Bardin die Tür hinter sich geschlossen hatte, umgab sie plötzliche Stille. Das Licht der Kerze in ihrer Hand erschien ihr wie ein winziger Punkt in der es umgebenden endlosen Dunkelheit. Und aus der Finsternis schlich das Elend herbei und sprang Gabrielle unvermittelt mit voller Wucht an. "Xena!" Gabrielles Stimme brach.
Die ganzen Aktivitäten in der Schankstube hatten die Bardin zwar nicht von dem bevorstehenden schwersten Tag ihres bisherigen Lebens abgelenkt, ihr die Qual aber etwas erträglicher gemacht. Nun war sie ihr in der Stille und Einsamkeit des verlassenen Zimmers wieder hilflos ausgeliefert.
Gabrielle hatte das entsetzliche Gefühl, als wäre der Raum von den ruhelosen Gespenstern seiner letzten Bewohnerinnen erfüllt, von dem Narajas und dem - Xenas! Gabrielle riß sich zusammen und zwang sich, positiv zu denken: "Ihr Götter! Gabrielle, was denkst du nur für einen Schwachsinn! Xena lebt und noch ist gar nichts verloren!" Und sie stellte sich Xenas hochgewachsene, kräftige Gestalt vor, ihren Gang, ihre warme Stimme, ihr Lächeln und den unwiderstehlichen Blick ihrer eisblauen Augen unter den schwarzen Ponyfransen.
Mit diesem inneren Bild vor Augen ging Gabrielle zum Bett, stellte den Kerzenleuchter auf den Nachttisch und ließ sich angekleidet auf die Matratze sinken. Das alles tat sie so vorsichtig, als wolle sie das geistige Gefäß, in dem sie Xenas Bild behutsam trug, nicht zerbrechen.

LII

Es war mitten in der Nacht und außer den fast herunter gebrannten rußenden Fackeln erhellte kein Licht das Zelt, in dem Xena angekettet am Boden lag. Viertelstündlich schauten zwei Legionäre nach der Kriegerprinzessin, die aber hatte sich nicht gerührt seitdem Gabrielle fort gegangen war.
Auf einmal jedoch schien irgendetwas die Kriegerin aus ihrer Lethargie zu reißen, obwohl um sie herum alles ruhig und reglos war. Sie stützte sich auf ihre zerschundenen Hände, richtete sich halb auf und horchte. Es war vollkommen still und auch von den wachhabenden Legionären war nichts zu sehen.
Xena überlegte. Dann stieß sie ihr Trinkgefäß um so dass sein Inhalt in der Erde versickerte und rief mit schwacher Stimme: "Wasser! Ich verdurste! Bitte bringt mir Wasser!" Ein Legionär steckte den Kopf zum Zelt herein. "Was willst du?" fragte er ungehalten. Xena stöhnte: "Wasser, bitte Wasser!" Der Soldat brummte irgendetwas, dann verschwand sein Kopf wieder. Kurz darauf betrat er das Zelt, in der Hand einen kleinen Krug. Der Mann ging zu Xena hin und beugte sich zu ihrem Becher hinab um ihn mit Wasser zu füllen. "Paß' dieses Mal aber auf, dass du ihn nicht wieder umstößt!" sagte er mit Blick auf den dunklen Fleck am Boden. "Ich habe keine Lust, deinetwegen wieder das Würfelspiel mit meinen Kameraden zu unterbrechen!" Mit diesen Worten reichte er der dunkelhaarigen Frau das Gefäß. Xena nahm den Becher in ihre gefesselten Hände und führte ihn zum Mund. Während sie einen tiefen Schluck trank, wanderte ihr scharfer Blick unter halb geschlossenen Lidern unauffällig über die Kleidung des Soldaten. Nein, der Mann hatte keine Schlüssel bei sich! Xena fluchte innerlich: dieser verdammte Cäsar! Vermutlich hatte er die Schlüssel für ihre Fesseln selber behalten! Aber sie brauchte Gewissheit: "sag' mal, guter Mann, könntest du mir nicht für einen Moment die Fußfesseln abnehmen? Die Haut unter den Schellen ist wund und juckt entsetzlich! Ich würde mich zu gerne einmal kurz kratzen!" Der Soldat schüttelte den Kopf: "tut mir leid aber das geht nicht." "Warum nicht?" fragte Xena arglos. "Es ist streng verboten, irgendetwas zu tun, was dir mehr Bewegungsfreiheit verschaffen würde," sagte der Mann. Xena verlegte sich auf's Betteln: "ach, so grausam kannst du doch zu einer hilflosen Frau wie mir nicht sein! Ich will mich doch nur ganz kurz kratzen. Es wird auch niemand davon erfahren!" Und sie sah ihn bittend mit ihren schönen blauen Augen an. Da sagte der in die Enge getriebene Soldat endlich, was Xena befürchtet hatte: "außerdem kann ich dir gar nicht die Fesseln abnehmen: die Schlüssel dazu hat Julius Cäsar höchstpersönlich!" Enttäuscht ließ die Kriegerin den Kopf sinken. Es schien wirklich keinen Ausweg aus ihrer verzweifelten Situation zu geben und der Tag und damit Gabrielles Kampf um ihrer beider Leben rückten unaufhaltsam näher. Wieder wurde Xena von Hoffnungslosigkeit überwältigt. Als der Legionär gegangen war, zerrte sie abermals an ihren Fesseln bis das Blut lief. Jedoch erfolglos.

LIII

Gabrielle war in einen unruhigen Schlummer gefallen, in dem wirre Träume sie verfolgten: Bilder von ihrer und Xenas Kreuzigung, dann wieder ritten sie beide zusammen auf Argo in den Sonnenuntergang und alles wurde rosarot. Sie musste gegen ein Ungeheuer mit vielen Köpfen, die alle aussahen wie der Cäsars kämpfen und Xenas Schwert war plötzlich nur noch ein kleiner Dolch aber so schwer wie Thors Hammer. Dann kam Naraja mit ihren Dschinn und besiegte für sie das Monster. Und dazwischen tauchte immer wieder Xenas Gesicht auf, von vorne, im Halbprofil und von der Seite, lachend, weinend, zornig, traurig, zärtlich….. Gabrielle schreckte auf und fuhr sich benommen über die Stirn. Ihr war als lägen noch immer Xenas warme Lippen auf ihrem Mund.
Die Bardin stöhnte gequält und dachte: "Ich muß schlafen, ich muß einfach! Sonst bin ich morgen früh nicht ausgeruht! Ich habe auch noch mit Xenas Schwert zu üben, bevor's losgeht!" Sie nahm Xenas Kopfkissen und legte ihren schmerzenden Kopf darauf. Ihre Nasenflügel blähten sich in dem Versuch, Xenas Geruch aufzunehmen aber es war nur noch ein Hauch davon zu erahnen. Gabrielles Herz zog sich vor Sehnsucht zusammen.

LIV

Die gefesselte Xena lag zusammengerollt zu Füßen des mächtigen Mittelpfeilers am Boden des Gefangenenzeltes. Die Haut hing in Fetzen von ihren blutig geschürften Handgelenken aber sie spürte es nicht. Ihre Augen waren geschlossen und die schwarzen Wimpern warfen im rötlichen Fackelschein schwache Schatten auf ihre Wangen. Das lange dunkle Haar lag strähnig auf der schmutzigen Erde. In ihrem Becher war kein Wasser mehr.
Doch das alles war Xena egal, denn ihr Geist weilte nicht länger an diesem trostlosen Ort. Er war geflohen aus der grausamen Wirklichkeit und befand sich auf einer üppigen Blumenwiese, auf der in der warmen, hellen Sonne Hummeln und Bienen Nektar schlürften. Argo graste zufrieden in einiger Entfernung und Gabrielle stand vor ihrer Freundin und lachte sie strahlend an, ihr Haar glänzte golden im Sonnenlicht. Wie schön sie war! Xena hatte das Gefühl als flatterten hundert Schmetterlinge in ihrem Bauch und ihr Herz klopfte aufgeregt. Dann umarmte Gabrielle die Kriegerin und diese verlor selig ihr Bewusstsein. Das mussten die Elysischen Felder sein!

LV

Erst als der Morgen bereits dämmerte war Gabrielle richtig eingeschlafen und nur allzu bald wurde sie vom Krähen des Hahns wieder geweckt. Wie ein Schlag traf sie die Erinnerung daran, was für ein Tag heran gebrochen war! Reflexartig sprang sie aus dem Bett, das Adrenalin jagte Stromstöße durch ihren sich wie gerädert anfühlenden Körper. Eilig wusch sie sich die verquollenen Augen in der Schüssel, die der fürsorgliche Wirt ihr abends eigens zu diesem Zweck noch auf die Anrichte gestellt hatte. Dann fuhr sie sich mit allen zehn Fingern durch das wirre kurze Haar wobei sie noch nicht einmal einen flüchtigen Blick in den Spiegel warf: heute war ihr wirklich völlig egal wie sie aussah! Dann packte sie Xenas Schwert und rannte die Treppe zur Schankstube hinab.

LVI

Ungefähr zur gleichen Zeit erhielt Xena in ihrem Gefängnis hohen Besuch. Cäsar war gekommen, um sich an ihrem Elend zu weiden.
Der Konsul stand breitbeinig vor der am Boden liegenden Frau und beobachtete genussvoll das Entsetzen, welches sich mit der Rückkehr ihres Bewusstseins in die Realität zunehmend auf ihrem Gesicht ausbreitete. "Guten morgen, Xena! Ich hoffe, du hattest eine geruhsame Nacht!" höhnte der sadistische Mann. Die Kriegerin warf ihm einen vernichtenden Blick zu, sagte aber nichts. Cäsar fuhr in munterem Ton fort: "Nicht sehr gesprächig heute morgen, was? Aber das macht nichts. Ich bin übrigens gekommen, um mich von dir zu verabschieden, später wird es wohl kaum mehr Gelegenheit dazu geben, nicht wahr? Aber du darfst beim Kampf zusehen, aus sicherer Entfernung, versteht sich. Ich bin überzeugt, es wird ein spektakuläres Schauspiel wenn Achillaeus deine kleine Freundin mit seinem Schwert in lauter dünne Scheiben schneidet. Schade, dass der Kampf nicht im Circus Maximus stattfindet. Das römische Volk wäre hingerissen!"
Xena zitterte vor Wut. Trotz ihrer schweren Fesseln sprang sie so schnell auf die Füße, dass der zukünftige Kaiser Roms erschrocken zurückwich. Mit hoch erhobenem Kopf und einem von Verachtung und Haß verzerrten Gesicht presste Xena hervor: "Du elender Widerling! Du bist es noch nicht mal wert, Gabrielles Füße zu berühren!" und sie spuckte voller Abscheu vor dem Konsul auf die Erde. Der nahm die erneute Schmach nicht noch einmal gelassen hin. Feige schlug er der wehrlosen Frau mit dem Handrücken ins Gesicht so dass die Haut über ihrem Wangenknochen aufplatzte und das Blut hervorquoll. Dann zischte er:" du verdammte Hure! Bald bin ich dich endlich los! Und ich werde es nicht nur genießen, wenn deine Gabrielle zu Hackfleisch verarbeitet wird sondern auch jedes Winseln um Gnade, welches du ausstoßen wirst, wenn du erst ans Kreuz genagelt wirst!" Nach diesen Worten drehte Cäsar sich um und verließ mit großen Schritten das Zelt.
Xena war außer sich vor Zorn. Und merkwürdigerweise tat ihr das gut. Zorn und Haß waren viel angenehmere Gefühle als Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Und der berühmten Kriegerprinzessin außerdem weitaus vertrauter …..

LVII

Als Gabrielle in die Gaststube kam, wartete schon ein üppiges Frühstück auf sie. Aber es war der sonst so hungrigen Frau nicht möglich, auch nur einen Bissen hinunter zu würgen. Ihre Speiseröhre schien lediglich den Durchmesser eines Strohhalms zu haben und ihr Magen fühlte sich an wie ein zugebundener Sack. Nach ein paar erfolglosen Versuchen warf die Bardin dem Wirt einen bedauernden Blick zu und schob den Teller beiseite.
Die Herbergstür öffnete sich und in ihrem Rahmen erschien die muskulöse Gestalt des Schmiedes, die sich als Silhouette gegen den bleigrauen Himmel dahinter abhob. Gabrielle dachte: "na, das Wetter passt ja hervorragend zur Stimmung eines Tags wie diesem! Wenn es nur nicht anfängt zu regnen….."
Der Schmied brachte die Rüstung und Gabrielle zog sich in die Küche zurück um das ungewohnte Kleidungsstück anzuprobieren. Es passte hervorragend, wie sie zugeben musste, auch wenn sie sich darin vorkam wie ein Krebs in seinem Panzer. Die Bardin ging zurück in die Schankstube und erntete die bewundernden Blicke der beiden Männer. Hätte sie in einen Spiegel gesehen wäre ihr aufgefallen, dass die Rüstung ihr nicht nur guten Schutz bot sondern ihr auch noch ausgezeichnet stand: die feinen Ringe aus veredeltem Eisen, aus denen das Oberteil und der kurze Kampfrock gearbeitet waren, kontrastierten in ihrem silbrigen Glanz reizvoll mit Gabrielles blondem Haar. Der Schmied hatte die Rüstung so umgearbeitet, dass sie nicht zu eng, aber auch nicht zu weit war und so betonte sie vorteilhaft Gabrielles Figur, an der es kein Gramm überflüssiges Fett gab.
Die Kriegerin aus Not ergriff nun den geliehenen Schild und zog Xenas Schwert um ein Gefühl für die nötige Balance zu bekommen. Da draußen immer noch die Legionäre standen und die Bardin nicht vor die Tür ließen, schob der Wirt mit Hilfe des Schmieds Tische und Bänke beiseite, um Platz für Gabrielles Übungen zu schaffen. Die glaubte nach einiger Zeit leidlich mit ihrer ungewohnten Ausrüstung klarzukommen und beendete das Training, weil sie ihre Kräfte für den entscheidenden Kampf schonen wollte.

LVIII

Gabrielle ging zurück auf ihr Zimmer und legte sich so, wie sie war, auf das ungemachte Bett um noch etwas auszuruhen, auch wollte sie ein wenig meditieren. Doch sie war nicht dazu imstande, die dafür notwendige Konzentration aufzubringen, im Gegenteil: je weiter die Zeit fortschritt - und Gabrielle erlebte das dumpfe Pochen ihres eigenen Herzens als gnadenlos beschleunigenden Schrittmacher - desto größer wurde ihre Anspannung. Wenn sie an den bevorstehenden Kampf dachte, kribbelte es in ihrer Magengegend und sie bekam ein flaues Gefühl. Da sie nicht meditieren konnte, versuchte die Bardin sich abzulenken, indem sie an Xena dachte und an vergangene Abenteuer, gemeinsamen Fischfang und laue Nächte am Lagerfeuer.
Aber selbst das wollte ihr nicht recht gelingen und als die Legionäre endlich zum Aufbruch riefen, war ihre Anspannung so groß geworden, dass sie es beinahe als Erlösung empfand, dass es endlich losgehen sollte.
Gabrielle verabschiedete sich vom Schmied und dem guten Wirt. Beide Männer würden beim Kampf zuschauen aber es war äußerst ungewiß, ob Gabrielle ihnen noch einmal würde lebendig gegenüber stehen können. Dem guten Herbergsvater standen die Tränen in den Augen, die er vergeblich zu verbergen suchte als Gabrielle ihm Lebewohl sagte. Mit rauher Stimme meinte er zu der scheidenden Frau: "Paß' auf dich auf, Gabrielle! Wir und alle Griechen werden während des Kampfes zu den Göttern um deinen Sieg beten, schließlich ist Xena ja unschuldig! Ares sei mit dir!" Plötzlich schloß er die überraschte Frau spontan in seine Arme und wandte sich danach mit rotem Kopf verlegen ab.

LIX

Begleitet von ihrer unvermeidlichen Eskorte ritt Gabrielle auf Argo unter schwer am Himmel hängenden dunklen Wolken zum Kampfplatz. Es war unnatürlich drückend und wieder sorgte sie sich um die Entwicklung des Wetters.
Je näher sie dem Römerlager und damit dem davor liegenden Ort der Entscheidung kamen, desto mehr versuchte sich die Bardin auch innerlich zu panzern, sich zu verhärten für das, was sie nun zu tun versuchen musste und was ihr eigentlich zutiefst widerstrebte: sie musste alles daransetzen, einen Menschen zu töten! Es gab nur wenig in der Welt, was sie zu dieser Tat bringen konnte, möglicherweise sogar nur einen einzigen Umstand: wenn es galt, Xenas Leben zu retten. Für einen anderen Grund zu töten gab es keinen Platz in Gabrielles Gehirn, nicht einmal ihr eigenes Leben schien es ihr wert zu sein, dafür vom Pfad der Liebe und der Gewaltlosigkeit abzuweichen …..

LX

Auf dem Platz, der am Vortag Gerichtsort gewesen war und nun Schauplatz des Kampfes um das Gottesurteil werden sollte, war nicht viel verändert worden. Die Tribüne stand noch am gleichen Ort, auf ihr hatten die höherrangigen Römer Platz genommen, während die einfachen Soldaten und zuschauenden Griechen hinter einer Absperrung aus schwer bewaffneten Legionären ihre Hälse würden recken müssen um etwas vom Kampf mitzubekommen. Auf der Tribüne stand immer noch der eiserne Käfig, in den man Xena auch heute gesperrt hatte, damit sich für sie nicht die geringste Gelegenheit ergab, sich zu befreien.
Aber es war etwas hinzugekommen, was der vertrauten Kulisse eine unheilvolle Note gab: gegenüber von der Tribüne, auf der anderen Seite des Platzes hatte Cäsar unter den tief hängenden Wolken ein schwarzes Kreuz aufstellen lassen. Als Gabrielle mit ihrer Bewachung beim Kampfplatz ankam, fiel ihr Blick sofort auf dieses schreckliche Gestell, welches sich der Höllenfürst persönlich ausgedacht zu haben schien und sie erschauderte. Wieder musste sie an Xenas Vision denken und in ihr regte sich ein verzweifelter Kampfgeist, der eiserne Wille, alles daranzusetzen, um diese Vision in keinem Detail wahr werden zu lassen.
Dann nahm Gabrielle den Rest ihrer Umgebung wahr: die Tribüne war beinahe überfüllt und Legionäre bildeten einen Ring um den Kampfplatz, der ihr vorkam wie die Arena in einem römischen Zirkus. Hinter den Legionären drängten sich die Zuschauer und es herrschte ein unbeschreiblicher Lärm. Es wurde gerufen und geschrieen, geredet und gemurmelt und von der Tribüne hallte hin und wieder lautes Lachen herüber.
Gabrielle sah nun genauer hin und erblickte Cäsar, der in seiner goldenen Rüstung mit dem roten Federbusch auf dem Helm bequem zurückgelehnt auf einem Sessel saß, in angeregtem Gespräch mit einem ranghohen Offizier, der, ebenfalls in voller Rüstung, neben ihm saß. Die Ältesten, die im Mordfall Naraja die Geschworenen gewesen waren, saßen eine Reihe weiter unten direkt vor dem Konsul.

LXI

Und dann sah Gabrielle Xena in ihrem eisernen Gefängnis auf der Tribüne. Trotz der bedrückenden Situation tat ihr Herz unwillkürlich einen freudigen Sprung und sie hob spontan den Arm um ihrer Freundin zuzuwinken.
Xena hatte Gabrielle längst entdeckt und ihr Herz raste in ihrer Brust. Als die Bardin den Arm hob um ihr zuzuwinken war es mit Xenas Beherrschung vorbei. Den Lärm auf dem Platz mit gellender Stimme übertönend rief sie außer sich vor Angst und Sehnsucht: "Gabrielle!!!"
Argo erstarrte für einen Moment zur Salzsäule und spitzte mit steil aufgerichtetem Hals die Ohren. Dann stieß die Stute ein ohrenbetäubendes Wiehern aus, erhob sich auf die Hinterhand und versuchte, Gabrielle abzuwerfen mit der Absicht, dann alles niedertrampelnd zu ihrer schmerzlich vermissten Herrin zu galoppieren.
Die Bardin klammerte sich erschrocken am Hals des wild gewordenen Pferdes fest, nur noch damit beschäftigt, bloß nicht herunter zu fallen und sich etwas zu brechen. Denn damit wäre der Kampf entschieden gewesen, bevor er überhaupt begonnen hätte….
Xena sah entsetzt, was sie mit ihrem Ruf angerichtet hatte. Glücklicherweise verfügte sie über eine Anzahl verschiedener Pfiffe, mit denen sie Argo auch über Entfernungen hinweg Anweisungen erteilen konnte. Für gewöhnlich befolgte das Tier die Befehle, aber so durchgedreht hatte die Kriegerin ihre brave Stute noch nie erlebt. Xena stieß einen durchdringenden Pfiff aus, der dem Pferd befahl, ganz still zu stehen. Und Argo gehorchte!
Als die Stute stand, rutschte die arme Gabrielle eilig vom Pferderücken. Ihre Knie schlotterten. Das fing ja gut an! Die blonde Frau konnte nicht umhin, Argo einen bösen Blick zuzuwerfen, als sie einem Legionär die Zügel in die Hand drückte, damit er die Stute fortführe. Zwar konnte sie die Reaktion des Pferdes sehr gut nachempfinden - ihr selbst ging es schließlich auch nicht anders - aber es stand einfach zuviel auf dem Spiel!
Widerstrebend folgte Argo dem Legionär zu einer grasigen Stelle etwas abseits vom Kampfplatz, wo sie von ihm an einen Pflock gebunden wurde. Anstatt aber zu grasen stand die Stute reglos da und starrte mit gespitzten Ohren hinüber zur Tribüne, auf der ihre geliebte Herrin sich befand.

LXII

Zufuß stiefelte Gabrielle jetzt auf den Kampfplatz zu. Wo sie ging, bildeten die Menschen eine Gasse um sie durchzulassen und ihre Gespräche verstummten. Alle starrten die kleine Frau auf ihrem vermeintlich letzten Gang unverhohlen an. Diese schritt mit hoch erhobenem Kopf daher aber sie nahm alles um sich herum nur schemenhaft wahr. Die Knie waren ihr immer noch weich, nun aber nicht mehr von Argos Ausraster sondern wegen des bevorstehenden Kampfes. Noch nie in ihrem Leben hatte Gabrielle solche Angst gehabt und in ihrem von Adrenalin benebelten Hirn stellte sie erneut fest, dass ihre Furcht nur deshalb so groß war, weil Xenas Leben auf dem Spiel stand. Ihr eigenes schien ihr nicht von großer Bedeutung zu sein.

LXIII

Als Gabrielle durch die Kette der Legionäre auf den Platz trat, gab Cäsar dem bereitstehenden Trompeter ein Zeichen und dieser blies eine Fanfare. Kurz darauf teilte sich die Reihe der Soldaten abermals und der riesige Achillaeus Maximus betrat ebenfalls das Feld. Wie Gabrielle trug er Schild und Schwert, beides von ungeheuren Ausmaßen, und eine schwere Rüstung. Während seine Gegnerin jedoch wegen der freien Sicht auf einen Kopfschutz verzichtet hatte, umschloß ein starker Helm seinen Kopf. Niemals würde Gabrielles Schwert dieses Eisen durchdringen können!
Eine zweite Fanfare ertönte. Beide Kämpfer, die kleine Frau und der riesige Mann, schritten nun von verschiedenen Seiten auf die Mitte der Tribüne zu, wo sie sich trafen und gemeinsam zu Cäsar und den Ältesten emporblickten. Wieder war das Ungleichgewicht ihrer Kräfte offensichtlich und nicht nur Xena wurde bei diesem Anblick ganz elend zumute. Cäsar aber war guter Dinge, wohlwollend blickte er auf die beiden Kämpen hinab und nur ein Glitzern in seinen schwarzen Augen verriet seine heimliche Freude über diese himmelschreiende Unausgewogenheit.
Der Konsul hob den Arm und augenblicklich wurde es vollkommen still auf dem Platz. Dann forderte Cäsar den Sprecher der Geschworenen auf, sich zu erheben. Der alte Mann folgte der Anweisung mühsam und sagte, als er endlich stand, mit lauter Stimme: " hoher Herr, verehrte Römer, liebe Landsleute! Wir sind hier zusammen gekommen um im Mordfall Narajas, "Botin des Lichts", einem Gottesurteil beizuwohnen. Für die Angeklagte kämpft Gabrielle die Bardin, für die Anklage Achillaeus Maximus, oberster Befehlshaber der Leibgarde von Julius Cäsar. Der Kampf geht auf Leben und Tod. Möge die Gerechtigkeit siegen!" Sichtlich außer Atem setzte sich der Alte wieder und fuhr sich mit einem Leinentuch über die feuchte Stirn.

LXIV

Gabrielle und Achillaeus schritten nun in die Mitte des Platzes, wo ihnen von zwei Männern ihre Ausgangspositionen angewiesen wurden. Die beiden Sekundanten hatten zu überwachen, dass die Regeln des Kampfes eingehalten wurden und keine Partei von Anfang an einen äußerlichen Vorteil hatte. Für Achillaeus tat das ein römischer Zenturio, für Gabrielle jedoch ein Grieche. Cäsar wollte sich später nicht nachsagen lassen, dass Gabrielle den Kampf durch Parteilichkeit der Aufpasser verloren habe.
Die beiden Kämpfer standen sich nun gegenüber und sahen einander über die Ränder ihrer Schilde an. Gabrielle presste die Kiefer zusammen und sammelte all ihre Kraft und ihre ganze Konzentration. Sie wusste, ihre einzige Chance bestand darin, durch ihre größere Beweglichkeit irgendwann eine Gelegenheit zu bekommen, Achillaeus' Deckung zu durchbrechen. Und ihr war auch klar, dass diese Gelegenheit nicht allzu lange auf sich warten lassen durfte, da sie den Kräften des ehemaligen Gladiators nicht lange würde standhalten können.
Während Gabrielle diese Gedanken durch den Kopf gingen, blickte sie hinauf in die hellbraunen Augen des Kriegers vor sich und bemerkte darin überrascht einen Ausdruck von Bedauern und Respekt, der ihr galt. Wie zur Bestätigung neigte der riesige Mann kaum merklich sein Haupt und ehrte sie auf diese Weise als Gegnerin. Dann ertönte ein drittes Trompetensignal worauf die Streiter ihre Schwerter hoben. Der ungleiche Kampf begann.

LXV

Langsam umkreisten sich Gabrielle und Achillaeus Maximus und belauerten einander, bereit, jeden Moment zuzuschlagen. Aber keiner von beiden mochte den Anfang machen.
Da ertönte plötzlich und unerwartet ein lauter Donnerschlag. Gabrielle erschrak und machte eine unwillkürliche Bewegung mit Xenas Schwert. In einem harte Jahre lang geschulten Reflex schlug daraufhin der ehemalige Gladiator zu. Wuchtig traf seine breite Klinge Xenas Schwert nahe am Heft. Der Hieb fuhr Gabrielle in den Arm wie ein Stromschlag, der schnell in ein taubes Gefühl überging. Die Bardin wich einem zweiten Schlag des Gegners zwar aus, hatte aber Mühe, den Griff ihres Schwertes festzuhalten.
Ein Blitz fuhr zuckend vom Himmel, bald darauf gefolgt von einem zweiten Donnerschlag. Es wurde finster, dann fielen die ersten schweren Regentropfen in den Staub und auf die Menschen auf dem Platz.
Wieder schlug der Gladiator mit seinem Schwert nach der Bardin. Nach anfänglichem Zögern hatte er sich nun damit abgefunden, dass kein Weg an der Tötung seiner Gegnerin vorbeiführte und wollte die Sache schnell und möglichst schmerzlos für sein Opfer hinter sich bringen. Gabrielle parierte den Schlag mit ihrem Schild und schwankte unter der ungeheuren Erschütterung. Blitzschnell nutzte Achillaeus die Unsicherheit der Bardin und schlug nach ihrem Schwertarm. Gabrielle konnte den Streich zwar abwehren, aber Achillaeus' Waffe rutschte an Xenas Klinge ab und schnitt ihr tief in den Arm. Gabrielle schrie auf, was aber im allgemeinen Aufstöhnen des Publikums unterging. Xena wurde leichenblaß und schien mit bloßen Händen die Stäbe ihres Käfigs auseinander biegen zu wollen. Cäsar beugte sich interessiert vor.
Noch ein paar solcher Hiebe und sie war erledigt! In Gabrielles Schläfen hämmerte der Puls. Sie musste Achillaeus' Beine verletzen und damit seine Beweglichkeit mindern. Die Deckung seines Oberkörpers schien undurchdringlich zu sein. Die Bardin begann den übermächtigen Gegner zu umtänzeln um ihm keine Angriffsfläche mehr zu bieten.
Inzwischen war der Regen zu einem von Blitz und Donner begleiteten Wolkenbruch geworden, der die Erde auf dem Kampfplatz innerhalb von Sekunden in rutschigen Schlamm verwandelte. Auch die Zuschauer auf der Tribüne sowie die Griechen hinter der Absperrung der Legionäre wurden bis auf die Haut durchnässt aber niemand dachte daran, vor dem Gewitter das Weite zu suchen: zu fesselnd war das, was sich vor ihren Augen abspielte.
Der hünenhafte Achillaeus drehte sich um die eigene Achse als er den Bewegungen der ihn umkreisenden Gabrielle folgte. Mühelos parierte er einen Hieb, den sie gegen ihn führte. Und wieder sah der erfahrene Kämpfer eine Lücke in Gabrielles Deckung. Blitzschnell schlug er ihr den schützenden Schild aus der linken Hand. Gabrielle nahm den vom eigenen Blut glitschigen Griff ihres Schwertes in beide Hände.
Ein erneuter kaum abgewehrter Streich ihres Gegners verwundete die Kämpferin an der Stirn. Sie spürte kaum den Schmerz der Verletzung aber das mit Regenwasser verdünnte Blut lief ihr in die Augen und beeinträchtigte ihre Sicht.
Gabrielle duckte sich unter einem weiteren Schlag hindurch, kam in Achillaeus' Rücken und führte Xenas Schwert gegen seine Beine. Sie traf den Riesen in den Oberschenkel und sofort sprudelte rotes Blut hervor und lief sein Bein hinab. Mit unglaublicher Geschwindigkeit fuhr Achillaeus brüllend herum und schlug mit schier übermenschlicher Kraft nach Gabrielle. Die Bardin konnte nicht mehr ausweichen und so traf sie der Hieb in die linke Seite. Hätte sie keine Rüstung getragen, so hätte der fürchterliche Schlag sie glatt in zwei Hälften zerteilt. Nun verhinderte das Metall zwar das Schlimmste, konnte der Wucht der scharfen Klinge aber letztendlich nicht standhalten: die Rüstung zerbarst. Ein alles verschlingender Schmerz raste durch Gabrielles Körper als das Schwert in ihre Seite drang und ihr wurde schwarz vor Augen. Aus der fürchterlichen Wunde schoß eine blutige Fontäne und spritzte in den aufgewühlten Schlamm, wo sie sich mit dem Regenwasser zu einer roten Pfütze vermengte. Xena in ihrem Käfig schrie entsetzt auf, wie auch das Publikum. Cäsar grinste triumphierend.

LXVI

Da passierte etwas Merkwürdiges. Um Gabrielle wurde es plötzlich ganz hell. Sie spürte nicht mehr den geringsten Schmerz und aller Lärm um sie herum schien verstummt zu sein. Es war als bewege sie sich in einem luftleeren Raum. Obwohl kein Laut an ihr Ohr drang, sah sie alles überdeutlich, jedoch auf absurde Weise verlangsamt. Sie sah in Zeitlupe das schon blutige Schwert ihres Gegners auf sich herabsausen. Gabrielle drehte sich unter dem Schlag und versuchte erneut in den Rücken des Kriegers zu gelangen. Der drehte sich mit ihr in einer absurd langsamen Choreographie, parierte ihren Schlag und streifte sie nun seinerseits am Oberschenkel ohne sie jedoch ernsthaft zu verletzen.
Aber Gabrielles Blut floß aus ihrer Seite an ihr herab in den Matsch, jeder ihrer angestrengten Herzschläge pumpte mehr von der kostbaren Flüssigkeit aus ihrem Körper. Ihr wurde schrecklich kalt. Dann erschienen Bilder vor ihrem geistigen Auge, Bilder von Xena bei ihrem gemeinsamen Tanz vor Cäsar - wie viele Leben war das her! Die schwer verletzte Bardin fühlte wieder die warmen, weichen Lippen der Freundin auf den ihren, die Wärme ihres schönen Körpers …… Wie gerne würde sie das noch einmal erleben!
Da schrie Gabrielle unartikuliert auf und machte einen erstaunlich kräftigen Ausfall nach dem überraschten Achillaeus, der schon geglaubt hatte, dass seine Gegnerin am Ende sei. Als er ihren Schlag parieren wollte, tauchte die furchtbar verwundete Frau unter seinem Schwertarm hindurch, gelangte wieder in seinen Rücken und sprang mit ungeheurem Schwung mit beiden Füßen in die Kniekehlen der mächtigen Beine vor sich. Achillaeus knickte zusammen wie ein Rohr im Wind und fiel auf sein Gesicht. Das Schwert entglitt seiner Hand und fiel unweit von ihm in den Schlamm.

LXVII

Das gesamte Publikum schrie auf wie ein Mann. Cäsar mochte nicht wahrhaben, was da vor seinen Augen geschah und Xena konnte ihr Glück kaum fassen. Gabrielle, ihre wunderbare kleine Gabrielle hatte den gewaltigen Achillaeus Maximus besiegt und sie gerettet! Für einen Moment vergaß sie sogar die schlimmen Verletzungen der Freundin.
Die Siegerin setzte die Spitze von Xenas Schwert in den mächtigen Nacken des vor ihr am Boden liegenden Mannes und die Zuschauer wurden vollkommen still. Die Bardin brachte mühsam hervor: "Achillaeus Maximus! Ergib dich mir!" Doch das gehörte nicht zum Ehrenkodex eines ehemaligen Gladiators. "Stoß' schon zu! Sei fair und schenke mir einen ehrenvollen Tod!" Gabrielle schüttelte ihren Kopf: "Oh nein, mein Freund! Mit dir habe ich keinen Streit und das Töten ist nicht mein Geschäft. Bitte sei so gut und steh' auf. Auch wenn deine Karriere bei Cäsar heute wahrscheinlich ein Ende hat, bist du doch ein guter und ehrenwerter Mann. Ich bin sicher, du wirst woanders eher deinen Frieden finden als bei dieser Bestie von einem Konsul! Also: bitte steh' auf!"
Doch der besiegte Kämpfer rührte sich nicht. Da wandte Gabrielle sich zur Tribüne ohne ihr Schwert vom Hals des Besiegten zu nehmen und rief mit großer Anstrengung: "hohes Gericht! Wie haben die Götter die Schuldfrage von Xena entschieden?" Der Sprecher der Geschworenen war schneller auf den Beinen als er selber glauben konnte. Mit mächtiger Stimme rief er, so dass es alle hören konnten: "das Urteil der Götter lautet: nicht schuldig!" Da brandete ein ungeheurer Applaus auf und die anwesenden Griechen jubelten und umarmten einander lachend. Der Wirt der Herberge "Zur reisenden Amazone" hätte dem neben ihm stehenden Schmied sicher ein paar Rippen zerquetscht wenn dieser nicht so ein kräftiger Mann gewesen wäre. Es hörte auf zu regnen.
Gabrielle sah einen Moment auf Achillaeus herab, und ihr wurde plötzlich schwindelig vom Blutverlust. Ihr Lebenssaft floß inzwischen weniger stark aus ihren Wunden. Als sie sich wieder gefangen hatte, nahm sie die Spitze ihres Schwertes vom Hals des Besiegten. Xena hielt den Atem an denn sie kannte ihre Freundin und wusste nur zu gut, was jetzt kam, auch wenn sie auf die große Entfernung nicht hören konnte, was Gabrielle sagte. "Achillaeus Maximus, wenn du dich nicht ergeben willst, musst du mich jetzt töten." Die Bardin warf Xenas Schwert fort und stand unbewaffnet vor dem sich jetzt aufrappelnden Mann. Sie fuhr fort: "ich habe meine Aufgabe erfüllt indem ich das Leben meiner Freundin Xena gerettet habe, wie der oberste Geschworene eben vor allen Leuten bestätigt hat. Xena wird leben und damit besteht für mich keine Notwendigkeit mehr zu töten. Ich wiederhole also: wenn du dich nicht ergeben willst, musst du mir jetzt das Leben nehmen!" Mühsam bückte sie sich wobei ihr wieder schwindelig wurde und hob das riesige Schwert ihres Gegners vom aufgeweichten Boden auf. Sie packte es mit nassen Händen vorsichtig an der scharfen Schneide und hielt dem Krieger wortlos den Griff entgegen.
Achillaeus Maximus sah auf die kleine Frau herab. Er sah in das kreidebleiche Gesicht unter den klatschnassen kurzen blonden Haaren, in dem die grünen Augen jetzt übergroß zu brennen schienen und es ergriff ihn ein völlig fremdes Gefühl, ein Gefühl, welches er bis zu diesem Moment nicht gekannt hatte: Ehrfurcht. Wortlos nahm er sein Schwert behutsam aus Gabrielles Händen, dann kniete er in den Matsch nieder, beugte sein mächtiges Haupt und reichte ihr die Klinge auf flachen Händen. Gabrielle lächelte froh, nahm das Schwert entgegen, und bat den ehemaligen Gladiator, sich zu erheben.
Xena, die wie alle anderen gebannt das Geschehen verfolgt hatte aber als einzige dessen Bedeutung ermessen konnte, hatte Tränen in den Augen, das Publikum jubelte. Cäsar war der Einzige, dem die Entwicklung der Dinge überhaupt nicht gefiel…..

LXVIII

Als Achillaeus sich erhoben hatte, schwankte Gabrielle plötzlich bedenklich. Schnell griff der Begnadigte nach dem Arm der Bardin und verhinderte so ihren Fall. Er sah an der kleinen Frau hinab und registrierte mit blankem Entsetzen die fürchterlichen Wunden, die er ihr geschlagen hatte. Mit gepreßter Stimme sagte er: "Gabrielle, du bist schwer verletzt! Du benötigst sofort ärztliche Hilfe!" Doch Gabrielle machte sich los. "Nein, noch nicht! Erst muß ich noch was erledigen!"
Nachdem sie Achillaeus sein Schwert zurückgegeben und Xenas Schwert von der Erde aufgehoben hatte ging die völlig mit Blut, Schlamm und Wasser bedeckte Gabrielle schwankenden Schrittes zur Tribüne herüber. Auf der Höhe von Cäsars Platz und vor den Geschworenen verharrte sie breitbeinig im Matsch, als stünde sie auf dem Deck eines schlingernden Schiffes. Sie ergriff Xenas Schwert mit beiden Händen, streckte die Spitze mit ungeheurer Anstrengung Cäsar entgegen und schrie mit heiserer Stimme: "Laßt Xena frei!" Das Publikum nahm den Ruf auf und Cäsar blieb nichts anderes übrig als mit saurer Miene einem Legionär die Schlüssel zu Xenas Käfig und ihren Fesseln zu geben, mit dem Befehl, die Kriegerprinzessin zu befreien.
Von Gabrielles argwöhnischen Blicken und vielen, vielen anderen Augen verfolgt stieg der Legionär hinauf zu Xenas Käfig und öffnete erst dessen Schloß und dann die Fesseln der Kriegerin. Derweil verharrte Gabrielle in ihrer Pose, obwohl inzwischen ihre Arme vor Anstrengung zitterten und ihr wiederholt schwarz vor Augen wurde. Auch war ihr so schrecklich kalt! Aber sie würde erst weichen, wenn Xena wirklich frei war, denn Cäsar war nicht zu trauen.
Kaum war die Kriegerprinzessin frei, schoß sie an dem Legionär vorbei und raste, rücksichtslos die Leute beiseite stoßend, die Tribüne hinab. Cäsar gab seiner Leibgarde einen scharfen Befehl und die Männer scharten sich um ihren Herrn um ihn vor der wie ein Orkan heranstürmenden Kriegerin zu schützen. Doch Xena hatte nur eins im Kopf: "Gabrielle!" schrie sie wieder und wieder. Über die letzten Reihen hinweg machte die Kriegerprinzessin einen dreifachen Salto und landete leichtfüßig im aufspritzenden Schlamm unmittelbar neben ihrer Freundin. In einiger Entfernung wieherte aufgeregt ein Pferd.

LXIX

Gabrielle ließ das Schwert sinken und sah die Freundin an: "Xena!" flüsterte sie mit blutleeren Lippen lächelnd. Dann wurde alles schwarz um sie herum.
Xena fing die Freundin auf, als diese neben ihr zusammenbrach. Sanft ließ sie Gabrielle in den weichen Matsch gleiten und beugte sich angstvoll über sie. Als sie die tiefe Wunde in Gabrielles Seite sah und feststellte, dass kaum mehr Blut daraus floß, fuhr der Kriegerin der Schreck durch alle Glieder. Sie fühlte den Puls am Hals der Freundin: nichts! Sie hielt der Bardin die Klinge ihres Schwertes vor die Nase und halb geöffneten Lippen: kein Hauch trübte sie. Schließlich legte Xena den Kopf auf Gabrielles Brust und horchte auf den Herzschlag: wieder nichts!
Xena zerriß unendliches Leid! Am liebsten hätte sie bis ans Ende aller Tage in dieser Haltung verharrt: kniend in Schlamm und Blut mit dem Kopf auf der leblosen Brust ihrer geliebten Freundin. Auf dem Platz herrschte Totenstille. Doch plötzlich wurde diese vom schadenfrohen Gelächter des Konsuls von Rom zerrissen.
Da packte Xena ein Haß von ungeheurem Ausmaß! Haß auf Cäsar und die Götter, die so grausam waren, ihr, Xena die unglaubliche Freude der Rettung sowohl ihres eigenen als auch Gabrielles Lebens zu bescheren um ihr dann im nächsten Augenblick das Liebste zu nehmen, was sie auf dieser Welt besaß: ihre Freundin!
Xena raste. Sie sprang auf die Füße und hob den leblosen Körper Gabrielles als wäre er leicht wie eine Feder so hoch zum Himmel empor wie ihre Hände reichten. Dann bleckte sie die ebenmäßigen, weißen Zähne, warf den Kopf in den Nacken so dass die Venen an ihrem Hals hervortraten und fing an, mit unnatürlicher Stimme die Götter zu verfluchen. Tränen liefen in Strömen über ihr verzerrtes Gesicht und es kamen Flüche über ihre Lippen, die zu kennen sie nie geglaubt hätte. Dann ließ sie Gabrielles Körper sinken, nahm ihn in ihre Arme und fing entsetzlich an zu schreien. Es war grausig anzuhören.
Die auf dem Platz anwesenden Menschen waren starr vor Entsetzen, selbst Cäsar bekam eine Gänsehaut. Gebannt blickten alle auf die breitbeinig im Matsch stehende düster wirkende Gestalt der großen Kriegerprinzessin, die ihre leblose Freundin nun in den Armen hielt als wolle sie sie nie wieder loslassen, grauenvoll schrie und mit ihren wirren schwarzen Haaren und dem verzerrten Gesicht aussah wie eine leibhaftige Furie. Und die doch gleichzeitig so erbarmungswürdig hilflos wirkte …..
Xena und Gabrielle waren sicher gewesen, zusammenbleiben zu können, hier oder in einer anderen Welt. Nun war der Fall eingetreten, an den sie niemals gedacht hatten weil er zu unwahrscheinlich zu sein schien: Xena lebte und war frei - und Gabrielle war tot.
Die Kriegerprinzessin hatte das Gefühl, ihr müsse der Kopf zerspringen wenn sie auch nur einen Moment aufhörte zu schreien. Und so schrie sie weiter, achtete nicht auf die Schmerzen in ihrer Kehle und den metallischen Geschmack von Blut in ihrem Mund. Sie schrie und schrie und schrie……

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